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Was möchte die Deutsche Welle eigentlich?

Seit fast zehn Jahren leitet der frühere Nachrichten-Chef von ProSiebenSat.1 die ARD-Anstalt, die vom Bund finanziert wird. Doch selten war die Kritik so laut.

Schon fast ein Jahrzehnt ist Peter Limbourg Chef der Deutschen Welle, dem Auslandsrundfunk der Bundesrepublik Deutschland, und formt fleißig den Auslandssender um. In diesem Bundeshaushalt sind 408 Millionen Euro als Zuwendungen hinterlegt, doch nach Aussagen des Intendanten reicht dieses Geld nicht. Das Budget eines Senders wie des Hessische Rundfunk soll demnach nicht ausreichen, um die Ansichten der Deutschen Regierung im Ausland zu vertreten?

Im „Tagesspiegel“ teilte Limbourg mit, dass der Bund die Ausgaben gesichert habe. Durch den Ukraine-Krieg, die Inflation und die Kosten für Energie seien diese Ziele nicht mehr einzuhalten. Veranstaltungen in Beirut, Jakarta oder Delhi haben laut „Süddeutscher Zeitung“ das Budget ebenfalls aufgebraucht, laut „Vice“ und „FragdenStaat“ habe man aber auch eine Kunstsammlung erweitert. Jetzt sollen Köpfe rollen, aber nicht etwa der von Limbourg. Stattdessen müssen 100 Vollzeitstellen abgebaut werden und die Sportredaktion soll bis zu drei Viertel der Ausgaben kürzen.

Laut „Welt“, der ein internes Gutachten vorliegt, vergleicht sich die Deutsche Welle gerne mit der BBC. Diese kommt mit ihrem 700 Millionen Budget auf 468 Millionen Nutzerkontakte, Limbourgs Sender dagegen schon auf 289 Millionen. Wie sich die Zahlen genau errechnen lassen, ist sehr strittig. Schließlich gibt es keine genauen Quotenmessungen. Einigen Mitarbeitern stößt es sauer auf, dass aus dem Evaluationsbericht der Deutsche Welle aus dem Jahr 2021 insgesamt mehr als 200-mal die BBC genannt wird.

Die Aufgabe der Deutschen Welle ist, die Bundesrepublik Deutschland als europäisch gewachsenen Kulturnation verständlich zu machen. Ob man dafür einen Haushalt von 400 Millionen Euro jährlich benötigt, ist sehr strittig. Auch die Angebote der Deutschen Welle sind ungewöhnlich, denn die steuerfinanzierte ARD-Anstalt betreibt unter ihrer Domain eine Art eigenständiges Tagesschau.de, hat eine umfassende Sportredaktion und bietet auch zahlreiche selbstgedrehte Beiträge aus Deutschland – abseits der Politik. Es scheint so, als baue sich Limbourg innerhalb der ARD sein eigenes ARD Aktuell auf.

Hier kommt auch der unpassende Vergleich: Die BBC betreibt einen Nachrichtensender für das Inland, BBC News, der mit den Nachrichten aus dem Hauptprogramm verknüpft ist. Man kann dies durchaus mit dem Ersten und tagesschau24 vergleichen. Hinzu kommt die englischsprachige Version BBC World News, die kommerziell betrieben wird und neben den zahlreichen BBC-Fiktion-Serien praktisch Geld in die klammen öffentlich-rechtlichen Kassen spült. Neben diesen zwei Fernsehsendern, die stark kooperieren, kommen noch zahlreiche weitere Sprachversionen hinzu. Doch im Gegensatz zur Deutschen Welle, die sämtliches aus eigener Hand fahren will, wird bei der BBC zusammengearbeitet.

Einen weiteren Punkt hat Limbourg und sein riesiges Team nicht verstanden: Die BBC startete mit ihrem weltweiten Hörfunk im Jahr 1922, um die Bevölkerungen zu informieren. Im Zweiten Weltkrieg diente die unabhängige Berichterstattung auf beiden Kriegsseiten als wichtige Informationsquelle. Diese Lage herrscht aktuell nicht und – das muss gesagt sein – Informationen sind weiterhin in englischer Sprache bei der BBC besser ausgehoben als bei der Deutschen Welle. Zudem verfügt die Bundesrepublik Deutschland weder über Überseegebiete oder ein aktives Commonwealth of Nations noch wie Frankreich ein Staatsgebiet außerhalb Europas.

Daher muss sich die Regierung und die Deutsche Welle natürlich die Frage gefallen lassen, warum ein solcher Luxus finanziert werden muss. In inzwischen 30 verschiedenen Sprachen bietet die Deutsche Welle ihre Nachrichtenseite an, zahlreiche Live-Sender hat man in den vergangenen Jahren betrieben. Daher muss sich Peter Limbourg die Frage gefallen lassen, wie modern die Deutsche Welle noch ist. Kann der Sender nicht auch künftig – durch die vielen verschiedenen Möglichkeiten – viel enger mit Kollegen von ARD Aktuell zusammenarbeiten? Inwieweit unterscheidet sich das Profil zwischen ARD-Redaktionen und den DW-Redakteuren in Bonn und Berlin?

Schlussendlich muss die Deutsche Welle auch endlich verlässliche Zahlen vorlegen, wie sich die Entwicklung der verschiedenen Angebote (Fernsehen, Livestream, YouTube, Webseite) entwickelt haben. Die Tech-Konzerne haben in den vergangenen Jahren zahlreiche Alternativen aus dem Boden gestampft, zahlreiche Medien bitten um Aufmerksamkeit. Da erscheint es nicht komplett logisch, dass ein Auslandssender der Deutschen einer der weltweiten Gewinner ist. In den deutschen Medien wird zwar immer wieder von dem wichtigen Wirtschaftspartner Deutschland gesprochen, doch die meisten Angelegenheiten regelt inzwischen die Europäische Union.
03.04.2023 11:55 Uhr Kurz-URL: qmde.de/141229
Fabian Riedner

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