Am Ende bleibt ein großer Cliffhanger, der nicht mehr aufgelöst wird. Netflix hat die auf einer amerikanischen Comicreihe basierende Serie «Warrior Nun» eingestellt.
Am 10. November 2022 ist die zweite Staffel erst gestartet; dass Netflix nur einen Monat später den Stecker zieht, mag ungewöhnlich erscheinen, erschließt sich aber durchaus aus den vorliegenden Zahlen. Das Interesse ist demnach eher übersichtlich ausgefallen. Zwar hat sich die zweite Staffel direkt in den Top 10 platzieren können, nach drei Wochen aber ist sie aus diesen auch schon wieder verschwunden. Ihre beste Platzierung in dieser Zeit: ein fünfter Platz. So schlecht ist das in den Augen der Fans vielleicht nicht, Netflix aber scheinen diese Zahlen nicht überzeugt zu haben. Showrunner Simon Barry dankte in einem Tweet den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Serie für ihr Engagement, das war es! Bei den Fans stößt die Absetzung auf Unverständnis, in den sozialen Medien wird auf das positive Abschneiden der Serie bei Rotten Tomatoes hingewiesen, wo die Serie bei den Zuschauerkritiken eine positive Rate von 97 Prozent erreicht (Profikritiken: 84 Prozent Zustimmung).
Im Mittelpunkt der Serie steht die junge Ava (Alba Baptista), die eines Tages in einer Leichenhalle erwacht und feststellen muss, dass sie auserwählt worden ist, um als Mitglied eines geheimen Ordens gegen das Böse zu kämpfen. Die Serie basiert auf Ben Dunns «Warrior Nun Araela», einer Comicreihe, die grafisch an japanischen Manga angelehnt ist.
Nun wurde die Serie von Anfang an als Serie eines neuen Zeitalters von Fans und wohlmeinenden Medien gepriesen. Stichwort: LGBTQ+. Die Hauptfigur verliebt sich in eine andere Frau, Geschlechtergrenzen spielen kaum bis gar keine Rolle, die Welt ist bunt. Dass Netflix die Serie abgesetzt hat, kann demnach gar nichts damit zu tun haben, dass sie die Erwartungen des Streamers nicht erfüllen konnte. Direkt ist dann auch eine Petition bei change.org gestartet worden , mit der Netflix zum Einlenken bewegt werden soll; es werden Rechnungen aufgestellt, die belegen sollen, dass die Serie eigentlich ziemlich gut gelaufen ist im Vergleich zu anderen Netflix-Shows. Ja, man findet sogar Tweets von Fans, die ihre Abos aus Wut gekündigt haben. Der Tenor all dieser Cancel-Kritiker: Die Absetzung kann nur damit erklärt werden, dass die Serie die Sehgewohnheiten alter, weißer cis-Männer angreift. Das geht natürlich nicht und aus diesem Grund muss Netflix die Boomer vor den Realitäten jenseits ihrer kleinen Wohlfühlblasen beschützen.
Kein Fan ist glücklich darüber, wenn seine/ihre Lieblingsserie abgesetzt wird. Es wäre traurig, gäbe es dieses Gefühl nicht mehr und würde Serienkonsum nur noch bedeuten, sich von bewegten Bildern bedröhnen zu lassen, ohne eine emotionale Bindung zu den Geschichten und den Figuren herzustellen. Das Gefühl der Traurigkeit beweist, dass es diese echte emotionale Bindung noch gibt → eine Liebe, eine Passion. Und das ist nicht mehr und nicht weniger als das, was Kunst ausmacht: Dass sie die Betrachter nicht kaltlässt, sondern mitnimmt, abholt und über das Gesehene hinaus Emotionen erleben lässt. Die aber, und dass müssen die Fans eben auch verstehen, die die Entscheidungen treffen, ob eine Serie fortgesetzt wird oder nicht, sind keine edlen Mäzene schöner Künste. Es sind Buchhalter, Korintenzähler, Kaufleute, die zwischen Kosten und Nutzen abwägen. Denen ist es am Ende des Tages vollkommen egal, ob die weibliche Hauptfigur einer Serie eine andere Frau liebt, einen anderen Mann oder wen auch immer. Wenn das Publikum in ausreichender Anzahl mitgeht und die Kosten-Nutzen-Analyse eine Positivrechnung ergibt, wird eine Serie fortgesetzt. Wenn nicht – nicht. Das mag für Fans schwer zu akzeptieren sein, aber es ist die Realität.
«Warrior Nun» kann bei Netflix gestreamt werden.
15.12.2022 12:03 Uhr
Kurz-URL: qmde.de/138882
Christian Lukas
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