Das «Yellowstone»-Prequel «1883» mag nur lose mit der Mutterserie verknüpft sein, doch allein dieser dünne rote Faden dürfte schon vor der Erstausstrahlung die Korken knallen gelassen haben.
Was Kevin Feige mit Marvel für die Filmwelt geschafft hat, nämlich der erfolgreichste Filmproduzent der Welt zu werden, dürfte demnächst Taylor Sheridan für die TV-Welt zugeschrieben werden. Mit einer Prequelserie die Ursprünge der Dutton Familie zu beleuchten, klingt zunächst nicht nach äußerst innovativem Geschichtenerzählen. Doch gerade in Zeiten der Franchise-Dschungel, in denen der Erfolg einer jeden Neuschöpfung wie eine Zitrone bis auf den letzten Tropfen ausgequetscht wird, überrascht die Entscheidung keineswegs. Was allerdings zunächst wie ein schneller Weg, eine Menge Geld im Stile des «The Walking Dead»-Universums und seiner vielen Ableger zu verdienen klingen mag, stellt sich dank Sheridans Liebe zum Westerngenre als Finte heraus.
«1883» mag aufgrund der Nachnamen seiner Protagonisten mit der Mutterserie verbunden sein, grenzt sich aber sowohl erzählerisch als auch stilistisch immens von dieser ab, lediglich die fantastische Kameraarbeit, die weitläufige, naturbelassene Landschaften einfängt, bleibt erhalten. Die zehnteilige Miniserie spielt im titelgebenden Jahr 1883 und zeigt die unter widrigsten Bedingungen stattfindende Reise der Dutton Familie von Texas nach Montana. Während «Yellowstone» als Neowestern mit leicht soapigen Elementen im Stile von «Dallas» zu einer der erfolgreichsten Serien des 21. Jahrhunderts avancierte, gliedert sich «1883» im klassischen Westerngenre ein. Schnörkellos, dreckig, und brutal erinnert der wilde Westen von «1883» damit viel mehr an Genrevertreter wie «Deadwood» als an die eigene Mutterserie.
Das Casting kann in den meisten Fällen als äußerst gelungen bezeichnet werden, allen voran Sam Elliott, der Archetyp des Cowboys im Wilden Westen, brilliert in seiner Rolle als gebrochener Führer des überwiegend unerfahrenen Siedlertrecks. Auch die eher aus der Country-Musik-Szene bekannten Tim McGraw als Patriarch James Dutton und dessen Frau Faith Hill gehen voll in ihren Rollen auf. Äußerst zwiegespalten dürfte hingegen die Rolle der von Isabel May verkörperten Elsa Dutton aufgenommen werden. Mit Voice-Overn begleitet die Tochter der Duttons die Serie als Erzählerin und beschreibt den unerbittlichen Wilden Westen durch die rosarote Brille einer Teenagerin. Die Idee, die Reise durch den unbefleckten Westen mit einer Coming-of-Age Geschichte zu verbinden, mag einerseits als genau jener erzählerische Kniff funktionieren, der «1883» von anderen Genrevertretern abgrenzt und damit eben doch den Innovativitätsfaktor inkludiert. Andererseits sorgt die Naivität, mit der die junge Elsa durch den Wilden Westen reist, mit der sie sich verliebt und Risiken eingeht, nicht selten für immenses Augenrollen beim Schauen der Serie. Sie wirkt stehts wie ein Fremdkörper, der schlicht nicht in die raue Westernwelt hineinzupassen vermag. Vielleicht ist es aber auch genau dieser Lernprozess des jungen Mädchens, über den sich so mancher Zuschauer mehr als einmal aufregen dürfte, der «1883» von andern Gattungsvertretern abgrenzt und so abermals etwas Originalität in ein von vielen bereits als auserzählt angesehenes Genre bringt.
«1883» ist eine gradlinige Westernserie alter Schule, bis sie es eben nicht mehr ist und genauso wie die Mutterserie verschiedene Genres miteinander vermischt. Die Coming-of-Age Geschichte der jungen Elsa in einer weiten, unerschlossenen Welt, die keine Fehler verzeiht, kann beim Schauen zu Teilen verdrießlich wirken, auch wenn ihr eine gewisse Faszination, die sich von der jungen Frau auf das Publikum überträgt, nicht abgesprochen werden kann.
«1883» wird zum Start von Paramount+ am 8. Dezember 2022 auf Abruf verfügbar sein.
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