Sechs Jahre nachdem «Rogue One» in den weltweiten Kinos bei (Alt-)Fans für Begeisterung sorgte, wie es lange kein «Star Wars»-Film konnte, wird nun die Vorgeschichte einer der Protagonisten erzählt.
Die Idee, die Vorgeschichte Cassian Andors (Diego Luna) zu erzählen, eines Helden dessen tragisches Schicksal bereits geschrieben steht, erschien zunächst wie ein weiterer einfallsloser Versuch Disneys, Content zu produzieren, um den eigenen Katalog zu füllen. Insbesondere nach «Das Buch von Boba Fett» und «Obi-Wan Kenobi», welche exakt dieses Dilemma bestätigten, dürfte die Vorfreude auf «Andor» vielerorts äußerst gedämmt gewesen sein. Doch glücklicherweise hat es Disney geschafft mit «Andor» ein Häschen aus dem Hut zu zaubern, das es schafft, die Fußstapfen von «Rogue One» stilistisch und erzählerisch ohne merkliche Abstriche zu füllen.
Bereits mit dem Beginn der ersten Folge von «Andor» wird deutlich, dass hier vom Kurs, Disney+ Content möglichst kinderfreundlich zu gestalten, deutlich abgewichen wurde. Die Serie beginnt in einem Bordell auf Morlana One, einem Planeten des Konglomerats Preox-Morlana und einige Minuten später wird in den Straßen des düsteren, nasskalten Planeten äußerst klar, dass «Andor» weit von den klassischen Heldenfiguren aus «Star Wars» abweicht. Die Handlung wird dabei langsam aufgebaut, anstatt den Zuschauer wie bei anderen «Star Wars»-Serien mitten hinein zu werfen. Das zunächst eher gemächliche pacing gibt der Geschichte die Möglichkeit sich konsekutiv zu entwickeln, ohne allerdings überflüssiges Füllmaterial zu produzieren. Selbst die Flashback-Szenen in die Kindheit Andors, deren Dialoge bewusst nicht übersetzt wurden und den Zuschauer zwingen, sich wie in einem Stummfilm auf die gezeigte Handlung zu konzentrieren, wirken handlungsförderlich und zweckerfüllend.
Dass Andor praktisch von Beginn an mit Namen für Orte und Personen nur so um sich wirft, könnte für Gelegenheitszuschauer hingegen durchaus problematisch sein, aber die Hardcorefangemeinde, die sich nun auch endlich vom immergleichen Tatooine verabschieden kann, voll und ganz abholen. Auch die politischen Strukturen, die hier eine viel größere Rolle als bei vorausgehendem «Star Wars»-Geschichten spielen, haben ihren Sinn und Zweck und tragen maßgeblich zur Handlung bei. Selbst vor der Darstellung von Intimität wird nicht zurückgeschreckt, was die Kurskorrektur zu erwachsenem Geschichtenerzählen verfestigt.
Ebenfalls weiterentwickelt oder je nach Sichtweise auch positiv zurückentwickelt hat sich «Andor» im visuellen Bereich. Der Einsatz von CGI wurde eingeschränkt und durch praktische Effekte sowie hervorragende Make-Up Arbeit ergänzt bzw. ersetzt, was die gesamte Welt viel lebendiger und echter wirken lässt.
Intimität, Gewalt und Politik. «Andor» erzählt endlich eine erwachsene «Star Wars» Geschichte. Ausgiebige Dialoge, viele zu merkende Namen und ein zunächst langsames Pacing könnten gerade in den ersten beiden Folgen Gelegenheitszuschauer abschrecken aber jene belohnen, die der Geschichte Zeit zu Entfaltung geben. «Andor» konzentriert sich wieder auf das Geschichtenerzählen und wirkt wie «Star Wars» aus längst vergangenen Zeiten, ohne dabei auf einen kleinen, süßen Baby-Yoda zurückgreifen zu müssen.
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