Der Streamingdienst Amazon hat eine Serie mit J. K. Simmons und Sissy Spacek im Programm, die mit ihrer langsamen Erzählung überzeugt.
Zahlreiche Serien starten fulminant durch: In «Desperate Housewives» bringt sich Mary Alice Young um, bei «Lost» gibt es ein Action-Spektakel durch den Flugzeugabsturz zu sehen. Diese Formate stehen im krassen Gegensatz zu Erzählstrecken wie die hochgelobten Serien «Fargo», «Dopesick» oder «Die Brücke – Transit in den Tod». Die recht unbekannten Autoren Holden Miller und Daniel C. Connolly haben ein neues Werk auf die Bildschirme gebracht, das ebenfalls durch seine langsame Erzählweise überzeugt.
Im Mittelpunkt der Serie steht das Ehepaar Franklin und Irene York. J. K. Simmons ist für die Rolle tatsächlich fantastisch besetzt, obwohl fast jeder Fernsehzuschauer von amerikanischen Stoffen mit dem inzwischen 67-Jährigen in Verbindung kam. Er wirkte unter anderem in der TNT-Serie «The Closer» mit, war bei der Tobey-Maguire-«Spider-Man»-Trilogie dabei und gehört zum Ensemble von «Up in the Air» und «Burn After Reading». Simmons verkörpert einen früheren Holzhandwerker, der bei der Fällung eines Baumes in seinem Garten auf einen mysteriösen Gegenstand stößt.
Ihm zur Seite steht seine Ehefrau Irene York, eine ehemalige Englischlehrerin aus Farnsworth, Illinois. Sissy Spacek, die für «Nashville Lady» den Oscar erhielt, gehörte auch zum Cast der Netflix-Serie «Bloodline». Seit über 50 Jahren ist das Ehepaar York verheiratet, doch der gesundheitliche Zustand der beiden verschlechtert sich zunehmend. Irene stürzte und muss sich seither mit einem Rollstuhl und einem Treppenlift herumschlagen, Franklin scheint an Alzheimer zu erkranken.
Nach gemeinsamen Tagen bei Ärzten und kleineren Ausflügen will das Paar noch die Sterne sehen und gehen deshalb in den Garten. Genauer gesagt laufen sie zu ihrem Geräteschuppen, der einen Keller hat und zu einer mysteriösen Kammer führt. Wer diese Kammer betritt, wird mit einer vermeintlichen außerirdischen Technologie auf einen fremden Planten teleportiert. Bereits über 900-mal haben die Yorks dieses Abenteuer bestritten. Auf dem fernen Planeten gibt es die Möglichkeit, das Raumschiff zu verlassen und eine Staubwüste zu betreten, doch das hat das Ehepaar bislang noch nicht ausgetestet. Nur Mäuse hat man ausgesetzt, die allerdings verendeten.
Die nächtlichen Ausreißer in den Geräteschuppen bleiben nicht unbemerkt, denn Nachbar Byron (Adam Bartley, «NCIS: Los Angeles») geht diesem Vorgang auf die Spur und mischt sich in das Leben der Yorks ein. Damit die acht Episoden umfassend gefüllt werden, bekommt er eine ausschweifende Nebenstory mitsamt politischen Ambitionen, eiskalter Ehefrau (Cass Buggé, «Disengaged») und Problemen aus der Vergangenheit.
Irene hat sich mit dem Ende ihres Lebens abgefunden und schreibt Franklin einen Abschiedsbrief. Danach begibt sie sich in die mysteriöse Kammer und möchte den fremden Planeten erkunden. Just in diesem Moment erscheint der geheimnisvolle Jude (Chai Hansen, «Shadowhunters»), der mit zahlreichen Verletzungen im Raumschiff liegt. Sie eilt ihm zur Hilfe und bringt ihn mit auf die Erde. Es ist nicht klar, ob der geheimnisvolle Mann aus dem Weltraum ein Freund oder Feind ist. Die Yorks nehmen ihn auf, um seine Geschichte zu erfahren.
Mit der zweiten Folge wechselt die Handlung in die Provinz von Jujiy, einer argentinischen Wüste. Hier lebt Stella (Julieta Zylenberg, «Edha») mit ihrer Tochter Toni (Rocio Hernández, «Separadas»), die ebenfalls ein Geheimnis hüten. Auch sie beherbergen eine Kammer, die teleportieren kann. Doch ehe dieser Raum ins Nirgendwo benutzt wird, bekommen die Fernsehzuschauer zahlreiche Nebenstorys aufgetischt. Ob man diese benötigt? Wohl nicht, aber das Drama möchte die Figuren ausführlich vorstellen und ihre Handlungszüge mit den zahlreichen Geschichten untermauern.
Als regelmäßiger Konsument von amerikanischen Serien ist klar: Die zwei Familien werden aufeinandertreffen. Doch die Begegnung wird anders verlaufen, als viele Zuseher dies vorhersehen werden. Zeitweise ist das Ergebnis eher suboptimal, doch schlussendlich sind die Schlüsselszenen akzeptabel. Acht Folgen umfasst die Science-Fiction-Serie «Night Sky», die Amazon am 20. Mai 2022 veröffentlichte. Mit den Folgen sieben und acht kommt richtig Schwung in die Handlung und der emotionale Abschluss ist nur ein Finale vor dem nächsten. Die Autoren eröffnen vor allem in den letzten Minuten, in dem die Serie schon abgeschlossen zu sein scheint, noch weitere Handlungsstränge.
Die Koproduktion der Amazon Studios und Legendary Television bindet alle Entwicklungen nicht auf die Nase – anders als zahlreiche US-Serien. Dass es den Yorks mit der Begegnung von Jude langsam besser geht, Franklins Alzheimer verschwindet und Irene wieder gehen kann, wird verbal nicht mal angesprochen. Obwohl «Night Sky» mit der langen, aber nicht zähen Einführungen punkten kann, gibt es auch den Charakter der Altenpflegerin Chandra (Beth Lacke, «Frequency») und der Begegnung mit Sadie (Pat Vern Harris, «Detroiters»), die wirklich überflüssig sind. Die Autoren haben sich wirklich Mühe gegeben, eine packende Geschichte zu verfassen. «Night Sky» macht Lust auf eine zweite Staffel, die allerdings nicht realisiert wird. Das Format ging bei Amazon Prime Video unter, die Serie wurde im Juli 2022 mangels Interesses eingestellt. Das ist insofern schade, weil die Science-Fiction-Geschichte ungewöhnlich war und weitere Spannungsbogen hätte bescheren können. Es wird aber wohl nicht J. K. Simmons letztes Projekt bleiben.
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