Im Quotenmeter-Interview spricht Riccardo Simonetti über seine Erfolge im zurückliegenden Jahr und erklärt, was ihm besonders wichtig an seiner Arbeit ist. Außerdem geht er auf die Unterschiede von «Glow Up» zu herkömmlichen Castingshows ein.
Hallo Herr Simonetti, vor knapp einem Jahr sagten Sie in unserem Interview, Fernsehen sei immer Ihr ultimatives Ziel gewesen. Nach den vergangenen zwölf Monaten lässt sich festhalten: Ziel erreicht, oder?
Ich mache ja nun schon seit fast zehn Jahren Fernsehen, aber ich habe das Gefühl endlich an dem Punkt angekommen zu sein, an dem auch die Menschen, die Fernsehen machen mir vertrauen und mir die Chance geben mein Potenzial auszuleben.
Sie waren bei «Die Job-Touristen», «Das Supertalent», «The Masked Singer» oder «Wer stiehlt mir die Show?» dabei. Sind Sie zufrieden mit der Bilanz des vergangenen Jahres.
Ich bin sehr dankbar für alle Chancen, die ich nutzen kann und genieße es total, so viele verschiedene Plattformen zu bekommen. Außerdem bin ich auch einfach stolz darauf, dass ich in den Formaten, in denen ich zu sehen bin, meine persönliche Message mit einbringen kann und die Gelegenheiten nutzen darf, die sich mir bieten, um auf Themen hinzuweisen, die mir am Herzen liegen. Ich glaube ich bin vor allem deshalb so dankbar, weil ich mich auch an die Zeiten erinnern kann, in denen das nicht so war und mir nicht jede Tür im Fernsehen offenstand. Bei Castings oder Terminen in den Chefetagen der großen Sender habe ich ganz oft gehört, ich hätte sicherlich Talent und würde theoretisch gut in Format X oder Y passen, aber ich könne nicht besetzt werden, weil das Publikum noch nicht so weit sei „so jemanden wie mich“ zur Primetime oder in einer familienfreundlichen Sendung am Samstagabend zu sehen. Mit „jemand wie ich“ meinte man einen schwulen Mann, der offen und sichtbar schwul ist, und vor allem auch laut darüber spricht. Ich habe das Gefühl die letzten zehn Jahre mühsam Türen geöffnet zu haben und jetzt durch diese Türen gehen zu dürfen und sie hoffentlich auch für andere marginalisierte Menschengruppen in den Medien offen zu halten, fühlt sich sehr ermutigend an. Denn auch wenn das gerne mal gesagt wird: Diversität in den Medien ist kein Trend, der irgendwann wieder verblasst. Diversität war schlichtweg längst überfällig und ist einfach nur ein Spiegel unserer vielfältigen Gesellschaft.
Auf welches Projekt würden Sie in der Retrospektive verzichten?
Anders gesagt: «Wer steht mir die Show?» war für mich sicherlich ein absolutes Highlight. Ganz einfach aus dem Grund, weil ich so viel von meiner eigenen Persönlichkeit auch wirklich mit einbringen konnte. Natürlich sagen Menschen an TV-Sets zu einer Person wie mir, die dafür bekannt ist sie selbst zu sein, ständig, dass sie genau das sehen wollen: Mich. Und anders als ich das in anderen Formaten schon so oft erlebt hatte, wurde mir bei «Wer stiehlt mir die Show?» genau dieser Raum auch wirklich gelassen. Das liegt sicherlich zu einem großen Teil auch an Joko Winterscheidt selbst, der von Tag eins an auch abseits der Bühne einfach nur großartig war, aber auch an der gesamten Produktion hinter dieser Show. Was FloridaTV da auf die Beine stellt, war für mich wirklich ein neues Level. Sich dort dann auch wirklich genau so zu zeigen, wie man ist, fällt umso leichter. Ich denke auch das ist ein Geheimnis für den großen Erfolg der Sendung. Grundsätzlich bin ich aber niemand, der Dinge bereut – ich glaube, dass alles seinen Grund im Leben hat und einen jede Erfahrung auch zu neuen Erkenntnissen bringt. Nicht jedes Format würde ich heute nochmal machen, aber ich bin trotzdem dankbar für die Erfahrungen und die Möglichkeiten, die sich mir dadurch ergeben haben.
Nun steht mit «Glow up» Ihr nächstes Projekt an. Warum sind Sie aus dem Privatfernsehen zurück in die Sparte gegangen?
Ich bin dem ZDF sehr dankbar, dass sie diese Sendung nach Deutschland holen und mich an Bord geholt haben das Format bei ZDFneo zu moderieren. Ich glaube, das Thema Make-up und Menschen, die Make-up machen, ist gerade in Deutschland noch sehr stigmatisiert und muss sich mit dem Vorurteil herumschlagen, dass es immer nur um Eitelkeit geht und etwas Oberflächliches sei. «Glow Up» ist der perfekte Beweis dafür, dass man Menschen, die Make-up machen, in jeglicher Form nicht in dieselbe Schublade stecken darf. Alle haben unterschiedliche Hintergründe, warum sie mit Make-up angefangen haben und können durch diese Sendung nicht nur ihr wirklich spektakuläres Talent beweisen, sondern auch ihre Persönlichkeit zeigen und ihre Geschichten erzählen. Ich kann es kaum erwarten zu sehen, wie diese Sendung in Deutschland aufgenommen wird und bin überzeugt davon, dass wir eine Sendung gemacht haben, die nicht nur Make-up affine Menschen begeistern wird – denn es geht um so viel mehr als unfassbare Looks.
Ihrer Meinung nach ist Deutschland ‚bereit für mehr Farbe‘. Das bezieht sich natürlich auf die neue Make-up-Show. Mal davon abgesehen, wo hat es Deutschland am meisten nötig Farbe zu bekennen?
Ich glaube, dass Deutschland in jeglicher Hinsicht noch viel Farbe zu bekennen hat. Selbst in so vermeintlich progressiven Bereichen wie der Medienbranche sieht man, dass immer noch sehr viele Entscheidungen von Menschen getroffen werden, die Diversität immer noch mehr als Aufgabe statt als Selbstverständlichkeit verstehen. Ich glaube, wir sind es der nächsten Generation schuldig auch in den Medien eine diverse Gesellschaft abzubilden, so wie die reale Gesellschaft eben auch divers ist. Medien haben jahrelang ein Ideal etabliert, dass für die meisten Menschen unerreichbar ist oder für viele Menschen, zum Beispiel für mich, keine Identifikationsfiguren angeboten hat. Mit derselben Radikalität, mit der jahrelang dieses Bild geschaffen wurde, gilt es jetzt und in Zukunft auch alternative Bilder zu schaffen, von denen sich mehr Menschen abgeholt fühlen als die, die der Mehrheitsgesellschaft angehören.
Castings stehen derzeit so stark in der Kritik wie selten zuvor. «Das Supertalent» und «DSDS» wurden oder werden abgesetzt, «Germany’s Next Topmodel» sieht sich heftigster Kritik ausgesetzt und darf als Fake-Fernsehen bezeichnet werden. Was unterscheidet «Glow Up» von all diesen Marken?
«Glow Up» ist anders. Wir profitieren davon, wenn unsere Protagonist*innen, die beste Version von sich selbst sind und mit ihrer Kreativität Ergebnisse erzielen, die die Menschen vor dem Fernseher begeistern. Jeder, der bei «Glow Up» mitmacht, ist ein außergewöhnliches Make-up Talent und wir sind dankbar, dass diese Menschen ihr Talent der Welt präsentieren wollen und sich in die Situation begeben ihre Arbeit bewerten zu lassen. Man muss sich das einmal vorstellen: Viele von den Talenten, die bei Glow Up mitmachen sind ja schon arbeitende, oft erfolgreiche Make-up-Artists und haben entsprechend auch einen Ruf zu verlieren in der Branche, wenn sie sich in der Sendung nicht gut anstellen. Das ist enormer Druck und ich weiß das extrem zu schätzen, dass selbst erfahrene Make-up-Artists sich von unserer Jury bewerten lassen und extrem aus ihrer Komfortzone heraustreten. Darüber hinaus geht es bei «Glow up» um wunderbare Menschen und tolle Geschichten, die aber immer respektvoll erzählt werden.
Für Das Erste setzen Sie demnächst auch eine eigene Personality-Show um. Gibt es dazu mittlerweile konkretere Pläne?
Die gibt es und wir sind gerade mitten in den Vorbereitungen. Auch darauf freue ich mich sehr und bin sehr stolz, dass ich dem Öffentlich-Rechtlichen ein bisschen Glamour einhauchen darf (lacht).
Darf sich das Publikum in der Sendung eher auf den Entertainer oder Aktivisten Riccardo Simonetti freuen?
Das eine gibt es nicht ohne das andere.
Vor einigen Monaten gab es eine Welle der Kritik, «Die Sendung mit der Maus» würde Kinder sexualisieren bzw. umerziehen. Sie entwickeln für das kommende Jahr eine Lachgeschichte. Greifen Sie darin diese Kritik auf?
Ich bin ein großer Fan von der Maus und bei meiner Arbeit als Aktivist ist es mir auch besonders wichtig die junge Generation zu berücksichtigen. Wer heute Toleranz und Vielfalt lernt, wird später hoffentlich auch umsichtiger mit seinem Gegenüber sein. Ich denke unser gemeinsames Projekt wird die ideale Grundlage sein, um einen positiven Denkanstoß zu geben. Und alle, die wirklich glauben, dass Kinder „umerzogen“ werden können, nur weil man ihnen verschiedene Lebensrealitäten liebevoll und vor allem kindgerecht näherbringt: Ich bin mit Hetero-Liebe in Filmen, Sendungen und Zeitschriften aufgewachsen – es hat andersherum offensichtlich bei mir auch nicht funktioniert.
Sie haben ihr ‚ultimatives Ziel‘ also erreicht. Dennoch: Das Fernsehpublikum wird immer älter. Sie sind noch nicht einmal 30 Jahre alt. Sehen Sie ihre Zukunft trotzdem noch im Fernsehen? Oder ist Ihr Wechsel in den Streamingbereich unausweichlich?
Ich freue mich auch, wenn ich einem älteren Fernsehpublikum etwas mit auf den Weg geben oder ein Lächeln ins Gesicht zaubern kann. Und auch meine Generation entwickelt sich ständig weiter, Leben verändern sich, Menschen verbringen auch wieder mehr Zeit zu Hause vor dem Fernseher, wenn ihre Lebenssituation anders ist als vielleicht noch vor einer Weile. Ich denke ein gutes Format, gute Unterhaltung und die richtige Message können es auch schaffen generationsübergreifend das Publikum vor dem Fernseher zu versammeln. Ich konsumiere beides gerne: Streamingdienste und klassisches Fernsehen. Am Ende ist doch das Angebot entscheidend.
Herr Simonetti, vielen Dank für das Gespäch!
«Glow up – Deutschlands nächster Make-up-Star» ist ab Donnerstag, 22. September, ab 20:15 Uhr immer donnerstags bei ZDFneo zu sehen.
Schreibe den ersten Kommentar zum Artikel