Mit 50 neuen Ausgaben möchte RTL sein Programm bunter machen. Doch selbst nach zehn Jahren Pause hat die Produktion keinen Ansatz gefunden, die Gerichtshow besser zu machen.
Über 2.000 Episoden ließ Sat.1 im neuen Jahrtausend von «Richterin Barbara Salesch» von der in Köln ansässige Produktionsfirma filmpool produzieren. Das Format feierte seinen vorläufigen Höhepunkt bei der Fußball-Weltmeisterschaft 2002, da die zweistündige Highlight-Show von «ran» erst um 21.15 Uhr angepfiffen wurde. Da die Endrunde der Fußball-WM in Japan und Südkorea ausgetragen wurde, konnten die Deutschen zahlreiche Partien wegen der Zeitverschiebung aufgrund von Arbeit, Uni und Schule nicht sehen. Zur Überbrückung liefen die Gerichtshows auch zur Hauptsendezeit.
Salesch durfte in die Primetime, zehn Jahre später nahm sie bei Sat.1 den Hut. Nach weiteren zehn Jahren Pause heuerte sie zwar bei der gleichen Produktionsfirma an, diese hat aber den Produktionsauftrag von RTL erhalten. So viel vorweg: «Das Strafgericht» mit Richterin Barbara Salesch hat absolut nichts mit einem realen Gerichtsprozess zu tun. Im Grunde genommen wird im Gerichtssaal die Arbeit der Staatsanwaltschaft gezeigt: Fakten rekonstruieren, Zeugen befragen und dann Verbindungen herstellen. Solche schwachen Prozesse, wie sie bei Gerichtsshows gezeigt werden, könnten von der Staatsanwaltschaft nicht zur Anklage gebracht werden. Es ist schon aberwitzig, wie hier ein gesamtes Genre über Jahre falsche Tatsachen wiedergibt.
Obwohl die Beteiligten tatsächlich Juristen, Anwälte und Staatsanwälte sind, ist es doch stark verwunderlich, dass sie für diese Schmierenkomödie ihr Gesicht zur Verfügung stellen. RTL hat zunächst 50 Episoden bestellt – und da wird auch nicht mehr kommen. Denn: Als Salesch, Hold & Co. die Nachmittage dominierten, gab es kein Social-Media, kein TikTok, kein YouTube und auch keine Streamingangebote. Die Gerichtshows waren zwar eine Zeit lang erfolgreich, aber das lag an dem allgemein schlechten Programm im deutschen Daytime-Fernsehen.
Weder Salesch noch Staatsanwalt Römer sowie Verteidigerin Ulrike Tašić haben irgendein schauspielerisches Talent vorzuweisen. Warum man die drei On-Air-Gesichter nicht einmal in einem Schauspielkurs steckte, ist tatsächlich seltsam. RTL versucht sich inzwischen als seriöser Sender zu platzieren, haut aber mit «Barbara Salesch – Das Strafgericht» einen wirklichen Schund raus. Beispielsweise hätte man das alte Team einfach durch Schauspieler ersetzen können. Auch filmpool muss verstehen: Schauspielerei ist ein Handwerk, genauso wie es die Justiz ist. Wenn man schon keine richtigen Verhandlungen durchführt, dann sollte man abwägen, ob die Authentizität der Figuren oder die Darstellung wichtiger ist.
Man sieht der Produktion leider auch extrem an, dass man bis heute nicht bereit ist, in das Tagesprogramm unter dieser Programmfarbe zu investieren. Zum Opening ist das Strafteam im Büro von Salesch, die plappert ein paar Unwichtigkeiten vor sich hin, so dürfe sie jetzt ihren Hund mitnehmen. Aber sie ist aus dem Ruhestand zurückgekehrt, weil es ja ein Richtermangel gibt. Schlecht gespielt, unnötig und in einem schlichten Set umgesetzt. Der eigentliche Gerichtssaal ist ebenfalls ein Schlag in die Magengrube, denn hier bleibt man hinter den Möglichkeiten von zahlreichen Produktionen wie die Kammerspiele von Ferdinand von Schirach zurück. Statt den Ausstattern ein wenig Geld in die Hand zu drücken, dass man einen fantastischen Hintergrund zaubert, gibt es lieber Wohlfühlfarben und einen acht Plätze umfassenden Zuschauerraum. Selbst die zwei Polizisten, die bei jeder Strafverhandlung Pflicht sind, baut man nicht ein.
Will man den Zuschauern Angst vermitteln? Im Mittelpunkt der ersten Folge steckt die 75-jährige Erika Merz, die mit Börsenanlagen deutliche Gewinne eingefahren hat. Zu Hause hat sie mehrere Goldbarren gelagert. Wer jetzt an die großen, schweren und goldenen Teile denkt, wird enttäuscht. Die Ausstatter hatten nicht genug Geld, weshalb mehrere Scheckkarten-große „Goldbarren“ für über 100.000 Euro stehen sollten. Es wirkt ein wenig lachhaft. Die Geschichte soll alle mitnehmen: Eine alte Frau wird angeblich von ihrer Pflegerin in den Keller eingeschlossen und weil in diesem Bereich so schlecht bezahlt wird, kann sie ja nur ein Motiv haben. Schließlich kommt ihr Enkel ins Spiel, der sich immer wieder verhaspelt. Er habe am Samstag Schule gehabt, nein, nur Nachsitzen. Geprüft hat das niemand von der Staatsanwaltschaft, ein weiteres Logikloch.
Um die Sache nicht weiter spannend zu machen: Ihr Enkel hat in einem Online-Rollenspiel (RTL muss ja die Jugend ansprechen, #YOLO) ein junges Mädchen kennengelernt. Er wollte ihr imponieren und beide beschlossen, die alte Dame einzusperren, um die Wohnung nach diesen Mini-Goldbarren zu durchsuchen. Am Ende wird also die Pflegerin freigesprochen, der Sohn war ein Rüpel (immerhin spricht RTL nun vermehrt die älteren Zuschauer an) und fertig sind 45 Minuten Zeitverschwendung. Zu guter Letzt darf sich Richterin Barbara Salesch noch einmal über die Gesellschaft und ihren Blick auf die Dinge auskotzen und fertig ist das gute alte Gerichtsfernsehen. Dass die Sendung werktäglich um 11.00 Uhr auf Sendung geht, liegt vermutlich schlicht daran, dass selbst bei RTL alle erkannten, dass die Produktion einfach nur furchtbar ist, weswegen ein prominenterer Sendeplatz im Anschluss an «Punkt 12» nicht in Frage kam.
«Barbara Salesch – Das Strafgericht» ist werktags um 11.00 Uhr bei RTL zu sehen. Bei RTL UP wird die Serie um 19.30 Uhr wiederholt und Abonnenten von RTL+ können rund um die Uhr Salesch sehen.
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