RTL hat am Sonntagabend ein Revival der «100.000 Mark Show» auf Sendung geschickt. Konnte die Show überzeugen?
Es gehört ja schon ein bisschen Chuzpe dazu, im Jahr 2022 eine abendfüllende Sendung mit dem Titel „100.000 Mark Show“ zu platzieren – so als habe es vor 20 Jahren nicht eine kleine Währungsreform gegeben, mit der sich für die Kandidaten auch gleich das Preisgeld verdoppelt hätte. Versucht hat man es ja schon, mit der «100.000 Euro Show»: Das war im Jahr 2008 mit Inka Bause als Gastgeberin von zwei Ausgaben, eine mit Prominenten und eine mit Ottonormalkandidaten. Ein Flop. Woran es lag? Vielleicht ja daran, dass der Euro zu modern ist für diese Sendung. Denn «Die 100.000 Mark Show» steht schließlich für den Blütenzauber der 90er Jahre und den gemütlichen Samstagabend. Der heiße Draht. Die Wasserpyramide. Und ein Tresor mit einem Koffer voller Hundertmarkscheine.
Das Ignorieren der aktuellen Währung in Deutschland war also vielleicht tatsächlich die erste richtige Entscheidung von RTL am vergangenen Sonntagabend. Die zweite richtige Entscheidung trägt den Namen Ulla Kock am Brink – auch sie ist unverrückbar mit dieser Sendung verbunden und führte nun beim Revival, fast 30 Jahre nach ihrer Hunderttausend-Mark-Premiere bei RTL, genauso charmant, witzig und bodenständig durch die Show wie eh und je. Im Zusammenspiel mit einem mäßig aktualisierten Studio und den Highlights von vor drei Jahrzehnten entstand so der fast perfekte Nostalgieabend.
Denn es gab nicht nur ein Wiedersehen mit bekannten Spielen zum Mitfiebern und ein paar frischen Ideen, sondern auch mit ganz normalen Kandidaten, für die es um eine stattliche Geldsumme und ein paar Extras auf dem Weg dorthin ging. Kock am Brinks Bekenntnis, in ihrer Sendung kämen Prominente nur als Fotos in Ratespielen und nicht als Kandidaten vor, war damit ein weiterer Eckpfeiler für das Gelingen der Show. Wenn die Einschaltquoten mitspielen, könnte man sich diese Ausgabe also gut als Einstand für eine vielleicht ebenso lange Show-Karriere wie damals vorstellen, als «Die 100.000 Mark Show» ganze sieben Jahre auf Sendung war.
Nicht auszuschließen, dass sich im Erfolgsfall auch weitere einstige Show-Hits noch einmal gut neu auflegen ließen – «Traumhochzeit» oder «Hausfieber» wären wohl die offensichtlichsten Kandidaten. Gebaut und geheiratet wird schließlich immer, und 100.000 Mark als Startkapital sind sowieso nie schlecht, auch wenn die Kandidaten wohl nach Frankfurt zur Europäischen Zentralbank fahren müssen, um sie umzutauschen. Schon letztes Jahr hat «Wetten, dass..?» vorgemacht, dass Nostalgie in der Luft liegt – das gute alte Show-Fernsehen, das nicht so cool und provokativ sein will wie die Sendungen von Joko und Klaas, sondern sich stattdessen auf das besinnt, was viele Menschen jeden Alters unterhält. Manche finden das vielleicht altbacken, aber viel mehr wahrscheinlich immer noch oder gerade wieder unterhaltsam: vor allem, wenn die Welt durch Krieg, Inflation und Pandemie viel stärker und schlimmer aus den Fugen scheint, als in den Boom-Jahren der 90er. Zumindest das Fernsehen kann immer noch so schön sein wie damals – Ulla Kock am Brink sei Dank.
Schreibe den ersten Kommentar zum Artikel