An der deutsch-französischen Grenze wird ein Mann aus einem Fluss gezogen. Wie sich herausstellt, handelt es sich um einen Polizeibeamten. Auch wenn die Kugel, die ihn getötet hat, in seinem Herz steckt, deuten die Indizien auf einen Selbstmord hin.
Stab
DARSTELLER: Christina Hecke, Robin Sondermann, Jeanne Goursaud, Rudolf Kowalski, Andreas Anke, Marijtje Rutgers, Robert Schupp, Laura de Boer, Pasca Houdus, Eva Kammigan
BUCH: Zora Holt
REGIE und KAMERA: Miguel Alexandre
MUSIK: Wolfram de Marco
TON: Tim Stephan
SCHNITT: Marcel PeragineKommissarin Judith Mohn fällt es nicht leicht, ihren Kollegen Freddy Breyer mitzuteilen, dass Hauptkommissar Rene Schubecker tot ist. Mohns Kollege war Schubeckers bester Freund, er hat ihm sogar seine Ehefrau einst vorgestellt. Geht Judith Mohn zunächst von einem Mord aus – der Schuss ins Herz deutet darauf hin -, ergibt die gerichtsmedizinische Untersuchung, dass Schuhbecker die Waffe definitiv in seinen eigenen Händen hielt, als der Schuss abgegeben worden ist. Die Art des Selbstmordes ist mit Sicherheit ungewöhnlich, aber machbar. Schubecker war Polizist. Er wusste, wie ein Selbstmörder aussieht, der sich in den Kopf geschossen hat. Vielleicht wollte er seiner Familie diesen Anblick einfach ersparen?
Während Judith Mohn die Möglichkeit des Selbstmordes nicht ausschließt – die Indizien deuten darauf hin -, ist ihr Kollege Freddy Breyer davon überzeugt, dass Rene sich niemals selbst umgebracht hätte. Warum auch? Er ist / war glücklich verheiratet, hat/te zwei wohlgeratene Kinder, Rene war ein durch und durch glücklicher Mann. Weshalb sollte er sich umbringen und dann nicht einmal einen Abschiedsbrief hinterlassen, um sich zu erklären. Davon abgesehen hat Rene immer ein Aufnahmegerät bei sich getragen. Es war sein Notizbuch. Er hat sich nie von diesem Aufnahmegerät getrennt. Ausgerechnet dieses Aufnahmegerät ist verschwunden! Und dann ist da ein Foto, das Freddy in Renes Büro entdeckt. Es stammt aus den frühen 2000er Jahren und zeigt eine Gruppe junger Leute, von denen ein Junge, er sitzt in einem Rollstuhl, eingekreist ist. Wie es aussieht, hat es eine besondere Bedeutung für Rene gehabt!
Judith zeigt das Foto ihrem (platonischen) Freund, dem pensionierten Hauptkommissar Markus Zerner, der früher auch als Verbindungsbeamter auf der lothringischen Seite der Grenze tätig gewesen ist. Der erkennt auf dem Foto tatsächlich eine junge Frau namens Corinne Tolbert. Corinne ist 2005 ermordet worden und niemand anderes als Rene hat ihren Mörder überführt. Einen Mörder, der vor wenigen Wochen aus der Haft entlassen worden ist: Willy Foss. Dieser Willy Foss hat den Mord seinerzeit zwar gestanden, vor Gericht aber hat er es widerrufen. Ins Gefängnis kam er aufgrund der Indizien, die ihn überführten. Bei seiner Vernehmung stellt sich heraus, dass Foss schwer an Krebs erkrankt ist und nur noch wenige Wochen zu leben hat. Foss, der von seiner eigenen Ehefrau einst schwer belastet worden ist, beteuert allerdings auch gegenüber Mohn und Breyer seine Unschuld. Er hat Corinne nicht umgebracht. Und er hat mit Sicherheit auch Schuhbecker nicht aus Rache erschossen. Judith Mohn glaubt dem schwer kranken Mittfünfziger. Warum sollte er im Angesicht des Todes noch lügen? Abgesehen davon wurde Foss tatsächlich von einem Gutachter als eher friedlicher Mensch beschrieben, der Konflikte scheut. So fährt Judith über die Grenze ins lothringische Koenigsmacker, wo Renes Vater Chef der Gendarmerie ist.
Anständige Krimikost
Im Grunde genommen gibt es wenig über den sechsten Film der Reihe «In Wahrheit», der bereits am 18. Februar 2022 seine (weitestgehend unbeachtete) Premiere auf arte gefeiert hat, zu erzählen. Was bitte positiv zu verstehen ist! «In Wahrheit» ist keine laute Serie. Stattdessen ist sie ganz ihrer Hauptdarstellerin Christina Hecke auf den Leib geschrieben, die eine eher ruhige, empathische Kommissarin darstellt – frei von den üblichen Traumata, die deutsche Fernsehkommissarinnen für gewöhnlich mit sich herumtragen und die sie immer wieder daran hindern, ohne überbordende Emotionen an einen Fall heranzutreten. Nein, Judith Mohn ist anders. Eigentlich ist sie als Person sogar ein bisschen langweilig. Aber das ist okay, denn so nimmt man ihr die dienstbeflissene Ermittlerin ab, die bei ihrer Arbeit keine Agenda verfolgt, sondern einfach ihre Arbeit ausübt. Auch in diesem sechsten Kriminalfilm der Reihe, die 2017 ihren Anfang nahm, übt sie ihre Arbeit gewissenhaft aus. Ruhig, sachlich. Was nicht bedeutet, dass sie nicht hier und da auch gegen die Regeln verstoßen würde – etwa bei ihren Ermittlungen in Frankreich, wo sie in zumindest einem Fall definitiv ihre Befugnisse überschreitet. Judith Mohn jedoch überschreitet ihre Befugnisse mit Bedacht. Etwa dann, wenn ihr Steine in den Weg gelegt werden. Wie im Fall von «In Wahrheit – Unter Wasser», wenn sie feststellen muss, dass die französischen Kollegen kein Interesse an einer Zusammenarbeit haben. Etwa, weil 2005 die Verhaftung von Foss ein bisschen zu schnell erfolgt ist und bei den Ermittlungen geschludert wurde?
Das Drehbuch von Zora Holt bietet eine geradlinige, sauber konzipierte Geschichte, die zwar nicht ganz ohne Klischees auskommt (etwa in den Szenen, in denen die französischen Gendarmen Judith ziemlich auflassen lassen), in solchen Momenten aber bietet das Skript Hauptdarstellerin Christina Hecke die Möglichkeit, ihre Stärken ausspielen zu dürfen. Judith Mohn bleibt in ihrer Darstellung in solchen Momenten kühl und auf die Arbeit fokussiert, ohne sich provozieren zu lassen. Sie ist ein Profi und diese fehlende Emotionalität tut gut. Auch die Figur des Freddy Breyer unterscheidet sich in diesem Film wohltuend von Charakteren, wie man sie in anderen Filmen dieser Art vorgesetzt bekommt. Freddy glaubt nicht an einen Selbstmord und hat sogar eine ziemlich einleuchtende Erklärung dafür, wie die Schmauchspuren an die Hände von Rene gekommen sind. Rene war sein bester Freund, folglich ist Freddy emotional am Limit und... handelt doch überlegt. Ja, er geht Willy Foss schon schroff an; ja, er glaubt an einen Mord. Dennoch bewegt er sich im Rahmen dessen, was tolerierbar ist. Das Drehbuch vermeidet penibel die Zeichnung einer Figur, die von Trauer gepeinigt zu blinder Wut neigt. So vermeidet die Autorin Zora Holt das Tappen in die Klischeefalle. Viele Autorinnen und Autoren zeichnen in ähnlichen Kriminalfilm Figuren, die durch ihr emotionales Handeln am Ende die Aufklärung mehr behindern als voranbringen. Dadurch werden jedoch oft erzählerische Pirouetten gedreht, die lediglich dazu dienen, Spielzeit zu füllen, ohne tatsächlich einen Mehrwert in die Geschichte einzubringen. Zora Holt muss allerdings auch keine Pirouetten drehen. Mosaiksteinchen folgt in ihrer Geschichte auf Mosaiksteinchen, bis sich nach 90 Minuten Spielzeit ein fertiges Bild ergibt.
Fazit: Wer auf klassische Kriminalfilme steht, die ohne großes Spektakel ihre Geschichte erzählen, ist bei «In Wahrheit – Unter Wasser» richtig. Wer das große Spektakel erwartet, eher nicht.
Am Samstag, 03. September 2022, 20.15 Uhr im ZDF.
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