Der erfolgreiche französische Regisseur drehte Filme wie «Sieben Jahre in Tibet». Doch bei seinem jüngsten Werk wurde er von der Dramatik überrascht.
Sein wohl berühmtester Film ist «Der Name der Rose» nach dem Roman von Umberto Eco, 1986 mit Sean Connery in der Hauptrolle entstanden. Doch Jean-Jacques Annaud (78) holte sich vor seine Kamera nicht nur Stars wie 1997 Brad Pitt für «Sieben Jahre in Tibet» vor die Kamera, sondern immer wieder auch gefährliche Tiere wie in «Der Bär», Tiger in «Zwei Brüder» und «Der Letzte Wolf». Aber «Am Anfang war das Feuer» kennzeichnete 1981 den Durchbruch für den Franzosen, und dem Feuer widmet er sich auch in seinem neuesten Werk. In «Notre-Dame in Flammen» (aktuell im Kino, ab 21.7. auf VoD, ab 28.7. auf DVD und Blu Ray erhältlich) deckt Annaud noch einmal die Hintergründe auf, die 2019 fast zu einer kompletten Katastrophe führten. Eine Verkettung fataler Fehler kommen dabei zum Vorschein, die das Publikum dann doch noch emotional sehr ergreifen. Wir trafen Jean-Jacques Annaud zum Interview auf dem Filmfest 2022 in München.
Für Ihre bisherigen Filme reisten Sie um die ganze Welt, doch «Notre-Dame in Flamen» entstand quasi vor Ihrer Haustür…
Ja, ich konnte es selbst kaum fassen, dass ich von zu Hause zum Filmset laufen konnte. Ich wohne nur 300 Meter von der Notre-Dame entfernt. Ich trommelte für den Film meine Crew zusammen, manche sagten, sie wären bereit, ihr Reisepass ist noch gültig. Ich antwortete, den braucht ihr dieses Mal nicht. Eine ganz neue Erfahrung für uns alle.
Sie müssen sehr geschockt gewesen sein, als Sie 2019 aus dem Fenster Notre-Dame in Flammen sahen…
Die Kathedrale hat eine große Bedeutung in meinem Leben, denn sie war das erste Motiv, dass ich als Junge fotografiert habe. Verzeihung, meine Mutter war natürlich die erste, die ich fotografierte, aber dann folgte schon Notre-Dame. Als vor drei Jahren das Feuer ausbrach, war ich aber nicht zu Hause, sondern in einem Haus an der Atlantikküste, wo der Fernseher nicht funktionierte. Als ich dann trotzdem von irgendwo herhörte, dass Notre-Dame brennt, war ich besorgt, dass damit ein wichtiges Symbol unserer westlichen Welt untergehen wird.
Wann kam Ihnen die Idee, darüber einen Film zu drehen?
Ich war an diesem Tag in einer Art Untergangsstimmung und sagte zu meiner Frau: ‚Wetten, dass daraus schnell ein Film entstehen wird.‘ Denn ich dachte gleich, das hat alle Elemente, um daraus ein Drama zu konstruieren. Später stieß mich ein Freund auf dokumentarisches Material über den Brand. Dann beschäftigte ich mich damit, wie die ausländische Presse reagierte und stellte fest, es ist alles viel komplizierter als gedacht.
Was meinen Sie damit?
Gerade die ausländische Presse sah Dinge, die die französische Presse nicht wagte anzusehen. Das ergab letztlich eine unfassbare Story, die mir wie ein Thriller vorkam. Die dramaturgische Struktur dafür war perfekt. Du hast einen Star, schön und sehr berühmt: Notre-Dame de Paris. Dazu den besten Schurken, charismatisch, gefährlich und auch noch fotogen: Feuer. Und du hast die guten Guys, die herbeieilen, um die sterbende Prinzessin zu retten: Feuerwehrleute.
Trotzdem weisen Sie im Film daraufhin, dass viel schiefgelaufen ist…
Es herrschte absolutes Chaos, alles ist wahr, auch wenn man es nicht glauben will. Anfangs dachte ich auch, sowas kann sich nur ein Journalist ausdenken, der Aufmerksamkeit haben will. Nein, es war sogar viel schlimmer. Ich hatte mich darin verfangen und stellte dadurch erst fest, was es heißt, für die Feuerwehr zu arbeiten.
Was heißt es?
Diese Menschen retten jeden Tag Menschenleben. Das ist ihr Job, und wenn sie nach Hause gehen, erwähnen sie es noch nicht mal. Durch das Filmbusiness habe ich so viele Menschen kennengelernt, die nur vorgeben, jemand zu sein, Menschen, die sich zu wichtig nehmen oder nur an sich selbst denken. Aber es war für mich eine Wohltat, junge Menschen zu treffen, die ihr Leben riskieren, um andere zu retten. Das hat mich zutiefst bewegt.
Sie haben oft mit wilden Tieren vor der Kamera gearbeitet. Ist mit Feuer zu drehen noch gefährlicher?
Nein, am gefährlichsten sind sowieso nur berühmte Schauspieler, denn sie haben die Macht, dich feuern zu können, was vielleicht dein Ende wäre. Feuer kann dich verbrennen, aber nicht töten, wenn es kontrolliert brennt. Mir ist das nie passiert, aber ich habe Freunde, die durch das System im Filmgeschäft quasi gekillt wurden. Ich besteh darauf, dass ich bisher stets mit wunderbaren Schauspielern zu tun hatte.
Brad Pitt?
Brad ist der charmanteste Schauspieler, mit dem ich jemals gearbeitet hat. Er hatte vertraglich festgelegt, dass er die Interviews zu «Sieben Jahre in Tibet» nur mit mir zusammen machen würde. Er hat mich immer wieder gefragt, warum so ein Typ wie er so viel Aufmerksamkeit bekäme. Ich sagte, weil du so charmant, wahrhaftig und geradeaus bist. Am meisten hasste er übrigens die Frage: ‚Wie ist es, der ‚Sexiest Man Alice zu sein?‘
Sean Connery?
Ich wollte für die Rolle des William von Baskerville ursprünglich einen unbekannten Darsteller haben. Alle 15 Tage bekam ich einen Anruf von meinem Agenten, der sagte, Sean Connery sei interessiert an der Rolle, ich sollte ihn mal treffen. Eines Tages war ich in München, als mir angekündigt wurde, ich würde heute Besuch von Sean Connery bekommen. Ich wollte höflich sein und habe ihn empfangen.
Wie war das?
Ich dachte nur: Was für ein Charisma, was für ein Auftreten dieser Mann hat. Er hatte das Drehbuch unter dem Arm, setzte sich zur mir und sagte: ‚Listen, Boy!‘ Er fing an zu lesen, und mir sträubten sich sofort alle Haare. Es war seine Intention, seine Stimme, die mich sofort packte. Aber damit war Trouble angesagt, denn keiner wollte uns weiter finanzieren mit Connery in der Hauptrolle.
Unglaublich…
Wir nahmen Connery, aber damit war die US-Company nicht einverstanden und drehte uns den Geldhahn zu. Produzent Bernd Eichinger und ich standen plötzlich allein da, diesen extrem teuren Film allein zu realisieren. Aber wir haben es nie bereut, denn Sean war die perfekte Besetzung für die Rolle und wir hatten eine angenehme Zusammenarbeit.
Vielen Dank für das Gespräch!
Schreibe den ersten Kommentar zum Artikel