Am Donnerstag stand eine neue Ausgabe des Sat.1-Magazins «akte.» auf dem Programm. Der Inhalt ist mehr als fragwürdig.
«akte». Der Name stand einst für eine investigative Reportage-Sendung, die Koks-Spuren auf den Toiletten des Bundestages fand und mehrfach Gesetzwidrigkeiten aufdeckte. Im Jahr 2007 konnte man Beweise an die Polizei weitergeben, die zur Ergreifung von Besitzern von Kinderpornografie führte. Doch die Produktionsfirma von Ulrich Meyer, der auch das Magazin moderierte, widmete sich schließlich den leichteren Themen.
Bereits seit knapp drei Jahren produziert Sat.1 das Magazin und hat schon mehrere Sendeplätze getestet. Aus Erfolgslosigkeit wechselte das Magazin vom Montag auf den Dienstag und schließlich Anfang des Jahres auf den Donnerstag und somit in direkter Konkurrenz des Schwestersender Kabel Eins, der zur gleichen Zeit «K1 Magazin» ausstrahlt.
Moderatorin von «akte» ist Claudia von Brauchitsch – zumindest auf dem Papier. Inzwischen ist sie zur Ansagerin heruntergestuft worden und selbst in den ersten 30 Minuten der Sendung ist sie nicht zu sehen. Dies soll wohl den Audience-Flow zwischen «Sat.1 Spezial» zum Thema Urlaubscheck und den Reisethemen von «akte.» verbessern. Am Donnerstag begann die Sendung mit dem Reporter Alf Porada, der auf Mallorca testete, ob man sich dreist verhalten kann. In einem Luxus-Resort reserviert er deshalb mit einem Kollegen bis zu 14 Liegen. Während das im Fünf-Sterne-Hotel problemlos möglich ist, bekommt er zwei Sterne-Stufen tiefer direkt eine Ansage der Managerin. Danach möchte er sich durch Meckern eine bessere Zimmerkategorie erschleichen. Das klappt nicht ganz, dennoch bekommt Porada ein Zimmer mit Pool-Blick. Ein Hotel gibt nach, weil der Sat.1-Mitarbeiter sowieso nur eine Nacht gebucht hatte.
Das Fazit der Redaktion: Wem seine Zeit nicht zu schade ist, der kann sich durch Beschwerden bessere Zimmer erschleichen. Während Peter Giesel bei der Kabel-Eins-Sendung «Achtung Abzocke!» Betrügern auf der Spur ist, sendet Sat.1 das Gegenteil. Ein fragwürdiger «akte.»-Beitrag, bei dem die Zuschauer ohne Mängel am Hotel zum Ergaunern von Zusatzleistungen ermuntert werden sollen.
Weiter geht es mit einem Test um Hunde-Sitter: Gleich vier Personen werden aus dem Internet engagiert, die jeweils zwei Stunden auf das Tier einer Hunde-Expertin aufpassen sollen. Diese ist „fassungslos“, weil mehrere Personen zwischenzeitlich auf ihr Handy schauen und sich nicht pausenlos mit dem Tier beschäftigen. Es gibt noch weitere Extrem-Tests, bei dem der Hund von einem Redakteur abgeholt wird und sich ein anderer Kollege eine Küchenmaschine leiht. «akte.» inszeniert das so, als wäre Gefahr in Verzug. Zwischenzeitlich wird der Hund sogar in ein Nebenzimmer gelockt und die sogenannte „Expertin“ bekommt gefühlt einen Herzinfarkt. Sie meinte, der Hund hätte ja an Kleinteilen ersticken können.
Auch dieser Beitrag ist Unsinn und hat nichts mit journalistischer Qualität zu tun. Hunde benötigen keine dauerhafte Betreuung, wenngleich Spazieren gehen und spielen wichtig sind. Doch diese Expertin, die «akte» für den Beitrag engagiert hat, hat ihren Namen nicht verdient. Mit ihren Aussagen verunglimpft sie sämtliche Hundehalter, die ihre Tiere allein lassen und keinen Hundesitter bezahlen.
Zu den weiteren Beiträgen der Sendung gehören ein Koffertest mit einer Feuerwehr. Welchen Erkenntnisgewinn die Zuschauer erhalten, wenn man verschiedene Produkte aus zehn Meter auf den Teerboden wirft, ist ebenso fraglich wie unnötig. Zum Ende der Sendung beschäftigt sich das «akte»-Team mit diesen „ominösen“ Menschen, die mit der sommerlichen Hitze nicht zurechtkommen. Im Trailer sieht man sehr korpulente Personen, die natürlich eine größere Fettschicht haben und deshalb eher ins Schwitzen geraten.
Das war die «akte» vom 23. Juni 2022, die sich auch nicht besonders von den Ausgaben der Vorwochen unterscheidet. Die Sendung machte einmal mehr deutlich, die Redaktionen der ProSiebenSat.1-Gruppe (mit wenigen Ausnahmen) haben den Bezug zur Lebenswirklichkeit der Zuschauer verloren. Bereits der Sendestart der relaunchten Sendung der neuen «akte.» war dafür maßgeblich: Beim Auftakt begleitete man Frauen mit Tourette in den Urlaub. Damals dachte sich die Redaktion, dass es ein Zuschauermagnet sei, wenn die beteiligten Personen Schimpfwörter raushauen. Nun hat Sat.1 erneut bewiesen, warum die sinkenden Marktanteile selbstverschuldet sind. „Es gibt noch viel zu sehen“, verspricht Sat.1 mit dem neuen Senderclaim – richtig, bei der Konkurrenz!
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