Mit der Corona-Pandemie wurden zahlreiche Blockbuster bei Amazon und Netflix vermarktet. Jetzt geht auch der Disney-Konzern in die Vollen.
Für die Branche der Lichtspielhäuser sieht es derzeit sehr dunkel aus, denn die Filmverleiher und -Vorführer haben unterschiedliche Vorstellungen von der Zukunft des Films. Das merken auch die zahlreichen Filmfestspiele, die in der Pandemie, sofern sie nicht im Sommer stattfinden, so gut wie ausgestorben sind. Das Kino liegt in Deutschland (fast) am Boden – und man würde meinen, den amerikanischen Verleihern, die die hiesige Landschaft beherrschen, sei dies egal.
Chloé Zhao gewann im vergangenen Jahr den Oscar für ihren Spielfilm «Nomadland», der ebenfalls als bester Streifen des Jahres ausgezeichnet wurde. Der Spielfilm über die 60-jährige Fern (Frances McDormand), die in Nevada alles verliert und ohne bestimmtes Ziel zur Wanderarbeiterin wird, hat der Akademie gefallen. An Silvester 2021 wurde der Spielfilm auf der Streamingplattform Disney+ veröffentlicht, nachdem er im April im deutschen Kino startete.
Ebenfalls aus der Feder von Zhao ist der Marvel-Spielfilm «Eternals», der am 3. November Premiere in den deutschen Lichtspielhäusern feierte. Nicht einmal drei Monate später, sondern schon am 12. Januar, stellte ihn Disney bei seinem Streamingdienst zur Verfügung. Der Disney Animations-Spielfilm «Encanto» wurde zwischen den Serien «Hawkeye» und «The Book of Boba Fett», an Heilig Abend, veröffentlicht. Die exklusive Verweildauer der Kinos betrug gerade einmal einen Monat. Für Abonnenten von Disney+, die weniger als zehn Euro berappeln müssen, lohnt sich der Dienst. Denn: Disney bringt zahlreiche hochwertige Produktionen auf seine Plattform.
Selbst im Februar bleibt man bei diesem Tempo: Erst Anfang Januar kam «The King’s Man – The Beginning» in die Kinos, bereits ab 12. Februar 2022 wird der Spielfilm von Matthew Vauhgn mit Gemma Arterton, Matthew Goode und Tom Hollander Streaming-Premiere feiern. Am selben Tag startet auch «French Dispatch», der im Oktober 2021 im Kino anlief. Bei Disney intern herrscht unterdessen schlechte Stimmung, da zahlreiche Pixar-Filme gar nicht mehr ins Kino kommen. Vergangene Woche feierte schon der zweite «Doctor Strange»-Teil bei Disney-Premiere. Das Ziel: Die schnelle und dauerhafte Erhöhung der Disney+-Abonnenten.
"Das hat nichts mit Qualität zu tun. Es geht darum, ein mutiges Spiel mit ihrer besten Schachfigur zu machen", sagt Jeff Bock, ein Medienanalyst bei Exhibitor Relations gegenüber dem Fachblatt „Variety“. "Die Tatsache, dass sie es mit drei Filmen in Folge getan haben, lässt mich glauben, dass es wirklich hilft.“ Aktuell kann das Micky-Maus-Unternehmen nach zweijähriger Laufzeit schon 137 Millionen Abonnenten vorweisen und spart sich die Zwischenhändler, die rund die Hälfte, der Einnahmen bekamen.
Noch Warner Bros.-Chef Jason Kilar, der einst Hulu auf den Kurs brachte, überraschte im Herbst 2020, dass alle Spielfilme zeitgleich zum Kinostart auch bei der hauseigenen Streamingplattform HBO Max zur Verfügung gestellt werden. Hierzulande wurde der Feldversuch nicht umgesetzt, aber die europäische Sky-Gruppe griff bei zahlreichen Filmen zu. Das Unternehmen machte schon seit vielen Jahren gute Geschäfte mit HBO, nun schloss man neue Verträge mit dem Schwesterunternehmen ab.
Zwar gibt es bei Sky nur noch am Samstag die Bundesliga, die ist aber für Fans ohnehin Pflicht. Sky Deutschland spart im Jahr knapp eine Milliarde Euro, die das Unternehmen in andere Abteilungen stecken kann. Am zweiten Weihnachtsfeiertag setzte man auf die Premiere von «Dune», in Deutschland kam der Blockbuster Mitte September ins Kino. Vor allem fallen auch bei Sky die Preise: Das Ticket kostet 14,98 Euro und befindet sich auf einer Preisebene von Netflix.
Vier der sechs großen Verleiher haben sich gebunden: FOX und Disney sind bei Disney+ sowie Warner Bros. und Universal Pictures dealen mit Sky. Spannend wird die Zukunft, mit wem Paramount Pictures zusammenarbeiten wird. Die Blockbuster alleine bei Paramount+ zu versenden, wäre wirtschaftlich eine Katastrophe.
Dennoch: Die Kino-Branche hat den aktuellen Trend verschlafen – und das könnte ihr Todesstoß werden. Das zeigte schon die Corona-Pandemie, denn als die Filmpaläste geschlossen wurden, veräußerten die Verleiher ihre Werke ans Pay-TV und Streamingdienste. Es gibt keine Pläne zwischen den Kinoketten, eine eigene unabhängige Produktionsfirma zu errichten und sich von der Abhängigkeit lösen. Vielleicht werden die Lichtspielhäuser aber langfristig Kino-Disney-Parks? Filmfans werden die Frage definitiv beeinflussen.
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