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Serientäter: «Love, Death & Robots», Vol. 3

«Love, Death & Robots» definiert sich im Umfeld hochpreisiger Edelserien, mit denen Netflix Monat um Monat ums Publikum buhlt, als der fiese, kleine Outlaw. Was für die visuelle Umsetzung kaum gilt. Das ist alles A-Niveau. Das ist Kino. Was die Storys jedoch betrifft, zeigt schon die erste Episode, dass das Outlaw-Image sorgsam gepflegt wird.

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Autsch!
Der gelungenen Extravaganz «Die Nacht der lebenden Mini-Toten» steht die erste durchweg schwache Episode der Serie gegenüber. Mag «Der Puls der Maschine» diesen Puls doch etwas langsam schlagen lassen, bietet die Story wenigstens ein gelungenes Ende. «Töte es, Team!» möchte derweil eine Hommage an «Predator» und die coolen Helden des eher billigen 80-er und 90-er-Jahre-Macho-Action-Söldnerkinos sein, am Ende ist «Töte es, Team!» jedoch nur eine Ansammlung von billigsten Machosprüchen, in denen starke Kerle ihre eigene Großartigkeit abfeiern. Dieses Abfeiern soll natürlich in seiner ständigen Betonung einen ironischen Bruch zu den zitierten Originalen des Videothekenzeitalters erzeugen, allein gelingt das nicht, weil es eben keinen Moment der Ruhe gibt, der die Ironie hinterfragen, brechen, erklären würde. So wird einfach nur ein Macho-Spruch an den nächsten getackert. So ist man irgendwie schließlich froh, wenn die Viertelstunde vorrüber ist, die von einer US-Marines-Spezialeinheit in der Pampa berichtet, die mit einem genetisch veränderten Super-Grizzly einen Kampf ausführt. Leider wird eben dieser genetisch veränderten Super-Grizzly so ironiefrei präsentiert, dass die Inszenierung unfreiwillig in die narrativen Tiefen einer Produktion der Billigfilmschmiede The Asylum abdriftet, die nicht nur «Sharknado» auf die Welt losgelassen hat, sondern auch die «Mega-Shark»-Filmserie, in dessen Erzähluniversum diese Geschichte besser aufgehoben wäre. Auch der angewandte Zeichentrickstil will nicht wirklich packen. Der orientiert sich an dem Scifi-/Superheldenserien der 1980-er Jahre – in einer FSK 18-Version.

Ausgereizt werden die Möglichkeiten eines A-Budgets für eine visuelle und narrative, vollkommen ernst gemeinte Extravaganz im Rahmen von Tim Millers «Schwärme». Dr. Afriel, ein Forscher einer nicht näher definierten Zukunft, wird von einer offenbar der Menschheit überlegenen, aber wohl gesonnenen Spezies auf dessen Wunsch hin einem Schwarm überlassen, einem seltsamen Konstrukt aus Milliarden von unterschiedlichsten Lebewesen, das bereits seit langer Zeit von einer Wissenschaftlerin namens Dr. Minry erforscht wird. Der Schwarm ist mit einem Ameisenstaat vergleichbar, obschon nicht alle Lebewesen, die ihm angehören, auf einer Ur-Gattung basieren zu scheinen. Organisch ist ihr perfekt organisiertes Zusammenleben, in dem jede Art die ihr zugewiesene Rolle übernimmt. Einige der Rassen sind Millionen Jahre alt, andere jünger - und diese scheinen absorbiert worden zu sein. Dr. Minry wird als Fremdkörper in diesem Schwarm akzeptiert, sie vermutet jedoch, dass Dr. Afriel ihre Arbeit nicht nur studieren möchte.

«Schwärme» ist originell, nicht nur aufgrund all der Wesen, die die Story kreiert und an deren Definition als Soldaten, Arbeiter- oder Botenvolk nie ein Zweifel besteht. Originell ist die Geschichte, die auf einer Vorlage des Cyberpunk-Mitbegründers Bruce Sterling basiert auch, da sie tatsächlich auf eine unerwartete Schlusspointe hinausläuft und sich damit ganz im Geiste einer klassischen Anthologie-Serie bewegt. Als erste (und einzige) Episode der nunmehr dritten Staffel.

Viele Romane des britischen Scifi-Autors Neal Asher sind auch in Deutschland erschienen, die Geschichten von «Mason's Rats» gehören jedoch nicht dazu. «Masons Ratten» leben in einer Scheune irgendwo in den schottischen Highlands. Nachdem einige Ratten von gentechnisch verändertem Getreide fressen, beginnen diese eine höhere Intelligenz zu entwickeln, die sie zunächst einmal einsetzen, um all die fiesen (futuristischen) Waffen, die Mason einkauft, um ihrer Plage Herr zu werden, auszuschalten. «Masons Ratten» ist die wohl humorvollste Episode der Serie. Die Mischung aus «Ratatouile» und «Mäusejagd» mit einem Schuss «Terminator» hätte allerdings mit etwas weniger Splatter auskommen können – der Einsatz der Waffen gegen die Ratten wird doch etwas zu explizit gezeigt und passt nicht unbedingt zum ansonsten eher lockeren Ton der Story; am Ende aber obsiegt der Humor und das ist gut so.

Unfassbar gut ist die Animation von «Begraben in Gewölbe» aus den Sony Animation Studios. Teils im Motion Capture-Verfahren inszeniert, kommen denn auch teilweise echte Schauspieler zum Einsatz, die sich nur leider durch eine x-fach bekannte Story ballern.

Marines. Afghanistan. Höhle. Monster. Splatter.
Die atemberaubende grafische Gestaltung mag Design- und Playstation-Freaks gleichermaßen begeistern, der Rest ist eine Wiederholung von «Töte es, Team!», nur ohne die nervende infantil-sexistische Sprache.

Ganz auf Sprache verzichtet die letzte Episode der dritten Ausgabe: «Jibaro». Eigentlich Jíbaro geschrieben, stellt der Begriff heute eine Art Selbstbezeichnung der Menschen aus Puerto Rico dar. Ein Blick in die Vergangenheit offenbart allerdings eine wechselhafte Geschichte des Wortes. So entstammt es einer indigenen Sprache und war ursprünglich abwertend für jene gemeint, die im hügeligen Landesinneren lebten. Es ist ärgerlich, dass man als Zuschauer quasi gezwungen ist, ein Studium karibischer Geschichte zu absolvieren, um die historischen Hintergründe der Geschichte halbwegs einordnen zu können und zu verstehen, wer die sind, die als Ritter gekleidet, hoch zu Ross, durch Wälder eines nicht näher benannten Landes reiten. Es sind spanische Eroberer beziehungsweise mit ihnen verbündete Angehörige einheimischer Völker. Von Puerto Rico? Der Titel deutet darauf hin. Aus einem See, an dem sich die Männer zu einer Rast begeben, steigt eine in Gold gekleidete Frau aus dem Wasser und Kraft ihrer Stimme treibt sie die Männer in den Wahnsinn. Vollkommen von Sinnen beginnnen diese einander abzuschlachten. Mit einer Ausnahme. Ein Soldat, dem Aussehen nach ein Angehöriger eines indigenen Volkes, ist für die Stimme der Frau unempfänglich, denn er ist taub. Sein Überleben schwächt die in Gold aus den Fluten gestiegene Frau und ermöglicht dem Mann, dessen Namen wir nie erfahren werden, die Flucht. Vorerst.

«Jibaro» ist die einzige Episode der dritten Staffel, die tatsächlich durchweg dem Realfilmgenre zuzuordnen ist. Ob Autor Alberto Mielgo sich von Clemens Brentanos «Loreley» hat inspirieren lassen - oder doch eher auf die Legenden der Sirenen? Das lässt sich aus der Ferne schwer beurteilen, doch auch die Frau aus dem See ist eine Schönheit, die schon durch ihr Äußeres Männer zu becircen verstünde. Durch das Zusammenspiel ihrer Schönheit, eines Tanzes, den sie auf der Wasseroberfläche ausführt und schließlich ihrer Stimme agiert sie als ein Engel des Todes, welcher die Eindringlinge bestraft. Ihre Liebe zum Gold jedoch, mit dem sie behangen ist und dessen Schönheit sie durch ihren Tanz gleichfalls zelebriert, stellt sich die Frage, ob sie jeden bestraft, der sich ihrem See nähert, also nicht nur jene Eroberer, sondern auch die, die hier leben? Ist sie möglicherweise selbst eine Partei, die sich des Anhäufens von Reichtum verschrieben hat? Einige Szenen der Episode deuten darauf hin.

Womit auch die Zwiespältigkeit der Episode angesprochen wäre. Für Zuschauer, die sich gerne in Interpretationen verlieren, bietet «Jibaro» eine erquickliche Anzahl von Momenten, die ob ihrer möglichen Bedeutung Fragen stellen → wie etwa die, ob die Frau aus dem Wasser eine Beschützerin des Sees ist oder selbst ein der Gier verfallener Charakter, der in den Soldaten keine Eindringlinge sieht, sondern nur eine Beute, die es abzugreifen gilt. Wer eine eher geradlinige Story bevorzugt, wird der ganz ohne Dialoge auskommenden letzten Episoden wenig abgewinnen können. Die oft hektische Kamera, inflationär eingesetzte Zoom- und Verfremdungseffekte, das oft theatralische Spiel der Hauptcharaktere, dürfte für diese Zuschauerschaft eher abschreckend oder ermüdend wirken.



Fazit: Es überwiegt ein positiver Eindruck, aber nicht jede Episode kann wirklich überzeugen. Ist «Töte es, Team!» vielleicht sogar der Tiefpunkt der Serie? Möglich. Dafür jedoch steht dieser Episode mit «Die Nacht der lebenden Mini-Toten» ein Kurzfilm gegenüber, der Kult-Potenzial besitzt, während David Finchers Regiearbeit cineastische (und moralische) Größe zelebriert.

Bei Netflix verfügbar.
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09.06.2022 11:27 Uhr Kurz-URL: qmde.de/134680
Christian Lukas

super
schade


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Es gibt 6 Kommentare zum Artikel
Burpie
10.06.2022 06:16 Uhr 4


Guckst Du hier -> https://www.youtube.com/watch?v=JeUuk-g_Qws
Vittel
10.06.2022 10:50 Uhr 5


Genial, hatte nach so was gesucht, das erschien ja erst kürzlich. Jetzt ist mir auch klarer, wie sie die Bewegungen erzeugt haben. Es war also kein maschinelles Motion Capturing sondern ein künstlerisches bzw. händisches. Dennoch haben sie die Bewegungen der Darsteller fast 1:1 animiert.

Man sieht auch, dass sie Entwicklungswerkzeuge nutzen, die einen Teil der Animation übernehmen. Ich nehme z.B. an, dass die sehr realistischen Bewegungen des Schmucks und der Perlenketten durch eine Art Physikengine erzeugt wurden, also nur der Körper händisch animiert wird und nicht jede einzelne Perle von Hand animiert wird.



Interessant finde ich, wie sie absichtlich eine Art Uncanny Valley Effekt erzeugt haben. Das, was eigentlich vermieden werden soll in computergenerierten Darstellungen wird als Stilmittel genutzt.



Insgesamt ein wahres Meisterwerk.
Burpie
10.06.2022 11:08 Uhr 6
Genauso wie sein "The Witness" in Staffel 1 ...
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