Die Regisseurin von «24 Wochen» hat mit ihrem Spielfilm ein hartes Thema angefasst. Jetzt durfte sie einen weiteren «Tatort» für Bremen umsetzen. Wir haben mit der Berrached ausführlich unterhalten.
Hallo Frau Berrached. Sie sind seit knapp zehn Jahren als Regisseurin und Drehbuchautorin aktiv. Woher kommt der Wunsch, nicht nur Filme zu drehen, sondern auch zu schreiben?
Ich möchte Filme entstehen lassen, die in ihrer Form, ihrer Sprache und Art einzigartig sind. Das Gestalten, meinen Filmen eine eigene Wirkung und Atmosphäre zu geben, entsteht nicht nur im Dreh und auch nicht nur im Schreibprozess. Es muss auf allen Ebenen, in meiner Arbeit mit allen Abteilungen und Mitarbeitern passieren. Ich könnte kein Drehbuch schreiben, das jemand anderes verfilmt. Deshalb mag ich es nicht unbedingt als Drehbuchautorin bezeichnet zu werden. Ich habe immer das Gefühl, da nehmen wir Regisseure den Drehbuchautoren etwas weg. Und trotzdem bin ich der Meinung, muss es klar bezeichnet werden, wenn Regisseure:in mehr als eine Regiefassung schreibt.
In Ihrem Debütfilm «Zwei Mütter» erzählen Sie die Geschichte von zwei lesbischen Frauen, die ein Kind haben möchten. Doch die Samenbanken lehnt dies ab. Hat sich die Gesellschaft und auch die rechtlichen Hürden inzwischen hinsichtlich dieser Thematik geändert?
Im Großen und Ganzen nicht. Gleichgeschlechtliche Paaren haben immer noch nicht dieselben Rechte wie heterosexuelle.
Drei Jahre später wurde ihr Film «24 Wochen» in den Wettbewerb der Berlinale eingeladen. Sie waren gerade mit der Filmhochschule fertig. Ungewöhnlich eine Filmkarriere mit einem solchen Tempo zu starten. Wie haben sie das gemacht?
(lacht laut) Ich glaube Sie haben Recht. Es kommt ganz selten vor, dass ein Film einer jungen Regisseurin direkt in den Wettbewerb der Berlinale berufen wird. Ich war damals sehr stolz. Aber man muss auch sagen, «24 Wochen» ist auch einfach unheimlich berührend und emotional.
Es geht um den Entscheidungsprozess einer Frau (gespielt von Julia Jentsch) und ihrem Mann (Bjarne Mädel in seiner ersten ernsten Rolle), bei deren ungeborenen Kind das Down-Syndrom diagnostiziert wird und die vor der Entscheidung stehen, das Kind zu bekommen oder es auf legale Weise in Deutschland in der 24. Schwangerschaftswoche abzutreiben. Warum wollten Sie einen Film machen, bei dem sich eine Frau gegen ihr Kind entscheidet?
Weil sich 90 Prozent aller Frauen heutzutage gegen ein Kind mit Downsyndrom entscheiden. Als ich das das erste Mal gelesen habe, fand ich die Zahl an Frauen und Familien, die sich gegen ein behindertes Kind entscheiden, unfassbar hoch. Und das Verrückte ist, niemand spricht darüber. Niemand weiß, dass man in Deutschland sein Kind spätabtreiben kann. Mein Film «24 Wochen» spricht weder für, noch gegen Abtreibung, er zeigt einfach ein wichtiges und zugleich schreckliches Thema auf, mit dem sich viele Frauen und Paare beschäftigen müssen.
Sie haben für Ihre Arbeit schon viele Preise erhalten, unter anderem die Lola in Silber und wurden zum besten Film bei der Berlinale gewählt. Wo bewahren Sie so viele Anerkennungen auf?
In einer Vitrine, die Tag und Nacht rosa beleuchtet wird. Immer wenn Besucher kommen müssen sie mit Gefühl jeden meiner Trophäen streicheln bevor wir uns mit einem Konjac vor den Glasschrank setzen und über die Abenteuer des Filmemachens schwelgen. Im Ernst: Die sind überall verteilt, liegen irgendwo in meiner Wohnung, unserem Schnittraum und im Keller. Ich liebe den Moment, wenn ich den Preis entgegennehme, das ist wichtig für mich und meine Crew, aber ich denk dann auch: "schnell wieder den nächsten Film machen, statt sich zu lange selbst zu feiern."
Der 11. September-Film «Die Welt wird eine andere sein», die an den Terroristen Ziad Jarrah angelehnt ist, ging durch die Pandemie unter. Hätten Sie sich noch mal mehr Aufmerksamkeit gewünscht?
Natürlich hätte ich mir gern noch mehr Kinozuschauer gewünscht, weil «Copilot» (englischer Titel) eines der wichtigsten Themen der letzten 20 Jahre behandelt. Gerade läuft er auf Netflix und wurde dort unter die beliebtesten zehn Filme gewählt.
Ihre Spielfilme behandeln auf authentische Weise gesellschaftlich wichtige Themen. Haben Sie auch mal Lust eine Komödie zu drehen?
Unbedingt. Ist in Arbeit!
Kommen wir zum Bremer-«Tatort». Nachdem Christian Jeltsch (Drehbuch) und Barbara Kulcsar/Oliver Hirschbiegel die Regie übernehmen, wie gingen Sie an die Umsetzung heran? Haben Sie mit Kollegen telefoniert, um Erfahrungen auszutauschen?
Das Konzept des Tatorts ist es, dass jede Woche ein komplett neuer Film mit neuem Regisseur und neuer Crew entsteht. Wir rufen uns also nur gegenseitig an, wenn wir Probleme mit den Produzenten haben.
(lacht) Wie in allen meinen Filmen möchte ich tief in die Seele von Menschen schauen. Immer von meinen Figuren ausgehend habe ich zusammen mit meinen Mitstreitern eine unique Bildsprache und Atmosphäre entwickelt. Wir haben Figuren erschaffen, die ein Leben verborgen, am Rande der Gesellschaft führen. Outcast. Außenseiter, die es im Leben nicht geschafft haben, die nach Liebe schreien und die Scham umgibt. Sie wollen nicht gesehen werden, leben im Dunkeln. Das Extreme und das Zerbrochene in den Verdächtigen lassen die Ermittlerinnen wanken. Sie kommen an ihre Grenzen. Und das mag ich.
Mit Jasna Fritzi Bauer haben Sie eine erfahrene Schauspielerin an Bord. Wie gefiel Ihnen die Zusammenarbeit?
Sehr gut! Jasna ist das was man eine intensive Schauspielerin nennt. Wenn man es gut anstellt als Regisseur:in, schafft man es Jasna im Schauspiel innerlich beben zu lassen. Dieses Beben fühlt der Zuschauer. Ich konnte schnell verstehen wie Jasna funktioniert. Ich konnte eine Idee einwickeln, was sie braucht, um authentisch und stark zu spielen. Aber auch Luise Wolfram spielt mit Bravour und Leidenschaft ihre Rolle. Und ich finde wir haben einen ganz besonderen Cast zusammenstellen können. Aljoscha Stadelmann, Matthias Matschke, Dirk Martens, Ulrike Krumbiegel, Thomas Schendel und Milena Kaltenbach stellen alle mit Können und Wucht ihre wirklich sonderbaren Typen dar.
Auf welche Geschichte dürfen sich die Zuschauer am 29. Mai freuen?
Liv und Selb finden hinter einer Tür einer verbrannten Wohnung eine Leiche in ihrem schönsten Gewand, einem lachsfarbenen Hochzeitskleid. Hinter ihr an der Wand steht: "Der Teufel wird sie holen." Die Ermittlerinnen machen sich auf die Suche nach dem Teufel. Ein Krimi darüber, wie abgefuckt Liebe sein kann.
Herzlichen Dank für Ihre Zeit!
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