Tobias Timme, Ausführender Produzent der UFA-Produktion «Leander Haußmanns Stasikomödie», spricht im Quotenmeter-Interview über die Berlin als kreativer Hotspot, seine Erinnerungen an Haußmanns erste DDR-Filme und die Aufarbeitung der Stasi-Geschichte.
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Es ist nachvollziehbar, wenn sich Menschen nach der ‚guten alten Zeit‘ sehnen.
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Tobias Timme über einen möglichen Nostalgie-Trend im Kino
«Leander Haußmanns Stasikomödie» ist der Abschluss der DDR-Reihe. Bevor klar wurde, dass Sie als Ausführender Produzent bei dem Projekt an Bord sind, wie gut konnten Sie sich an die Filme erinnern? Immerhin hat «Sonnenallee» schon über 20 Jahre auf dem Buckel.
Ich kann mich bei beiden Filmen noch sehr gut an meinen Kinobesuch erinnern. Als «Sonnenallee» ins Kino kam, war ich gerade nach Berlin gezogen. Ich habe den Film im Kino «International» gesehen und war überrascht, als ich dort ankam. Es war eine riesige Schlange vor dem Kino und in der Schlange standen Menschen aus allen Generationen und gesellschaftlichen Schichten. Es war ein echtes „DDR-Déjà-vu“, denn seit der Wende hatte ich eine solche Schlange nicht mehr gesehen. Im Saal setzte sich die Volksfeststimmung fort. Der Saal hat getobt.
Auch der Kinobesuch von «NVA» war besonders. Das Kino in meiner Heimatstadt Merseburg wurde nach der Wende geschlossen und erst zehn Jahre später wiedereröffnet. «NVA» war der erste Film, der dort lief. Ich habe ihn mit meiner Großmutter gesehen, die davor bestimmt zehn Jahre nicht im Kino war. Man merkt also, dass Leander Haußmanns Filme ein breites Publikum begeistern.
Wie kam Leander Haußmann auf die Idee, den DDR-Stoff nochmal aufzugreifen? Steht dem Kino ein ähnlicher Nostalgie-Trip bevor, wie aktuell das Fernsehen durchmacht?
Das ist durchaus möglich. Die Welt hat sich in den letzten zwanzig Jahren rasant verändert, in allen Bereichen. Und jetzt folgt eine Krise nach der anderen. Insofern ist es nachvollziehbar, wenn sich Menschen nach der „guten alten Zeit“ sehnen.
Bei «Stasikomödie» kommt aber noch mehr dazu. Die Stasi ist ein Thema, dass auch dreißig Jahre nach der Wende noch nicht in seiner ganzen Komplexität aufgearbeitet wurde. Da dieses Thema Leander Haußmanns Leben geprägt hat, wollte er dem Diskurs seine Perspektive hinzufügen. Deshalb heißt der Film auch «Leander Haußmanns Stasikomödie». Es ist eine ganz neue, humorvolle, aber auch ernstzunehmende Aufarbeitung des Themas. Leander liebt alle seine Figuren, auch wenn ihr Handeln noch so verwerflich ist. Er hat ein großes Verständnis für menschliche Schwächen. Versöhnung ist ihm deshalb auch ein großes Anliegen.
In der «Stasikomödie» steht ein prominenter und preisgekrönter Cast vor der Kamera, von Detlev Buck über Jörg Schüttauf, bis hin zu David Kross und Tom Schilling. Dazu kommen Antonia Bill und Margarita Broich. Ist es einfacher oder schwieriger mit großen Namen des Geschäfts zu arbeiten?
Bei diesem Film war es ganz einfach. Alle hatten große Lust auf das Projekt und sie sind auch gekommen, weil sie sehr gerne mit Leander zusammenarbeiten. Leander ist ja selbst Schauspieler und kommt aus einer Schauspielerfamilie. Er liebt es mit Schauspieler:innen zu arbeiten und deshalb macht es glaube ich großen Spaß in seinen Filmen stattzufinden.
Für die UFA waren Sie bereits an «Der Junge muss an die frische Luft» und «Ich war noch niemals in New York» beteiligt. Gibt es weitere Projekte, an die Sie sich gerne zurückerinnern?
Jeder Film hat seine eigene Produktionsgeschichte. Insofern erinnere ich mich an jeden Film gerne zurück. Besonders war aber die Arbeit an «Der Medicus». An einem Projekt dieser Größe arbeitet man nicht alle Tage. Zudem war es das Projekt, bei dem ich erstmals auch Producer-Aufgaben übernommen hatte.
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Die Stadt verliert zunehmend ihren kreativen Reiz.
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Tobias Timme über die Veränderungen des Berliner Bezirks Prenzlauer Berg
Mit wem würden Sie in Zukunft gerne wieder zusammenarbeiten?
Grundsätzlich habe ich immer mit allen sehr gerne gearbeitet. Mit Leander Haußmann arbeite ich bereits an einem weiteren Projekt. Mit Caroline Link würde ich sehr gerne noch einmal zusammenarbeiten. Sie ist eine sehr beeindruckende Regisseurin mit einem außergewöhnlichen Talent.
Woran denken Sie, wenn Ihnen der Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg in den Sinn kommt? «Stasikomödie» spielt in diesem Stadtteil. Was unterscheidet das heutige Viertel von der DDR-Zeit?
Ich denke zuerst an Gentrifizierung. Kein Berliner Stadtteil steht so für die Veränderung nach der Wende, wie dieser Bezirk. Zu DDR-Zeiten und nach der Wende war der Bezirk ein Sammelbecken für Kreative und alternatives Leben. Das hat sich in den letzten dreißig Jahren stark verändert. Inzwischen sind die Wohnungen unbezahlbar und das Straßenbild wird von Tourist:innen bestimmt. Es ist eher gemütliche Langeweile eingekehrt. Die kreativen Hot Spots sind woanders, aber die Gentrifizierung ist insgesamt ein sehr großes Problem in Berlin. Die Stadt verliert zunehmend ihren kreativen Reiz.
Die Aufarbeitung der DDR-Geschichte ist untrennbar mit der Stasi verbunden. In den Erinnerungen der Menschen scheint diese häufig aber keine große Rolle zu spielen. Ist das Geschichtsverklärung oder verständliche Nostalgie?
Ich denke, dass es Verdrängung ist. In der DDR hatte fast jeder auf die ein oder andere Weise mit der Stasi zu tun. Dem Apparat war es gelungen, die Gesellschaft komplett zu unterwandern. Ich kann mich noch sehr gut erinnern, dass die Stasi bei uns zu Hause oft ein Thema war. Es gab immer die Frage: 'Wer könnte dabei sein? Wem kann ich vertrauen?' Man konnte sich bei niemandem sicher sein, selbst in der eigenen Familie nicht. Und bis heute ist dieses Thema tabuisiert, trotz der Aufarbeitung durch die Stasi-Unterlagen-Behörde.
«Sonnenallee» und «NVA» liefen im Free-TV recht erfolgreich. Wird «Stasikomödie» demnächst auch bei RTL zu sehen sein?
Die Free-TV Rechte liegen bei unserem Verleihpartner Constantin Film. Ich kann deshalb hierzu noch keine verbindliche Aussage machen.
Herr Timme, vielen Dank für das Gespräch!
«Leander Haußmanns Stasikomödie», produziert von UFA Fiction in Koproduktion mit Constantin Film, ist ab heute, 19. Mai, im Kino zu sehen.
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