Bei Sat.1 und ProSieben soll sich künftig einiges ändern, dies kündigte Daniel Rosemann, Chef der beiden Privatsender nun in einem Interview an. Das Konzept erinnert dabei stark an RTL. Ein Kommentar von Veit-Luca Roth.
Ein Jahr leitet Daniel Rosemann nun in Doppelfunktion die beiden Schwestersender Sat.1 und ProSieben. Bei Amtsantritt gab der langjährige ProSieben-Chef das Ziel aus, bis 2024 ein neues Sat.1 „mit alter Stärke“ strahlt. Bislang ist jedoch wenig Glanz dabei herumgekommen, vor allem in diesem Jahr tut sich der Bällchensender besonders schwer. Bestes aktuelles Beispiel: «Club der guten Laune» sorgt beim Blick auf die Quoten nur für das Gegenteil. Nun hat Rosemann dem Branchendienst ‚DWDL‘ ein Interview gegeben und dabei Pläne für die Zukunft verraten.
Die Programmstrategie erinnert dabei stark an die Konkurrenz aus Köln, denn für den Vorabend hat er in Sat.1 eine neue Vorabend-Kochshow angekündigt. Diese Programmfarbe bedient seit vielen Jahren VOX am Vorabend mit «Das perfekte Dinner». In der neuen Sat.1-Show
«Doppelt kocht besser», die ab Juli täglich um 19:00 Uhr gesendet wird, treten pro Episode jeweils drei Paare an, die in einer engen Beziehung zueinander stehen im Koch-Wettkampf gegeneinander an, wobei der fähigere Koch der Beziehung nur per Knopf im Ohr dem talentfreieren Koch Anweisungen geben darf. „Das geht oft herrlich schief“, erklärte Rosemann dabei im Interview. Womit die Frage erlaubt sein muss, warum Rosemann denkt, dass Scheitern bei Kochshows noch immer ein Einschaltfaktor sei. VOX hat sich seit Jahren weiterentwickelt und begeistert beim «perfekten Dinner» mit kreativen Rezepten und gelungenen Umsetzungen. Rosemann steckt im Denken der 00er-Jahre fest. Solche Formate floppten katastrophal wie «Hensslers Countdown» und die Kabel-Eins-Show «Koch die Box!», bei dem Normalos ein Rezept nachkochen sollten. Bei «Doppelt hält besser» entscheiden in einer Blindverkostung am Ende Moderator Alexander Kumptner und die nicht kochenden Teilnehmer, welche Kreation gelungen ist und welche nicht. Die Constantin-Entertainment-Produktion verdrängt damit die stets erfolglose Gameshow-Schiene am Vorabend, die sich andernorts – «Buchstaben Battle» am Vormittag und «Let the music play» am späten Abend – derzeit zwar ordentlich schlägt, laut Rosemann im Interview aber für diese Uhrzeiten nicht gemacht wurden und sich wirtschaftlich deshalb nicht lohnten. Für Rosemann ist dies ein Eingeständnis einer Niederlage, denn der Startschuss von «Let the music play» fiel rund drei Monate nach seinem Sat.1-Amtsantritt.
Doch nicht nur die akuteste Problemstelle von Sat.1 will man in Angriff nehmen, Rosemann hat sich für seine beiden Sender auch Änderungen in der Primetime überlegt, die „komplementär“ aufeinander ausgerichtet sind. Für Sat.1 bedeutet das konkret, dass
«The Voice of Germany» nicht mehr am Sonntagabend, sondern ab August immer freitags auf Sendung geht. Bei ProSieben bleibt es dagegen bei der Ausstrahlung am Donnerstag. Für die neue Staffel präsentierte der Sender nun auch offiziell die neuen Coaches. Neben Mark Forster kehren Stefanie Kloß und Rea Garvey zur Casting-Show zurück, als vierter im Bunde konnte man Peter Maffay für sich gewinnen. Die Wahl auf den mittlerweile 72-jährige Musiker erinnert dabei ebenfalls sehr an eine von RTL derzeit praktizierte Strategie, mit tendenziell älteren, aus dem öffentlich-rechtlichen Kosmos bekannten Persönlichkeiten beim Publikum punkten zu wollen. Sollten ProSiebenSat.1 nicht lieber um junge Talente wie Shirin David, Lea oder Vanessa Mai buhlen, um neuen Spirit in die Show zu bringen? In eine ähnliche Kerbe schlug da bereits der Wechsel von Jörg Pilawa zu Sat.1, der Anfang des Jahres bekannt wurde. Hand aufs Herz: Seine neue Show kam nie über zwei Millionen Zuschauer – das Abschneiden war eigentlich ein Flop.
Rosemann spricht bei der «Voice»-Verlegung von einer „Neupositionierung unseres Wochenendes“. Da man Familien vor dem Fernseher am Sonntagabend nicht zu spät ins Bett schicken wolle, ruft man neben dem Mittwoch auch den Freitag zum „Entertainment-Tag“ aus. Auch RTL beweist derzeit und seit vielen Jahren mit «Let’s Dance», das diese Strategie sehr erfolgreich sein kann. An der Donnerstag-Ausstrahlung bei ProSieben hält man dagegen fest, wo wiederum die Frage erlaubt sein muss, ob Rosemann seine Kinder freitags nicht in die Schule schickt. Eine weitere bemerkenswerte Änderung gibt es zudem am ProSieben-Sonntag, die so bereits auch bei RTL und VOX immer wieder angewendet wird. Künftig soll es bei der roten Sieben keine Hollywood-Blockbuster mehr geben. Derzeit sendet RTL «Ninja Warrior Germany» und VOX ist mit «Kitchen Impossible» zu Beginn des Jahres überaus erfolgreich gewesen. Rosemann betonte allerdings im Interview: „ProSieben verzichtet nicht auf Hollywood. US-Lizenz wird immer einen wichtigen Anteil in unseren Grids haben. Aber an einem weiteren Primetime-Abend der Woche müssen und wollen wir auf Spielfilme verzichten.“ Er begründete diesen Schritt mit dem durch die Corona-Pandemie knapper gewordenen Kino-Angebot, das „meist etwa zwei bis drei Jahre nach Kinostart fürs Free-TV“ verfügbar sei, so Rosemann. Als Hinweis an dieser Stelle: anspruchsvolle und ansprechende Kino-Produktionen lassen sich nicht nur in Hollywood finden. Im Pandemie-Jahr wurden über 100 Kinofilme veröffentlicht, auch abseits der Vereinigten Staaten von Amerika lassen sich Top-Produktionen finden. Hier will wohl Rosemann sparen, um damit Eigenproduktionen verstärken zu können. Der Sonntagabend soll daher künftig mit „Eigenproduktionen statt US-Filmen“ bespielt werden. Dabei handele es sich „um Formate, die gerne ein Fenster zu Welt sind und mit Spaß und Spiel den Wunsch nach Abenteuer und Eskapismus bedienen. Ein großes Erlebnis mit reisenden Prominenten, die ich gemütlich von zu Hause miterleben kann.“ Genaueres wolle er im Juni bei den Screenforce Days bekannt geben. Es werde sich wohl um ein verwandtes Format des US-Klassikers «The Amazing Race» handeln (Will man sich hier die Lizenzkosten sparen?). Eines kann man dabei auf jeden Fall ausschließen, die Heidi-Klum-Show
«Queen of Drags», die einst im Spätherbst 2019 lief und von der einst auch eine Fortsetzung angekündigt wurde, wird es nicht mehr zu sehen geben. Aktuell arbeite man nicht an einer zweiten Staffel. Eine ausführliche Begründung blieb Rosemann allerdings schuldig, er sprach lediglich davon, dass das, was entwickelt wurde, „sich inzwischen überholt“ habe.
Die Pläne für Sat.1 blieben dagegen etwas unkonkreter, außer der Tatsache, dass man Sat.1 und ProSieben eben komplementär aufstellen werde. Angesprochen auf die erfolgreichen «Wer stiehlt mir die Show?»-Ausgaben von Bastian Pastewka und Anke Engelke war Rosemann anzumerken, dass diese beiden Namen durchaus in den Köpfen spuken, um das Comedy-Genre bei Sat.1 wieder auf Vordermann zu bringen. Doch er musste auch eingestehen, dass es scheinbar an guten Format-Ideen für die beiden mangelt. „Wir wissen, wie man sich gegenseitig erreichen kann. Aber ich würde die beiden nicht anrufen ohne eine maßgeschneiderte Idee“, so Rosemann – analog zum FDP-Motto von vor sechs Jahren: „Es ist besser, nicht zu senden, als falsch zu senden“. Darin unterscheidet sich Rosemann im Ansatz von seiner Kölner Konkurrenz, die derzeit ein Kult-Format nach dem anderen neuauflegt, wobei nur selten der Pfeil ins Schwarze trifft. ProSieben fährt bislang mit der Neuauflage von «TV total» zumindest aus Quotensicht ausgezeichnet, wenn auch die kritischen Stimmen über den Inhalt der Show immer lauter werden. Grundsätzlich gibt Rosemann sogar zu, dass er für den Bereich Comedy keine langfristige Strategie hat. „Im Moment ist es so, dass wir bei Sat.1 keine echte Comedy-Marke on air haben. Das braucht wie deutsche Fiction eine gründliche Vorbereitung, ein einzelnes Format macht noch keinen „Fun Freitag“. Da wir bei Sat.1 so viele Töpfe auf dem Herd haben, in denen gerade gekocht wird, hat Comedy derzeit keine Priorität.“ Auch in der Fiction lässt er keine Strategie durchblicken: „Es wäre fatal, wenn man in einem Genre mit so langem Vorlauf irgendwas in Auftrag gibt, das dann in zwei Jahren vielleicht gar nicht zur entwickelten Strategie passt. Immer mal wieder eine einzelne Serie oder mal einen Film einzustreuen - das ist keine Strategie. Wir müssen davon überzeugt sein, dass wir mit unterschiedlichen Stoffen eine Fiction-Strecke im Programm bauen können. Davon sind wir im Moment ein Stück entfernt. Vielleicht gibt es auch durch den Wettbewerb der Streamingdienste einfach Formen und Genres, die sich fürs Free-TV nicht mehr lohnen. Aber das ist kein abschließender Gedanke dazu.“
Doch auch die ausgerufene Info-Offensive geriet bereits mit dem Start von
«Zervakis & Opdenhövel. Live.» gehörig ins Schwanken. Zwar stehe Rosemann weiterhin „total“ hinter dem Live-Journal, dennoch räumte er ein, dass er eine Chance sehe, „die wir bislang nicht in Gänze realisiert haben“. Hoffnung gebe Rosemann der Wechsel der eigenen News-Redaktionen nach Unterföhring, der bekanntlich im kommenden Jahr ansteht. Hier stellt der Sat.1- und ProSieben-Senderchef sogar selbst den Vergleich mit RTL an: „Auch der 30-jährige Erfolg von «stern TV» wurde nicht in den ersten Monaten begründet.“ Künftig werde man auf monothematische Sendungen verzichten, da diese bei der Etablierung des neuen Formats „nicht hilfreich“ seien. Den umgekehrten Weg geht aktuell hingegen RTL, das vermehrt «stern TV Spezial»-Sendungen neben den regulären Ausgaben am Mittwoch und Sonntag einstreut.
Das Privatfernsehen steckt derzeit in einer kreativen Krise, was anhand der unzähligen Neuauflagen alter Kultformate nicht von der Hand zu weisen ist. Es bedarf Mut neue Wege zu gehen. Diesen Mut lässt Rosemann jedoch vermissen, so ist beispielsweise die Abkehr von Blockbuster-Filmen kein selbstständig gefasster Plan, der Sender lässt sich diese Strategie aus Ermangelung an Alternativen geradezu aufzwängen – nicht umsonst wurde bei Sat.1 die «Harry Potter»-Saga in den vergangenen sieben Monaten bereits zweimal durchgekaut. RTL schloss kürzlich einen Lizenzvertrag mit Warner Bros. ab, um auch weiterhin US-Serien und -Kinofilme verwerten zu können. Die Strategie von ProSieben am Sonntagabend kommt dagegen einer Aufgabe gleich. Und wenn Rosemann bei der Vorstellung eines neuen (nicht ganz klassischen) Quiz-Formats mit Jörg Pilawa scherzt: „Und ja, wir haben es sehr ernst gemeint, als wir gesagt haben, dass Jörg Pilawa in Sat.1 nicht nur klassische Quiz moderiert.“ Dann mag das zwar lustig sein, wirft aber auch ein erschreckend uneinfallsreiches und unkreatives Licht auf Rosemanns Büro, in dem offenbar keine guten Ideen zustande kommen.
Es gibt 4 Kommentare zum Artikel
13.05.2022 12:50 Uhr 2
Eine Strategie sollte man länger als 2 Jahre durchhalten können, sonst handelt man nur taktisch.
Ansonsten fehlt Kreativität plus Gespür fürs Publikum. Man gibt sich zu viel mit okyen Formaten zufrieden.
14.05.2022 02:48 Uhr 3
14.05.2022 12:00 Uhr 4