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Die Kritiker: «Alles auf Rot»

Der ehemalige Polizist Erich Kessel wird aus dem Gefängnis entlassen. Seine Drogensucht hat ihn in den Knast gebracht. Eigentlich will er außerhalb der Gefängnismauern ein neues Leben beginnen. Allerdings gibt es da ein Angebot des Gangsterbosses Schukri: Der bietet Kessel 50.000 Euro, wenn er den Mörder seiner Tochter findet – und ihm übergibt.

Stab

REGIE und DREHBUCH: Lard Becker
SCHNITT: Sanjeev Hathiramani, Alexander Schnell
KAMERA: Felix Novo de Oliveira
KOSTÜME: Katrin Aschendorf
MUSIK: Hnrich Dageför, Stefan Wulff, Philipp Teichmann
DARSTELLER: Fritz Karl, Nicholas Ofczarek, Jessica Schwarz, Melika Forouan, Martin Brambach, Slavko Popadic, Kida Khodr Ramadan, Narges Rashidi, Sahin Erylmaz
Mit «Alles auf Rot» endet die Spielfilmserie um die Polizisten Diller (Nicolas Ofczarek) und Erich Kessel (Fritz Karl), die ihren Anfang 2013 mit «Unter Feinden» nahm. Basierend auf einem Roman von Georg M. Oswald, war «Unter Feinden» eigentlich als einzelner, für sich stehender Spielfilm gedacht. Da der Spielfim allerdings bei der Kritik und, viel wichtiger, beim Publikum ausgezeichnet ankam, folgte mit «Zum Sterben zu früh» 2015 (für deutsche Verhältnisse ungewöhnlich) ein Prequel und 2019 mit «Reich oder tot» eine Fortsetzung. «Alles auf Rot» schließt die Reihe nun ab, denn das Ermittlergespann Diller/Kessel ist bereits im letzten Spielfilm zu Grabe getragen worden. Schon der erste Spielfilm, «Unter Feinden», behandelt das Problem des Polizeihauptkommissars Erich Kessel: Drogen. Befindet er sich im ersten Spielfilm noch im Kampf mit den Drogen nach einer erfolgreich abgeschlossenen Therapie, hat er diesen Kampf im letzten Film verloren. Und mit ihm so ziemlich alles. Seine Frau hat sich von ihm abgewandt, er hat seine Dienstmarke verloren und er ist im Gefängnis gelandet.

Zwei Jahre sind seither vergangen und Kessel hat die Zeit im Gefängnis genutzt. Er ist clean. Doch kaum hat er zurück in die Spur gefunden und steht kurz vor der vorzeitigen Entlassung, erleidet er einen schweren Schicksalsschlag. Seine Tochter stirbt an einem epileptischen Anfall. So kommt es an ihrem Grab zum Wiedersehen mit seiner Frau, seinem Sohn und auch seinem Kollegen Diller, der einige Zeit ein Verhältnis mit seiner Frau hatte. Zurück im Gefängnis versucht Kessel die letzten Tage seiner Haft einfach irgendwie zu überstehen. Was so einfach nicht ist, denn der ehemalige Gangster Walid Schukri (Kida Khodr Ramadan), nicht gerade ein Freund Kessels, bittet diesen um Hilfe. Er hat von Kessels Verlust gehört – und daher wird er ihn verstehen. Schukris Tochter ist ermordet worden. In einem Brautgeschäft. Es ist keine Frage, dass der Mordanschlag ihrem Verlobten, einem zweitklassigen Rapper, Drogendealer, Kleinkriminellen galt. Schukri geht davon aus, dass der einen anderen Dealer abgezockt und sich dafür eine Kugel eingefangen hat. Sein Tod ist Schukri egal. Aber seine Tochter ist zwischen die Fronten geraten und dafür wird der Mörder bezahlen. Schukris Angebot: Kessel macht den Mörder ausfindig, dafür bekommt er 50.000 Euro. Und da er kein Polizist mehr ist, braucht er sich nicht um irgendwelche Gesetze zu kümmern. Er wird Schukri den Mörder ausliefern, der Rest braucht ihn nicht zu interessieren. Dass Schukri im Gefängnis sitzt... soll nicht Kessels Problem sein.

Aus der Haft entlassen, versucht Kessel erst einmal sein Leben außerhalb der Gefägnismauern zu ordnen. Er nimmt Kontakt zu seiner Frau auf und kommt ihr wieder nahe. Sein alter Kollege Diller besorgt ihm außerdem einen Job als Barkeeper irgendwo in der Peripherie der Reeperbahn. Der Arbeitsmarkt für Ex-Polizisten mit Drogenproblemen ist halt überschaubar. Der Job ist jedoch ganz okay, das Leben geht tatsächlich weiter. Allerdings gibt es Probleme bei der Finanzierung seines alten Hauses. Und dann kennt er den Ehemann der Besitzerin des Brautgeschäfts aus Ermittlertagen. Der war ein Kleinkrimineller, keine große Nummer, aber doch jemand, der wusste, wie man sich Ärger einfängt. Dass der nun als Taxifahrer seinen Lebensunterhalt verdienen soll, will Kessel nicht so ganz glauben. Zudem muss so ein Brautladen finanziert werden. Die Kleider, die Einrichtung: bis sich so etwas refinanziert, das dauert. Da kann so ein Taxifahrerjob schon helfen, vor allem dann, wenn man nicht nur Passagiere, sondern auch weiße Tütchen chauffiert. Dass seine Ehefrau dann auch noch während der Schießerei im Geschäft im Lager gewesen ist, kann natürlich ein Zufall gewesen sein: Vielleicht aber hat sie auch jemand gewarnt. Also fragt sich Kessel, ob er nicht einmal eine Taxifahrt machen sollte?

«Alles auf Rot» ist ein Film, der es langsam angehen lässt. Kessels Schicksalsschlag, sein Versuch, gesellschaftlich wieder Fuß zu fassen: Regisseur und Drehbuchautor Lars Becker, der auch sämtliche Vorgängerfilme inszenierte, interessiert sich kaum für den Kriminalfall. Der ist nach einer Viertelstunde gelöst. Der Mörder heißt Goran Jankovic (Slavko Popadic) und der ist genau das, was Kessel vermutet: Ein Pusher, der mit seinem Opfer noch eine Rechnung offen hatte. Bis Kessel ihm auf die Schliche kommt, das dauert zwar einige Zeit, Lars Becker jedoch offenbart dieses Geheimnis seiner Zuschauerschaft bereits im ersten Akt der Geschichte, da er so seinen Fokus ganz auf Kessel richten kann. Wie geht Kessel mit dem Leben in Freiheit um? Hat er überhaupt eine Chance? Da ist etwa die Staatsanwältin Soraya Nazari (Melika Foroutan), die in ihm nur einen straffällig gewordenen Polizisten sieht und der nicht entgangen ist, dass Schukri Kessel im Gefängnis angesprochen hat. Ihre Überwachung von Kessel nimmt dabei fast schon obsessive Züge an. Gleichzeitig ist da eine Prostituierte, die offenbar immer wieder von ihrem Zuhälter verprügelt wird und der Kessel gerne zur Seite stehen würde. Sie lässt in ihm Instinkte aus einer Zeit erwachen, als er noch ein ehrlicher, anständiger Polizist gewesen ist. Aber wie kann er ihr helfen – ein kleiner Barkeeper?

Es ist alles wirklich nicht einfach. Aber es ist stark inszeniert, denn Lars Becker erschafft: Atmosphäre. Er erschafft diese Atmosphäre, indem er Kessel als einen Verlorenen inszeniert: Als einen Mann, der um seine Fehler ebenso weiß wie um die Tatsache, dass er diese Fehler nie wieder gutmachen kann. Vielleicht kann er Wunden heilen, sicherlich. Aber es werden Narben zurückbleiben. Der österreichische Schauspieler Fritz Karl spielt diesen Kessel distanziert. Nicht selten wirkt er so, als würde er selbst von Außen einen Blick auf diesen Erich Kessel werfen. Es wird regelrecht spürbar, dass dieser Erich Kessel weiß, dass es für Typen wie ihn niemals ein echtes Happy End geben kann. Egal, welchen Weg er gehen mag, es wird immer der falsche Weg sein.

Becker inszeniert den letzten Spielfilm der Reihe allerdings nicht nur als ein atmosphärisch packendes Drama, er weiß genau, wann er Spannungsmomente zu setzen hat, die wieder den Fall des Mörders Jankovic betreffen, der seinerseits in existenzielle Nöte gerät als er erfährt, wer die Frau ist, die er erschossen hat.

Mit fortlaufender Spielzeit dreht Regisseur Becker fester an der Spannungsschraube. Die Frage lautet nicht, wer hat was getan. Das alles ist ja von Anfang an weitestgehend bekannt. Die Frage lautet vielmehr, wann diese Schraube überdreht sein und wie sich die Spannung dann entladen wird.

Fazit: «Alles auf Rot» ist ein würdiger Abschluss der Spielfilmreihe, der übrigens keine Vorkenntnisse benötigt.

Am Montag, 2. Mai 2022, 2015 Uhr im ZDF
30.04.2022 11:41 Uhr Kurz-URL: qmde.de/133930
Christian Lukas

super
schade

73 %
27 %

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Tags

Alles auf Rot Unter Feinden Zum Sterben zu früh Reich oder tot

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