Sienna Miller, Rupert Friend, Michelle Dockery: Für die neue Netflix-Serie wurden hochkarätige Namen aus dem internationalen Seriengeschäft verpflichtet. Hat sich das gelohnt?
Frauen, die für ihre Ehemänner alles geopfert haben und dann auch noch betrogen werden: So beginnen im Allgemeinen ja eher altbackene Melodram-Filme, voller Tränen und Rührseligkeit. Doch immerhin haben diese Frauen in diesen Filmen irgendwann ein Einsehen gehabt, was in ihrem Leben alles falsch gelaufen ist, und konnten sich schließlich durchringen, einen Schlussstrich unter diese toxische Beziehung zu ziehen.
Nicht so die von Sienna Miller gespielte Sophie Whitehouse, Ehefrau eines aufstrebenden britischen Parlamentsabgeordneten (Rupert Friend), der sie eines späten Abends nachhause bittet, um ihr etwas zu beichten: Er hatte eine Affäre mit einer Mitarbeiterin. Monatelang. Aber es war nur Sex. Und jetzt ist ja alles vorbei. Also lass uns bitte zusammen bleiben. Für die Kinder. Und für die Öffentlichkeit.
Während ein aufsässiger PR-Fuzzi schon an der perfekten Strategie arbeitet, damit der beste Kumpel des Premierministers den Skandal übersteht, kehrt Sophie in sich und beginnt, an ihrem Leben zu zweifeln: Eingebettet wird diese Geschichte – anders vielleicht als bei den vielen Melodram-Filmen über betrogene Ehefrauen – in eine Darstellung des toxischen Männlichkeitsbildes, das an britischen Eliteschulen, so zeigt es zumindest diese Netflix-Serie, schon von Jugendjahren an vermittelt wird. Wundert es da, dass es dann in Ehe und Familie so weit kommt, fragt sich «Anatomy of a Scandal».
Aber da hört die Serie noch lange nicht auf, sondern entwickelt sich bald zur Soap. Dann stehen gegen das Parlamentsmitglied nicht nur skandalöse Fremdgehvorwürfe im Raum, sondern eine waschechte Vergewaltigung. Eine neue Dimension, auch in der Presse, die sich von nun an auf die Familie stürzt. Und Sophie? Die zweifelt und kämpft mit sich – und meint in der Staatsanwältin (Michelle Dockery), die für den Fall verantwortlich ist, bald eine alte Bekannte zu entdecken.
Vielleicht sollten wir uns an dieser Stelle noch einmal die Cast-Liste in all ihrer Pracht vergegenwärtigen: Sienna Miller, ein It-Girl, das lange Zeit aus den Boulevardmedien nicht wegzudenken war, spielt die Hauptrolle. Unterstützt wird sie von Rupert Friend, dem Star des amerikanischen Kassenschlagers «Homeland» an der Seite von Claire Danes, sowie von Michelle Dockery, die seit ihrer Paraderolle in der Adelssoap «Downton Abbey» auch ein gewichtiger Name im internationalen Seriengeschäft wurde.
Leider ist aber mit diesem Dream Team vor der Kamera in dieser Serie kein Staat zu machen – zumindest wenn man die Kriterien anlegen möchte, die man an Netflix eigentlich haben sollte. Denn Sex, Gewalt und betrogene Ehefrauen stehen hier nicht viel tiefsinniger im Zentrum der eigentlichen Geschichte als in einem typischen Melodram-Film, womit man all das Potential des sicherlich ebenso teuren wie talentierten Casts schnell verspielt. Das ist schade, denn gerade dieser Stoff hätte sich ernsthaft mit einem veralteten Männerbild auseinandersetzen können, wie es gerade in der englischen Elite anscheinend bis heute noch vorhält – und damit wohl auch eine Geschichte erzählen, die mehr fesselt als die uninspirierten sechs Folgen dieser Anthologie-Serie.
Sechs Folgen von «Anatomy of a Scandal» sind bei Netflix zu sehen.
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