Niemand hätte es gedacht, aber Borowski hat all die Jahre an einem schweren Trauma geknabbert. Entstand daraus ein gelungener Film?
Stab
Darsteller: Axel Milber, Almila Bagriacik, Stefan Kurt, Lena Stolze, Peter Maertens, Heide Simon
Musik: Johannes Kobilke
Kamera: Philipp Kirsamer
Drehbuch: Patrick Brunken und Torsten Wenzel
Regie: Nicolai RohdeMan sieht es ihm nicht an. Wahrscheinlich soll man es ihm auch nicht ansehen: Aber Klaus Borowski, der gutmütige, väterliche Ermittler aus Schleswig-Holstein, immer korrekt, immer einfühlsam, immer ziemlich steif, war mal jung. Fast könnte man sagen, er habe eine bewegte Jugend gehabt. Denn als er 16 war und Jimi Hendrix auf Fehmarn (!) zu einem legendären Konzert einlud, wollte er da unbedingt hin – zusammen mit seiner damaligen Freundin Susanne. Und weil die beiden irgendwie ziemlich cool waren und noch dazu in den 70igern lebten, setzten sie sich nicht einfach in den Bus, sondern wollten dorthin trampen. Wie aufregend.
Doch es kam ausgerechnet wie in all den schlechten Junge-Mädchen-werden-geschändet-Filmen, die just in den 70igern in Deutschland besonders populär waren. Es kam zum Streit, sie stieg mutmaßlich in einen dunklen Van und ward nie wieder gesehen. Bis heute, knapp 50 Jahre später, nach einer stürmischen Nacht ihre Gebeine unter einem entwurzelten Baum gefunden werden. Schon bei der ersten Rekonstruktion erkennt Borowski sofort die damalige Freundin. Er ist schockiert – und von der ersten Minute an auf einer Mission: Er will, er muss ihren Mörder finden, um selbst mit dem Fall abschließen zu können.
Borowski hat also ein Trauma, das all die Jahre an ihm genagt hat. Wer hätte es gedacht – sicherlich nicht die meisten Zuschauer, und erst recht nicht seine Kollegin Mila Sahin (Almila Bagriacik). Wenn wir es doch nur geahnt hätten – wir wären alle viel sanfter mit ihm umgegangen.
Aber natürlich entdecken wir die tiefsitzende seelische Wunde von Kommissar Borowski nicht erst jetzt, weil der Mordermittler so gewieft ist, das alte Trauma eine Ewigkeit auch vor seinen Nächsten geschickt zu verbergen, sondern weil es den Autoren erst jetzt einfällt, dass das doch eine flotte Geschichte wäre. Dabei kommt man beim Zuschauen jedoch nicht umhin, das alles etwas aufgesetzt zu finden: Denn die Einladung, wirklich in die seelische Tiefe von Borowski vorzudringen, nimmt der Film eigentlich nie an, und auch die historische Kulisse – Jimi Hendrix in den Norddeutschland – ist ihm bloß eine ausschmückende Kulisse wie jede andere.
Stattdessen entwickelt sich „Borowski und der Schatten des Mondes“ entlang weitgehend vorhersehbarer Bahnen: Der Kommissar verrennt sich in der Aufarbeitung seiner persönlichen Katastrophe und des Schicksals seiner toten Freundin – so sehr, dass seine nachsichtige Kollegin, die in dieser Folge sehr vorsichtig mit ihm umgeht, irgendwann die Reißleine zieht, bis Borowski vom Fall abgezogen wird. Jetzt muss er nicht nur gegen seine alten Dämonen kämpfen, sondern auch noch gegen die Hierarchie der Kieler Polizei. Doch das raubt letzten Endes nur Zeit und bringt den Stoff emotional kein bisschen weiter. Dabei hätte man zu gerne gesehen, wie diese oft etwas distanzierte Hauptfigur mit einem solchen Schlag umgeht – und zwar seelisch, nicht nur ermittlungstaktisch.
Der neue «Tatort» mit dem Titel «Borowski und der Schatten des Mondes» ist am Sonntag, den 10. April um 20.15 Uhr im Ersten zu sehen.
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