Die «Der König von Palma»-Showrunner Veronica Priefer und Johannes Kunkel berichten im Quotenmeter-Interview über die Drehbedingungen auf Mallorca während der Corona-Pandemie. Außerdem verraten sie wie sie Henning Baum von der Serienrolle überzeugen konnten.
Dieses Interview erschien erstmals zum Serien-Start bei RTL+ im Februar 2022.
Mallorca bietet die Möglichkeit, ganz unterschiedlich Urlaub zu machen, entweder Party am Ballermann oder sehr ruhig im Westen oder Norden der Insel. Welcher Typ Urlauber sind sie? Können Sie mit der Schinkenstraße etwas anfangen?
Veronica Priefer: Ganz privat finden wir es erstaunlich, wie überwältigend und vielfältig die Natur auf Mallorca ist. 300 Sonnentage sprechen für sich und die unterschiedlichen Klimazonen der Insel sind einfach spannend. Im Gebirge beim höchsten Berg, dem „Puig Major” haben wir schon Schneeballschlachten miterlebt und in der Bucht von Alcudia kann man unglaublich gut Wassersport treiben. Gleichzeitig spielt unsere Serie ja am sogenannten Ballermann, dieser verpönte Ort, der in den Medien oft so herablassend dargestellt wird. Aber unsere Erfahrung war eine andere: Wir hatten während der Recherche viele lustige Begegnungen mit ganz unterschiedlichen Menschen. Es ist wirklich ein Querschnitt der deutschen Gesellschaft, die dort in der Sonne feiert und für ein paar Tage dem Alltag entflieht. Es ist ein kalkulierbarer Ausbruch, so wie Karneval oder das Oktoberfest.
Erstmals wurde die UFA Fiction Serie «Der König von Palma» 2019 angekündigt – also noch vor der Pandemie. Wie sehr hat die Corona-Krise die Drehpläne durcheinandergeworfen?
Johannes Kunkel: Wir haben unsere gesamten Dreharbeiten vom Herbst 2020 in den April 2021 verschoben, das war ein immenser logistischer Aufwand. Um das Team zu schützen hatten wir außerdem ein sehr striktes „Corona-Protokoll“ am Set, das ständige Maskenpflicht, tägliche Tests und Abstandsregeln vorschrieb. Außerdem sind die meisten der typischen Teamfeiern ausgefallen, so hat es anfänglich natürlich länger gedauert, bis das Team miteinander warm geworden ist.
Hat der Lockdown eigentlich geholfen bei den Dreharbeiten auf Mallorca?
Priefer: Es war natürlich viel ruhiger, als man es gewohnt ist. Die Strände waren wie leergefegt. Damit hatten wir bei der Konzeption nie im Leben gerechnet.
Kunkel: Wir erzählen in der Serie aber volle Strände, Menschenmassen, die unter der brütend heißen Sonne des Mittelmeers feiern. Zwar haben wir insgesamt ca. 3.800 Komparsen beschäftigt, aber auch die mussten täglich getestet werden. Das war ein enormer Aufwand, der nicht nur teuer war, sondern auch von unserer Drehzeit abging. Vieles haben wir auch durch VFX ausgeglichen.
Priefer: Aber es hatte auch Gutes: Kontrollierbare Zustände sind zum Drehen immer besser als Chaos in der Umgebung. Auch konnten wir leere Hotels nutzen. Andererseits waren die Kosten, die mit Covid einhergingen, immens.
Die Dreharbeiten fanden zwischen April und Juli 2021 statt, in dieser Zeit hat sich das Infektionsgeschehen in Deutschland stark gewandelt. Von einem vorläufigen Höhepunkt Mitte April ging der Inzidenz Wert runter in den einstelligen Bereich. Konnten Sie diese Entwicklung auch auf den Straßen auf Mallorca wahrnehmen?
Kunkel: Das war auf Mallorca genau umgekehrt. Da war das Infektionsgeschehen im Frühjahr niedriger als in Deutschland. Die Zahlen sind dann zum Sommer hin gestiegen, als die Situation in Deutschland besser wurde.
Aber egal wie, uns saß ständig die Angst im Nacken, dass unsere wertvolle Drehzeit durch Covid-Fälle unterbrochen wird. Zu Beginn unserer Drehzeit gab es sogar noch eine nächtliche Ausgangssperre auf Mallorca. Als sich das im Laufe des Drehs änderte, haben wir das fast nicht mitbekommen, so streng waren unsere eigenen Auflagen.
Für ihre Recherche haben Sie auch mit Ingo Wohlfeil, dem ehemaligen Mallorca-Redakteur von der ‚Bild‘, zusammengearbeitet. Gab es dabei unglaubliche Geschichten, die es nicht in die Serie geschafft haben?
Kunkel: Die Zusammenarbeit mit Ingo Wohlfeil war ein Glückstreffer für uns. Er hat uns mit Zeitzeug:innen zusammengebracht, die für uns und unsere Recherche sehr hilfreich waren. Zudem arbeitet er an einer „Ballermann” Dokumentation, da haben sich natürlich gute Synergien ergeben.
Priefer: Man muss sich vorstellen: 1990 hört sich vielleicht nicht lange her an, aber es ist noch die Zeit, als nicht alles im Internet dokumentiert wurde. Wir haben beispielsweise auch Leute in Archive geschickt, um Ausgaben des Mallorca Magazins aus dem Jahr zu scannen.
Und ja, viele der Geschichten haben es nicht in die Serie geschafft. Zum Beispiel hätten wir gern eine Liebesgeschichte zwischen einem Promotor und einer Tänzerin erzählt. Die durften damals nämlich nicht existieren. Aber bei 4,5 Stunden Erzählzeit muss man sich auf das Wesentliche konzentrieren und das ist für uns die Perspektive von unseren deutschen Auswander:innen im Bieradler.
Mallorca ist mittlerweile auch ein Sammelsurium an Geschäftsideen prominenter Menschen, wie Daniela Katzenberger, die ihr Café mittlerweile aufgegeben hat. Haben Sie während der Dreharbeiten solche Orte aufgesucht? Waren Sie auch mal am Ballermann feiern?
Kunkel: Das besagte Café hat ja leider zu, sonst wären wir natürlich da gewesen. Ansonsten: Unsere Serie spielt im Jahr 1990, daher haben wir viel mit Leuten gesprochen, die damals aktiv waren. Zum Beispiel. die berühmte Bookerin Beatrice Ciccardini oder die schillernde Figur aus dem mittlerweile geschlossenen „Riu Palace” Radja Dalimonthee, waren große Inspirationsquellen. Die spannende Frage ist ja: Wer schafft es beim Auswandern und wer bleibt auf der Strecke?
Priefer: Und ja, natürlich. Wir waren vor der Pandemie im Rahmen unserer Recherche auch in verschiedenen Biergärten. Auch wenn manche dieser Lokalitäten in Deutschland so verpönt sind, fanden wir das Erlebnis erstaunlich. Leute, die in Deutschland nie ein Wort wechseln würden, lagen sich mitsingend in den Armen.
Wie unterscheidet sich die heutige Stimmung an den Partyorten auf Mallorca von damals Anfang der 1990er Jahre?
Kunkel: Es gab damals keine Smartphones, also keine Kameras, die alles ständig mit der Welt teilten. Was auf Mallorca geschah, blieb auch dort. Wir beschreiben es immer so: Es wurde mehr geschunkelt, als gegrölt. Die „Schunkel-Zeit“ ging so in den 70ern los, dann gab es den Peak der „Gröl-Zeit“ so Ende der 90er nach der Veröffentlichung des Films «Ballermann 6» und heute geht es langsam hin zu gehobenerem Tourismus.
Thema ist auch die Wende, wodurch Mallorca erst zur touristischen Hochburg wurde. Wie hätte eine Entwicklung der Urlaubsinsel ohne den Mauerfall ausgesehen?
Priefer: Es hat schon immer viele Leute auf die Insel gezogen. Spanische Inlandstourist:innen, Engländer:innen und Deutsche, aber auch Niederländer:innen und viele mehr. Ab diesem Jahr gibt es sogar einen Direktflug von New York nach Palma de Mallorca.
Die Wende vor 30 Jahren hatte auch sicher einen großen Einfluss, immerhin waren es plötzlich 16 Millionen potenzielle neue Kund:innen aus Deutschland. Der billigste Ort, um Palmen zu sehen, war Mallorca.
Für Henning Baum ist es die erste Serienrolle seit «Der letzte Bulle». Die Serie endete immerhin vor acht Jahren. Wie konnten Sie ihn davon überzeugen, wieder für eine Serie vor die Kamera zu treten?
Kunkel: Wir haben ihn ungefragt per Photoshop auf ein inoffizielles Plakat gesetzt, ihm das zusammen mit einem ersten Kurzkonzept auf normalem Wege zugeschickt. Er rief an und daraus ist über die Jahre eine tolle Zusammenarbeit und eine richtige Freundschaft entstanden. Er war auch viel in den Entwicklungsprozess eingebunden.
Schon in den ersten Minuten wird klar, dass Baums Charakter Matti Adler viele Probleme mit sich herumträgt und sich in weitere stürzt. Auf welche Reise kann sich der Zuschauer einstellen?
Kunkel: Es ist eine Serie mit drei Hauptfiguren, die durch die gemeinsame Unternehmung, den „Bieradler”, aneinandergebunden werden.
Matti Adler wird im Laufe der sechs Folgen seinem Ziel, einem Leben auf Mallorca, deutlich näherkommen, sich dabei jedoch Feinde machen und das aufs Spiel setzen, was ihn antreibt: Seine Familie.
Die Serie debütiert beim Streamingdienst RTL+ und soll auch im linearen Programm zu sehen sein. Welche Zuschauerzahlen sind Ihnen wichtiger?
Priefer: Wir wollten von Anfang an eine Show „fürs Publikum” machen. Etwas, das den Leuten Spaß macht und sie in eine andere, eine sonnige Welt entführt. Klassischer Eskapismus also. Deswegen sind uns Zuschauer:innenzahlen natürlich wichtig. Trotzdem spielt immer viel mit rein: Der Ausstrahlungstermin und die Konkurrenz, das Wetter und ob gerade Corona Lockdown ist oder alle Beschränkungen vor der TV-Ausstrahlung aufgehoben werden. Wir hoffen einfach, dass die Menschen diese Geschichte gern schauen und mit den Figuren mitgehen.
Zuletzt generierten die RTL+-Serien («Glauben», «8 Zeugen»), die auch linear gezeigt wurden, überwiegend magere Einschaltquoten. Habe Sie Angst auch dieses Schicksal zu erleiden? Was stimmt Sie zuversichtlich, dass es nicht so kommt?
Kunkel: Wir sind Optimist:innen, es ist unsere erste Serie, die wir inhaltlich verantworten und haben versucht, den Spaß am Thema nicht zu kurz kommen zu lassen. Klar, viele (uns auch) schreckte das Thema „Ballermann“ erstmal ab, doch was dahintersteckt, ist wirklich spannend.
Priefer: Auch die weiteren Themen sind bestimmt kein Grund zum Umschalten: Wer erinnert sich nicht gerne an die gelöste Stimmung zur Fußball-Weltmeisterschaft 1990, oder an die Hits der 90er Jahre. Auch nach Jahren der Pandemie würde zumindest ich mich über interessantes Programm, das in der Sonne unter Palmen spielt, freuen.
Mallorca stand Anfang der 1990er-Jahre für eine große Goldgräber-Stimmung, hin zu neuen Ufern. Die heutige TV-Landschaft ist dagegen geprägt von zahlreichen Reboots alter Fernsehklassiker. Wie bewerten Sie diese Entwicklung? War früher alles besser oder ist die Welt lediglich komplexer geworden und die Menschen sehnen sich nach einer einfacheren Welt?
Kunkel: Bestimmt erscheint die damalige Welt irgendwie weniger kompliziert. Die Zeit nach dem Mauerfall war für viele ein Momentum, in dem fast alles möglich schien. Eine Zeit des Neustarts. Der Kapitalismus hatte einen scheinbaren Siegeszug angetreten und Globalisierung, internationaler Terror und Digitalisierung hatten sich noch nicht in ihrer heutigen Komplexität entfaltet.
Priefer: Außerdem zeigen wir eine Welt, wie sie aktuell mitten in der Pandemie nicht mehr existiert. Es war Sommer, die Menschen lagen sich bei der Fußball-Weltmeisterschaft 1990 in den Armen, haben zusammen getrunken und gefeiert, die Stimmung war gelöst. Kaum mehr vorstellbar aus heutiger Sicht!
Kunkel: Allgemein zur TV-Landschaft kann ich sagen, bei manchen Serien freut man sich doch über eine Neuinterpretation – beispielsweise die UFA Fiction-Produktion «Faking Hitler» oder «Sisi». Andere Ideen sind auch noch nie dagewesen, denken sie nur an den Netflix-Hit «Barbaren», der in der ganzen Welt funktioniert hat.
Frau Priefer, Herr Kunkel, vielen Dank für das Gespräch!
Die UFA-Fiction-Produktion «Der König von Palma» ist ab heute bei RTL+ abrufbar. Bei RTL feiert die sechsteilige Serie am 15., 18. und 19. April ihre Free-TV-Premiere jeweils in Doppelfolgen.
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