Immer mehr Europäer nutzen einen oder mehrere Streamingdienste. Doch nicht nur das aus Los Gates stammende Unternehmen spielt mit, in einigen Ländern gibt es auch erfolgreiche regionale Anbieter.
Der Kampf um das Streaminggeschäft ist in Deutschland noch immer nicht vollends entbrannt, doch mit Plattformen wie RTL+ will man der internationalen Konkurrenz die Stirn bieten. Dafür hat beispielsweise RTL Deutschland kürzlich einen Lizenz-Deal mit WarnerMedia geschlossen. Konkrete Zahlen über Abrufe sind allerdings nur schwer zu bekommen, meist nennen Unternehmen nur Zahlen, wenn es richtig gut läuft und etwaige Rekorde gebrochen werden – siehe Netflix und «Squid Game» im vergangenen Herbst. Vielmehr rücken die Streamingdienste meist nur Abonnentenzahlen raus, und selbst das eher unregelmäßig oder nicht vollends konkret. So sprach RTL Deutschland zuletzt davon, dass man mit RTL+ auf dem Weg zu drei Millionen zahlenden Kunden sei. Das ist wenig befriedigend, vor allem wenn man zum Beispiel Vergleiche zum Fernsehen anstellen möchte, für das jeden Morgen die Einschaltquoten des Vortages ausgewiesen werden.
Deshalb führen Marktforschungsinstitute wie ‚Goldmedia‘ regelmäßig Erhebungen durch, um genauere Informationen zu den Abrufzahlen und Plattformnutzung zu erhalten. Für die vergangenen 30 Tage ergab sich daraus beispielsweise, dass RTL+ 4,0 Prozent (Premium und der kostenlose Bereich zusammengerechnet) der Streamingnutzung ausmachte. Der Platzhirsch ist Netflix mit 40,1 Prozent. Auf etwas mehr als die Hälfte davon kommt Amazon Prime Video mit 24,0 Prozent. Disney+ liegt auf Platz drei mit 8,7 Prozent. Nationale Player wie Magenta TV Megathek (6,0 Prozent), Joyn (3,3 Prozent) oder auch DAZN (3,0 Prozent) reihen sich abgeschlagen dahinter ein. Doch wie sieht es eigentlich in den anderen europäischen Märkten aus? Quotenmeter blickt mithilfe von ‚Goldmedia‘ auf die Märkte in Großbritannien, Spanien, Italien und Frankreich.
Netflix ist nicht zu schlagen
Ein ähnliches Bild wie hierzulande gibt Großbritannien ab, dort ist die Marktdominanz von Netflix allerdings noch einmal größer. 50,9 Prozent der Plattformnutzug fällt auf den kalifornischen Streamer. 24,9 Prozent lässt sich auf Prime Video schreiben. Mit Disney+ gibt es auch auf der Insel eine klare Nummer drei. Kein anderer Streamer schafft es in den zweistelligen Bereich, Discovery+ erreichte im vergangenen Monat beispielsweise 2,0 Prozent.
In Spanien ist die Situation nur wenig anders, auch hier dominiert Netflix mit 42,5 Prozent den Markt. Prime Video kommt im südeuropäischen Land [i]nur]/i] auf 19,1 Prozent. Statt Disney+ reiht sich dann aber der nationale Player Movistar+ mit 13,7 Prozent ein. HBO Max bringt es auf eine beachtliche Plattformnutzung von 7,7 Prozent, erst dann folgt Disney+ mit 7,3 Prozent. Auch in Frankreich ist der nationale SVOD-Dienst Canal+ auf dem dritten Platz. 13,9 Prozent weisen die Marktforscher für die letzten 30 Tage aus. Mit Prime Video (15,3 Prozent) und Netflix (55,7 Prozent) an der Spitze ergibt sich aber ein ähnliches Bild wie in Deutschland, Großbritannien und Spanien. Disney+ kommt in Frankreich auf eine Plattformnutzug von 7,5 Prozent.
In Italien ist das Kräfteverhältnis kaum anders, denn auch hier ist Netflix (41,4 Prozent) nicht zu schlagen, Prime Video liegt mit 32,1 Prozent aber immerhin etwas näher in Schlagdistanz. Disney+ reiht sich mit 8,1 Prozent auf Rang drei klar dahinter ein und bekommt vor allem von Sky Go (5,6 Prozent) Konkurrenz. Mit Telecom Italias Dienst TIMVision folgt der erste nationale Streamer. ‚Goldmedia‘ berichtet von einer Plattformnutzug von 3,1 Prozent.
Regionale Produktionen auch regional beliebt
Mit Blick auf die Abrufzahlen wird deutlich, dass regionale Produktionen auch im eigenen Markt erfolgreich sind. In Großbritannien ist dieser Faktor freilich weniger ausgeprägt, denn amerikanische Serien können aufgrund der gemeinsamen Sprache ohne Synchronisation übernommen werden, sodass in der Übersetzung keine Witze oder Handlungsdetails verloren gehen. So ergibt sich, dass der Netflix-Titel «Ozark», dessen finale Staffel kürzlich startete seit dem 22. Januar dominiert, 33,5 Millionen Mal soll er im Vereinten Königreich abgerufen worden sein. Dahinter reiht sich die britische Serie «After Life» ein, die es auf 18,9 Millionen bringt.
In Spanien belegt der Movistar+-Thriller «Todos mienten» den Spitzenplatz. In den vergangenen 30 Tagen allerdings nur 3,84 Millionen Mal abgerufen. «Haus des Geldes», ebenfalls eine spanischsprachige Serie aus dem Hause Netflix, holte 3,50 Millionen Views. Auch dann folgt «Ozark» mit gut drei Millionen Klicks. Fünf Formate in den Top10 sind hingegen spanischsprachig («La reina del flow», «Ich bin Georgina», «La resistencia» und «La que se avecina»).
Frankreich fährt auf «Haus des Geldes» ab, ähnlich wie Italien und Deutschland, überall belegt die Serie den ersten Platz im Ranking der absoluten Abrufzahlen. Interessant ist aber, dass es in diesen Ländern kaum nationale Serien in die Top10 geschafft haben – für Netflix bedeutet dies sicherlich, dass hier noch Abschöpfungspotenzial vorhanden ist. Erst am Dienstag wurde bekannt, dass man demnächst 40 Millionen Euro in französische Filme investieren werde. In die französischen Top10 schaffte es laut ‚Goldmedia‘ auch die italienische Sky-Serie «Gomorrah», die im Nachbarland bei Canal+ SVOD zu sehen ist. In Italien schlägt sich die Netflix-Dominanz auch in den Bruttoreichweiten nieder, lediglich zwei Titel sind nicht beim Dienst aus Los Gatos vertreten: «Das Rad der Zeit» und «Grey’s Anatomy». Obwohl Netflix viel auf den spanischen Markt setzt, sind die Abrufzahlen dort aber vergleichsweise niedrig. Der erste Platz schafft es gerade mal auf ein Zehntel der Reichweite des britischen Spitzenreiters.
Dies macht allemal deutlich, dass das Ende der Streaming-Fahnenstange noch längst nicht erreicht ist in Europa. Allen Angeboten, die demnächst noch auf den Markt geschmissen werden, wie beispielsweise Discovery+ oder Paramount+ in Deutschland, sollte aber klar sein, dass Netflix einen gehörigen Nimbus hat und als erste Adresse auf dem Streamingmarkt gilt. Es wird sicherlich einige Zeit brauchen, um die Verhältnisse etwas zu glätten – sofern dies überhaupt möglich sein sollte. Helfen kann dabei eine Strategie, die einen Unique Selling Point verfolgt, wie es beispielsweise RTL+ ansteuert. Dort möchte man im Sommer die Plattform zu einem „All Media, One App“-Angebot ausbauen, also sowohl Streaming als auch Audio und Zeitschriften integrieren. Das dürfte zwar nicht die Streamingdominanz von Netflix brechen, aber sicherlich einige zahlende Kunden mehr vorbeischauen lassen. Dann hört man aus Köln sicherlich auch mal wieder konkrete Zahlen.
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