Der 33-Jährige erzählt im Gespräch vom Tod seines Vaters und seiner persönlichen Lockdown-Zeit.
Wir treffen Ludwig Trepte (33) in einem kleinen Café in Pankow. Ganz in der Nähe wohnt er mit seiner Frau und zwei gemeinsamen Kindern (Tochter, 10, Sohn, 3). Man spürt sofort seine Offenheit. Er mache sich eben permanent Gedanken, über die Welt, über seine Mitmenschen, sagt er als er vom Fotografen aufgefordert wird, sich locker zu geben, was Trepte eben nicht automatisch kann, wenn so viele Gedanken in seinem Kopf herumschwirren. Er ist der Sohn des im letzten Jahr verstorbenen Rocksängers Stephan Trepte (†70). Er selbst wurde Schauspieler, der 2013 mit dem TV-Dreiteiler «Unsere Mütter, unsere Väter» so richtig bekannt wurde. Nun ist er in der Realverfilmung «Lauras Stern» (seit Dezember im Kino, demnächst on Demand) nach der erfolgreichen Kinderbuchreihe von Klaus Baumgart zu sehen, und das aus einem triftigen Grund, wie er uns im Interview erzählt.
Was hat Sie bewogen, in der Realverfilmung von «Lauras Stern» den Papa zu spielen?
Ich bin selber Vater von zwei Kindern und habe unzählige Sonntage damit verbracht, die Zeichentrickserie auf dem Sofa mit meiner Tochter und selbergemachtem Popcorn hoch- und runterzuschauen. Es war naheliegend, dass für die Kinder machen zu wollen. Deswegen habe ich zugesagt, und es ist auch ein sehr, sehr schöner Film geworden.
Was gefällt Ihnen als Vater an der Geschichte?
«Lauras Stern» ist ein modernes Märchen über ein junges Mädchen, dass mit ihren Eltern in die Stadt zieht und sich dort nochmals neu finden muss, weil sie ihrer Heimat und ihren Freunden entrissen wurde. Der Stern, den sie findet, ist genauso heimatlos. Ihm fehlt ein Zacken, und mit dem Schmerz kann sie sich identifizieren. Das ist eine schöne Metapher, einmal mehr in der jetzigen Zeit.
Wie meinen Sie das?
Während des Lockdowns waren viele Kinder ganz oft allein. Wie ist das also, ohne Freunde zu sein? Damit können sich Kinder identifizieren. Beim Lesen des Drehbuchs wurde mir außerdem bewusst, das mit modernen Familienmodellen gespielt wird. Es ist die Mutter, die berufsbedingt aus dem Dorf ziehen muss, und es ist der Vater, der zu Hause bleibt. Das finde ich sehr klug und gibt dem Ganzen eine interessante Facette.
Könnten Sie sich ein solches Familienmodell für sich vorstellen?
Ich habe Respekt vor meiner Frau, vor allen Frauen, denn es ist wahnsinnig viel Arbeit, und man muss viel von sich selbst aufgeben, um erst mal für jemanden anderen da zu sein. Ich unterstütze meine Frau, wo ich kann, aber ich bin eher der aktive Typ. Ich brauche Action und hasse Stillstand.
Stillstand?
In Zeiten eines Lockdowns ist das für mich verheerend. Ich konnte nicht ins Schwimmbad und war limitiert auf Legobauen oder Playmobilspiele. Das musste ich erst mal lernen. Natürlich hat sich dadurch die Familienbindung nochmals gefestigt. Man ist sich anders nahgekommen in einer extremen Situation, wenn man 24 Stunden aufeinander hockt. Letztlich sind wir als Familie sogar extrem gut durch den Lockdown gekommen.
Wie haben Sie Ihren Kindern erklärt, was ein Lockdown ist?
Es fühlt sich als Elternteil schwer an, dass den Kindern vermitteln zu wollen. Warum tragen Menschen plötzlich eine Maske? Da musste man ihnen die Angst nehmen. Kinder haben mitbekommen, dass Erwachsene, die eigentlich autoritär sind, einer Situation ohnmächtig gegenüberstehen. Was macht denn das für ein Bild seitens der Kinder auf uns Erwachsene?
Welches Bild macht es?
Die sehen uns alle scheitern, zweifeln, spalten. Die, die die Kinder schützen sollen, verlieren plötzlich den Boden unter den Füßen. Anstatt Stabilität zu geben, war man selbst überfordert. Ich habe Hausaufgaben mit ihnen gemacht. Ich tauge überhaupt nicht als Lehrer. Da flossen Tränen, weil auch ich mit einer Situation konfrontiert war, die sich wie ein Brett anfühlte, gegen das ich laufe. Aber irgendwie hatten wir es hingekriegt.
Können Sie den Film im Kino anschauen?
Mein Sohn ist mit drei Jahren noch zu jung. Das ist noch viel zu aufregend für ihn. Und für meine Tochter ist es natürlich toll, dass da der Papa mitspielt, was auch Erinnerungen weckt als sie noch kleiner war. Wir konnten den Film sogar schon sehen, allerdings nur zu Hause, was natürlich nichts im Vergleich zur großen Leinwand ist. «Lauras Stern» ist ein Kinofilm.
Der Spielfilm war extra für die Vorweihnachtszeit eingeplant. Wie wichtig ist Weihnachten für Sie?
Mir persönlich ist Weihnachten überhaupt nicht wichtig, aber im Kreis der Familie schon. Denn meinen Kindern ist es wichtig, und ich möchte ihnen gern diesen Raum geben. Das macht es natürlich auch für mich schön.
Feierten Sie ganz klassisch mit Weihnachtsbaum und vielen Geschenken?
Oh Gott, ich weiß gar nicht, ob ich das sagen darf, aber wir hatten natürlich einen echten Baum. Aber Plastik ist ja auch nicht gut. Wir haben Rouladen gemacht und es wurden mehr als zwei Geschenke für jedes Kind. Ich schenke auch so unheimlich gern. Es muss ja nicht teuer sein und kann auch etwas Selbstgemachtes sein.
Selbstgemacht?
Meine Tochter wünschte sich beispielsweise ein Rezeptbuch. Das habe ich nicht gekauft, sondern selber geschrieben, indem ich alle Rezepte, die ich kenne und mag, zu einem Buch zusammenfügte.
Sie sind gebürtiger Berliner und leben in Pankow. Was mögen Sie an Ihrer Stadt?
Berlin hat so etwas Anonymisiertes, ich mag auch die Szene hier, manche Menschen und den Berliner Geist, weil er so unkonventionell und vielschichtig ist. Man kann sich hier so fallen oder mitziehen lassen. Das hat was von Abenteuer. Berlin ist eine total offene Stadt. Was mir aber nicht gefällt, ist die Farbe.
Welche Farbe?
Berlin hat eigentlich keine Farbe, außer weißgrau. Im Sommer fällt es nicht so auf, aber im Winter ist das bitter. Mir fehlt oft die Seele, und die Architektur etwa an der Torstraße oder am Alex spiegelt das wider.
Haben Sie je überlegt wegzuziehen?
Sicherlich, sehr gern sogar. Man muss ja nicht an einem Platz verharren. Die Frage ist eher, wo will man sterben, und das weiß ich noch nicht. Für mich hat das städtische Wohnen nichts mit Heimat zu tun. Heimat hat was mit Geschmack zu tun hat. Wenn ich nach Hause kommen und Senf-Eier esse, erinnert mich das an Heimat, weil meine Mutter das oft gekocht hat.
Gibt es schon konkrete Pläne für einen Wegzug?
Überhaupt nicht, wir werden jetzt hierbleiben. Die Kinder sind hier integriert, die kann ich jetzt nicht aus ihrem Umfeld reißen, gerade jetzt in diesem Wahnsinn der Lockdowns. Jetzt muss erst mal Normalität wiederkommen.
Sie sagten auch, sie wüssten noch nicht, wo Sie sterben möchten. Beschäftigen Sie sich schon damit?
Der Tod ist etwas, den man nicht plant. Dabei gehört er zum Leben, was ich in den letzten Jahren erst gemerkt habe, weil einige in meinen Umkreis gestorben sind. Es ist so wichtig, das zu planen, um dem Vorzubeugen, dass es einsam und allein geschieht. Man sollte zusehen, es so organisiert zu kommen, dass das Sterben zumindest friedlich geschieht.
Wie hat sich der Tod Ihres Vaters im letzten Jahr auf Sie ausgewirkt?
Mir ist extrem aufgefallen, dass es nie wieder einen Menschen geben wird, der sich so für mich freuen wird, der mich so bedingungslos lieben wird so wie ich bin. Ich merke das selbst bei meinen Kindern. Wenn meine Tochter ein Erfolgserlebnis hat, freue auch ich mich so unglaublich. Das fehlt mir, auch unsere Gespräche, die Wärme und einfach nur die Umarmung. Ich rieche ihn immer noch. Auf der anderen Seite hat sich bei mir ein anderes Gefühl der Freiheit entwickelt. Ich muss jetzt nicht mehr auf seine Belange achtnehmen und könnte jetzt tatsächlich sagen, ich ziehe mit meiner Familie nach New York oder Spanien. Da ist keiner mehr, der auf mich wartet oder mir hinterhertrauert.
Vielen Dank für das Gespräch!
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