Wolfgang Link, Vorstandsmitglied von ProSiebenSat.1, sprach mit der ‚Süddeutschen Zeitung‘ über die Pläne seines Unternehmens, Nachrichten in Zukunft selbst zu produzieren. Außerdem zeigte er sich zufrieden mit der Streamingplattform Joyn.
Für ProSiebenSat.1 steht in einem Jahr eine größere Zäsur an, denn ab 2023 will man die Nachrichten der Sender selbst produzieren. Wolfang Link, Vorstandsmitglied der ProSiebenSat.1 Media SE und CEO Seven.One Entertainment Group, gab nun der ‚Süddeutschen Zeitung‘ ein Interview, in dem er über die Gründer für diesen Schritt sprach: „Es ist für Medienunternehmen wichtig, dass man der Herr über die eigenen Nachrichten ist, und das auf allen Plattformen“, so Link. Bislang liefert der Axel-Springer-Verlag die Nachrichten für Sat.1, ProSieben und Co., diese hätten in Berlin „einen tollen Job gemacht, aber gerade in Breaking-News-Situationen gerät das an Grenzen“, erklärte das Vorstandsmitglied. „Und ich bin überzeugt, dass in einer eigenen Nachrichtenredaktion viele Ideen für das gesamte Programm der Sender entstehen, weit über die klassischen Nachrichtensendungen hinaus“, führte Link aus.
Dass man nicht früher mit der eigenen Produktion loslegt, liegt an der vertraglichen Situation mit Springer. „Der Vertrag mit Springer endet erst Ende 2022.“ ProSiebenSat.1 investiere gerade und baue neue Studios in Unterföhring. Zudem stelle man Journalisten für ein 60-köpfige Redaktion ein, stellte Link klar und ergänzte: „Wir haben gerade großen Zulauf, auch von der Konkurrenz.“ Doch Nachrichtensendungen verbindet man aktuell nicht zwangsläufig mit der Sendergruppe, Reality-Fernsehen schon eher.
Allerdings fing sich damit zuletzt vor allem Sat.1 immer wieder Shitstorms ein, woraufhin Sat.1-Senderchef Daniel Rosemann, der erst in diesem Mai neben ProSieben auch die Leitung von Sat.1 übernommen hatte, die Formate «Promis unter Palmen» und «Plötzlich arm, plötzlich reich» aus dem Programm strich. Link bewertet die Gesamtsituation des Reality-TV-Genres dennoch nicht negativ. „Man darf nicht das Reality-Genre an sich verteufeln, aber man muss die Haltung überprüfen, mit der man darin erzählt. Wir brauchen Reality mit Haltung“, ließ er wissen. Reality dürfe niemanden verletzen oder ausgrenzen, aber „auch mal an die Grenze gehen“, wie er klarstellte. „Homophobie oder Mobbing haben bei uns nichts verloren“ und verwies auf die Sommer-Formate «Promi Big Brother» (Sat.1) und «Beauty and the Nerd» (ProSieben).
Für Link liege die Faszination darin, „dass sich der Zuschauer am Fehlverhalten ergötzen kann oder, wenn es romantisch wird, an der Liebe. Ich bekomme alle menschlichen Emotionen komprimiert zu sehen“. Man schaue Reality mit der Lust am Schlüsselloch-Moment, es sei näher dran am Zuschauer, was Fiktion nicht leisten können. Laut Link schaue das Publikum Serien und Filme mit einer anderen Haltung. Die günstigeren Produktionskosten von Reality-TV ließ Link für die Flut dieses Genres indes nicht gelten. „Diese Formate macht niemand, weil sie günstiger sind als Fiktion.“ Man müsse einberechnen: „«Promis unter Palmen» ist kaum wiederholbar. Eine gute Serie, ein guter Film hat einen ‚shelf value‘, das mag man behalten und gern noch mal anschauen.“
Ob es deshalb in den kommenden Monaten und Jahren wieder vermehrt fiktionale Formate bei seiner Sendergruppe gebe würde, ließ Link offen. Er versprach für Sat.1 hingegen: „In einem halben Jahr werden Sie deutliche Unterschiede zum jetzigen Programm feststellen. Neue Gesichter, wie Birgit Schrowange, und neue Sendungen. Klar ist für uns: Sat 1 spricht ein erwachseneres und weiblicheres Publikum an. Sat 1 ist wie eine gute Freundin.“ ProSieben sei dagegen „wie eine lustige Freundesrunde“. Wenn Link (53) ProSieben schaue, fühle er sich „immer etwas jünger“. ProSieben lobte er unterdessen für seine stetige Erneuerung und verwies auf Joko und Klaas‘ siebenstündige Pflgedoku und Mischkes Doku über Rechtsradikale, die über ein Jahr zurückliegt. „Wir müssen uns weiterentwickeln und Neues wagen. Das ist auch anstrengend, vor allem unter Pandemiebedingungen. Aber gerade in der Corona-Zeit sind wir Vollgas gefahren und haben eben nicht wegen zurückgehender Werbeeinnahmen am Programm gespart. Uns war klar: Jetzt schauen die Menschen fern, jetzt müssen wir für uns werben“, erklärte Link. Auf «Zervakis & Opdenhövel. Live.» kam er in dem Interview allerdings nicht zu sprechen.
Anders als Joyn: Link versprach für den Streamingdienst von ProSiebenSat.1 und Discovery, dass man im kommenden Jahr vieles weiterentwickeln werde. „Es wird eine neue Nutzeroberfläche geben, neue Technik, eine neue Empfehlungslogik. Wir schärfen im Moment gerade unsere gesamte Plattformstrategie“, so Link. Über den Erfolg des kleinen, überwiegend kostenfreien Streamers zeigte er sich zufrieden. „Wir arbeiten gut zusammen in einem 50-50-Joint-Venture mit inzwischen über 20 Millionen App-Downloads und in der Spitze bei vier Millionen Nutzern. Wir sind zufrieden.“ Die Konkurrenz von RTL Deutschland, das RTL+ mithilfe der Fusion mit dem Verlag Gruner + Jahr zu einer multimedialen Plattform ausbauen will, beunruhige Link derweil „überhaupt nicht“. Er sehe, dass man auf dem richtigen Weg sei.
Er führte aus: „Wir glauben an das Modell einer Streamingplattform, auf der die Inhalte frei verfügbar sind, die sich über Werbung finanziert und auf Reichweite setzt. Dort werden wir unsere Inhalte digital ausspielen, unabhängig vom linearen Programm. Natürlich haben auch wir einen bezahlpflichtigen Bereich mit Inhalten zum Vorabschauen und für unsere Originals, aber den halten wir schlank“ Link hält den Markt der bezahlpflichtigen Anbieter für „gesättigt“ und verwies auf eine aktuelle Studie, laut der der Deutsche Geld für zwei Dienste ausgebe.
Schreibe den ersten Kommentar zum Artikel