Der Fernsehsender präsentierte zuletzt wieder sehr erfolgreiche Geschäftszahlen. Doch das Modell, mit dem Umsatz generiert wird, ist fragwürdig. Die Fernsehzuschauer werden sogar offensichtlich getäuscht.
Bereits 17 Jahre hat der Fernsehsender 1-2-3.tv aus dem Münchner Umland auf den Buckel. Der Teleshoppingkanal von Geschäftsführer Jörg Simon ist in 35 Millionen Haushalten in Deutschland erreichbar. Im Unterschied zwischen Channel 21, QVC und HSE24 fällt der Preis, umso mehr Menschen einkaufen. Dieses Prinzip hatte schon die vor 20 Jahren gestartete Website Letsbuyit.com, die allerdings im Gegensatz zum TV-Sender gescheitert ist.
Seit Februar 2019 leitet Fernsehmacher Jörg Simon die Geschickte des Senders. In seinem ersten Jahr erwirtschaftete die Teleshoppingkanal 126 Millionen Euro, dies war ein Plus von über sechs Prozent. Im November 2019 sorgte man für einen Umsatz von fast 14 Millionen. Acht Millionen Artikel gingen vor zwei Jahren über den imaginären Ladentisch. In den vergangenen Monaten wurde der Service des Senders sukzessiv ausgebaut. Ein neues Schuhformat startete, Reality-TV-Sternchen Carmen Geiss und Johannes Haller machten Werbung für das Unternehmen. Das zahlte sich aus: Die Firma steigerte ihr Wachstum um 23 Prozent auf 155 Millionen Euro pro Jahr.
„2020 war ein erfolgreiches Jahr für uns, in dem wir unsere Ziele nicht nur erreicht, sondern auch übertroffen haben“, sagte Simon. „An diesen Erfolg wollen wir auch im laufenden Geschäftsjahr weiter anknüpfen und vor allem in unser Digitalgeschäft sowie das gesamte Omnichannel-Angebot stärker investieren.“ Nur wenige Monat übernahm iMedia Brands das Unternehmen.
Geschäftsführer Jörg Simon möchte nun sein neues internationalen Netzwerk nutzen, um weiter zu wachsen. Doch die Fernsehstation hat trotz großer Erfolge einen zweifelhaften Ruf. 1-2-3.tv gibt zum jeweiligen Artikel meist einen Referenzpreis an, der als „Marktpreis“ oder „unverbindliche Preisempfehlung“ deklariert wird. Wie schon im Ladenhandel werden mit dieser ominösen Summe dann ordentliche Rabatte gegeben. Das Medienmagazin Mediatheke sammelt seit einigen Wochen zahlreiche Beispiele, um über diese dubiose Verkaufsveranstaltung aufzuklären.
So wird unter anderem ein Pfeffergel veräußert, das bis zu fünf Meter weit sprüht. Die Ware ist in Deutschland nur gegen die Tierabwehr zugelassen. „Es ist tatsächlich so, die Kriminalitätsrate steigt und steigt. Und wir haben eben Produkte, um vorbeugen zu können“, sagte der eingeladene Handelsvertreter, der offensichtlich Unwahrheiten erzählt. Die Kriminalstatistik sagt nämlich anderes aus. Die Aktion wird noch abstruser, weil es noch eine Geschenkbox des Pfeffersprays gibt. Wer möchte seiner Tochter zum 18. Geburtstag diese Waffe mit einem Herzen-Anhänger schenken? Für 69 Euro – Sonderpreis! – gibt es wenige Minuten später noch einen Elektroschocker zu erwerben. Das Produkt der Firma KH Security wird allen Ernstes als „Lady Power“ vertrieben. „Alle Elektroschocker ohne das PTB-Prüfzeichen sind nicht zugelassen“, erklärte ein Mitarbeiter der Firma im Live-Fernsehen.
Der Fernsehsender fällt nicht nur mit seltsamen Waren auf, sondern auch mit vermeintlichen Niedrigpreisen. Das Fixman-Akkuschrauber-Set (1047348) startet mit 134 Euro, ehe der Preis auf 58 Euro fällt – zuzüglich der 6,95 Euro Versandkosten. Bei einer schnellen Suche waren mehrere Angebote unter dem 1-2-3.tv-Preis zu finden.
Ohnehin ist die Fernsehstation zuweilen höchst seltsam. Regelmäßig veräußert der ehemalige 9Live-Moderator Max Schradin „exklusive“ Uhren oder „ganz besondere“ Münzen. Um die letzten vier Feindiamanten (Startpreis 2.159 Euro) loszuwerden, wurden – wie schon beim damaligen Call-In-Sender – seltsame Countdowns eingebaut. „Wir verkaufen hier weit unter unseren Einkaufspreisen“, teilt Schradin mit. „Der Zuschauer hat hier leider überhaupt keine Ahnung, was er hier kriegt, aber wir haben es erklärt.“
Bei einer Uhr wollte Schradin bei 20 noch übrigen Uhren abbrechen, der Preis betrug statt 3.049 schon 742 Euro. „Natürlich sind wir weit unter Einkaufspreis“, zeigt sich Schradin enttäuscht. Es wird dreist getäuscht: Der Moderator teilt mit, dass der Verkauf gestoppt werde, wenn die Uhr unter 699 Euro fallen werde. Das alles geschehe durch ein automatisches System, auf das der Sender keinen Einfluss hat. Schließlich werde in zehn Sekunden automatisch abgebrochen, obwohl die Zeit dann mit 20 Sekunden etwas von der Realität abweicht. In Grünwald ticken die Uhren wohl etwas anders.
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