Der Tod eines alten Mannes in einer Münchener Stadtwohnung führt Vera Lanz zunächst auf die Spur einer Einbrecherbande, die seit einiger Zeit die Isarstadt unsicher macht. Doch einige Indizien passen einfach nicht ins Bild. Die Bande hat es ausschließlich auf vermögende Personen abgesehen. Der alte Mann aber besaß nicht einmal ein Sparkonto.
Stab
DARSTELLER UND IHRE ROLLEN: Katharina Böhm (Vera Lanz), Christoph Schechinger (Maximilian Murnau), Jürgen Tonkel (Paul Böhmer), Christian Hohenbrink (Dr. Hartmann), Norbert Heckner (Horst Mankewitz), Silke Franz (Monika Morell), Chiem van Houweninge (Gustaaf Leuwen), Jean-Luc Bubert (Pierre Redin), Stefan Maschek (Alexander Sturm), Sonsee Neu (Margarethe Schmidt), Martin Rapold (Hannes De Boer), Lisa Kreuzer (Mimmi Grundl-Peters), Sascha Maaz (Carsten Grundl).
DREHBUCH: Florian Iwersen
REGIE: Michael Schneider
KAMERA: Andreas Zickgraf
MUSIK: Thimas Osterhoff
Acht neue Episoden strahlt das ZDF der seit bereits 2012 produzierten Freitagabendserie aus. Der Freitagabend hat seit den Zeiten, in denen ein Erik Ode als «Der Kommissar» an der Isar ermittelte, eine fast mystische Bedeutung für den deutschen Krimigucker. «Derrick», «Der Alte», «Ein Fall für zwei». Der Blick in die Vergangenheit und jene Zeiten, in denen man beim Fernsehkonsum noch in die Röhre schaute, ist von nostalgischen Erinnerungen geschwängert. In den 1970er- und 1980er Jahren ohne Konkurrenz, konnte das ZDF diesen Sendeplatz auch in den 1990er Jahren erfolgreich gegen allerlei Angriffe aus dem Privatfernsehen verteidigen. Der Freitagabend war lange Zeit eine Bastion der Beständigkeit in einer immer schneller rotierenden Fernsehwelt.
Ist er auch heute noch diese Bastion? Am freitags-abendlichen Mord im gebührenfinanzierten Zweiten hat sich in den letzten Jahrzehnten nichts geändert. Auch 2021 gehört der Freitagabend den Kriminalserien der gehobenen Art. Seine fast mystische Anziehungskraft hat dieser Abend allerdings eingebüßt, auch wenn man ihm nicht vorwerfen kann, die Zeiten verschlafen zu haben. Mit «KDD – Kriminaldauerdienst» wagte sich das ZDF 2007 in ganz neue Gefilde vor und etablierte eine düstere, harte, narrativ fordernde Serie. «KDD» verlangte den Zuschauern einiges an Zumutungen ab und pflasterte den Weg des deutschen Kriminalfernsehens für neue Ideen, Darstellungsformen und Geschichten – wenngleich auch nur drei Staffeln lang.
Leider hat das ZDF nach den besagten drei Staffeln «KDD – Kriminaldauerdienst» offenbar der Mut verlassen. «Die Chefin», die seit nunmehr acht Jahren immer wieder ihre Gastspiele bietet, ist im Vergleich doch eine vergleichsweise zahme Serie. Was um so mehr überrascht, als dass sie auf einer Idee von Orkun Ertener basiert, dem Mann, der auch «KDD – Kriminaldauerdienst» auf den Weg gebracht hat.
Zum Inhalt
So steht am Anfang dieser ersten Episode der neuen Staffel also der obligatorische Mord. Einer Nachbarin des Opfers fällt die aufgebrochene Tür zu dessen Wohnung auf. Sie tritt ein und findet den alten Mann erschlagen am Boden liegend.
Kommissarin Vera Lanz wird von ihrer Kollegin Margarethe Schmidt vom Einbruchsdezernat auf eine Einbruchsserie aufmerksam gemacht, die seit einiger Zeit eben dieses Dezernat in Atem hält. Diese Bande schlägt stets zu, wenn die Eigentümerinnen und Eigentümer einer Wohnung außer Landes weilen. Und tatsächlich wollte auch das Mordopfer, Arvid Peters, offenbar in die Schweiz, um sich von einem Kardiologen untersuchen zu lassen. Hat Arvid seine Reise möglicherweise verschoben, was die Diebe nicht ahnen konnten und zu einem verhängnisvollen Zusammentreffen führte?
Vera Lanz kann nicht ausschließen, dass es so passiert ist. Allerdings gibt es da einige Ungereimtheiten in Bezug auf die Person Arvid Peters. Der ist Mitte der 1950er Jahre als Kind mit seinen Eltern aus den Niederlanden nach Deutschland gezogen. Nur endet seine Geschichte in Deutschland 1958 mit einem letzten behördlichen Eintrag. Peters hat weder einen Beruf erlernt noch jemals Geld in eine Kranken- oder Rentenkasse eingezahlt. Seit mindestens 1958 hat er in der Wohnung gelebt, in der er nun ermordet worden ist. Eine Wohnung voll gestellt mit altem Kram, der auf den ersten Blick kaum wertvoll erscheint. Reich waren seine Eltern nicht. Wohlhabend aber durchaus: 300.000 Mark hat seine Mutter Arvid nach ihrem Tod hinterlassen, erzählt seine Schwester Mimmi Vera Lanz im Gespräch. Aber 300.000 Mark sind nun auch keine Summe, von der es sich ein Leben lang unbeschwert leben ließe. Schon gar nicht passen Arvids Kardiologenbesuche in der Schweiz in dieses Bild.
«Die Chefin – Trugbild» ersinnt zwar eine Geschichte, die einige überraschende Wendungen nimmt, diese Wendungen aber sind immer wieder Zufällen geschuldet und entstehen nicht unbedingt aus der Geschichte heraus. Da beobachtet Vera Lanz' Kollege Murnau etwa ein Taxi: Und hat eine Idee bezüglich der Diebe und ihres Vorgehens. Da spricht ihr Kollege Böhmer einen möglichen Informanten an, der ihm vielleicht Auskünfte über den Verkauf des Diebesgutes der Einbrecherbande geben kann, da er selbst nicht immer Dinge, der er verkauft, ordnungsgemäß versteuert: Und tritt mitten in ein Wespennest. Das kann man machen. Nur fragt man sich, warum ein Mordermittler offenbar Leute kennt, welche prominent mit Hehlerware handeln, von denen die Fachermittler des Einbruchsdezernates, die seit Monaten im Nebel stochern, noch nie etwas gehört haben.
Überhaupt wirkt die Diebesgeschichte seltsam konstruiert. Nie kommt auch nur der Hauch eines Gefühls auf, dass diese Einbruchsgeschichte wirklich etwas mit dem Mord zu tun haben könnte. Nein, im Grunde wird diese Geschichte nur gebraucht, um die Nachbarin des Ermordeten über dessen Leiche stolpern zu lassen (und etwas Spielzeit mit Handlung zu füllen).
Wirklich ärgerlich ist der Umgang mit Vera Lanz' Kollegen Murnau und Böhmer in dieser Episode. Da ist etwa eine Szene, in der Kommissar Murnau eine jüngere Nachbarin der Ermordeten befragt („Kannten Sie ihn, welchen Eindruck machte er auf Sie, et cetera?“). Murnau tritt in dieser Szene als unsympathischer Beamtenarsch auf, dessen Patzigkeit nur durch seine Unfreundlichkeit übertroffen wird. Warum er so auftritt? Dafür bietet die Inszenierung nicht den Hauch einer Erklärung.
Was soll diese Szene? Sie macht keinen Sinn. Schlichtweg. Sie zeigt lediglich eine der Hauptfiguren als unfreundlichen Fatzken. Das kann man machen. Muss man aber nicht.
Und dann ist da die Actioneinlage des zweiten Aktes, die dazu dient, ein bisschen Tempo zu generieren. An sich ist gegen solch ein dramaturgisches Mittel nichts einzuwenden. Doch bitte nicht so. Was passiert? Dazu sei an dieser Stelle vielleicht eine Gegenfrage zu stellen erlaubt: Wie oft hat man als Freund des Kriminalfilmes Szenen wie die folgende bereits gesehen? Da steht ein Ermittler alleine vor einem Gebäude, in dem sich ein Bösewicht befindet. Übers Mobiltelefon wird er von Kollegen gewarnt: „Geh nicht rein, der Kerl ist gefährlich, warte bis Verstärkung da ist.“
Wann hat in einer solchen Situation ein Ermittler eigentlich jemals gesagt: „Oh, dann warte ich mal lieber; aber bitte beeilt euch, damit uns der Halunke nicht entkommt!“
Okay, solch eine Antwort wäre wirklich einmal eine echte Überraschung. Keine Überraschung ist es allerdings, wenn der besagte Ermittler die rote Telefontaste seines Smartphones drückt und John Wick imitiert. Nur ist Kommissar Böhmer eben kein John Wick, sondern Ermittler einer ZDF-Freitagabendserie. Es passiert, was passieren muss. Nur fehlt diesem Momentum die gewünschte Dramatik. Stattdessen rollt man als Zuschauer mit den Augen und denkt sich: „Was für ein Idiot.“
Fazit: Zäh müht sich die Handlung über 60 Minuten Spielzeit. Durch künstlich herbeigeführte Dramatik gelingt dies mit Ach und Krach. Überzeugend ist das alles nicht. Der Einstieg in die neue Staffel der ZDF-Freitagabendserie fällt somit bedauerlicherweise schwach aus.
Acht neue Folgen von «Die Chefin» laufen ab 22. Oktober am Freitagabend.
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