«Supertalent»-Gastjuror und LGBT*-Aktivist Riccardo Simonetti spricht im Quotenmeter-Interview über sein Ziel im Fernsehen zu landen und wie es ihm als „Paradiesvogel vom Land“ in seiner Jugend in Oberbayern erging. Außerdem verrät er, dass er gerne mehr Projekte im Ausland realisieren möchte.
Hallo Herr Riccardo Simonetti, Sie sind in Bad Reichenhall, einer Kleinstadt in Oberbayern aufgewachsen. Hatten Sie dort schon immer den Drang auf der Bühne zu stehen?
Als schwuler Junge vom Land war das super schwierig für mich und ich habe einfach nach einem Ort gesucht, bei dem ich für die Eigenschaften geschätzt wurde, für die ich an anderer Stelle kritisiert wurde. Die Bühne war dafür der ideale Ort.
Zunächst waren Sie Model, wie kam es dazu?
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Ich zelebriere, was andere Menschen an sich eher verstecken würden.
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Riccardo Simonetti erklärt sein Wesen
Ich stand sehr gerne vor der Kamera und musste irgendwie Geld verdienen. Modeln war da eine Möglichkeit für mich, Zugang zu einer Welt zu bekommen, die mich darauf vorbereitet hat, das Leben zu führen, das ich immer führen wollte, weil man dafür viel Disziplin braucht, vor allem wenn man in Oberbayern, ziemlich fernab vom Schuss, lebt.
Durch Ihren Blog wurden Sie zu einem der einflussreichsten Influencer Deutschlands. Gab es Zeiten, in denen Ihnen der Rum zu Kopf gestiegen ist?
Zu Kopf gestiegen ist mir der Erfolg, in dem, was ich getan habe, nie, weil ich mich schon immer berühmt gefühlt habe. Als sogenannter ‚Paradiesvogel vom Land‘, fühlt man sich schneller berühmt als einem lieb ist. Da kennt jeder jeden. Ich bin sehr dankbar meinem Blog in so jungen Jahren gegründet zu haben und mir dadurch eine Stimme gegeben zu haben, die gehört wurde. Das war allerdings damals in den Anfängen kein glamouröser Job, sondern etwas, wofür man sich immer wieder erklären musste. Das Geschäftsmodell von damals war noch nicht das, was es heute ist und man musste einen Weg gehen, der vor einem in Deutschland noch niemand gegangen ist. Da galt es erstmal eine Menge Menschen von sich überzeugen zu müssen. Außerdem habe ich mich nie als Influencer verstanden – das ist ein Begriff, der mir – so wie vielen anderen – gegeben wurde. Alles, was man nicht zuordnen konnte, nannte oder nennt man ‚Influencer‘. Heute kann ich mich mit dem Begriff noch viel weniger identifizieren, auch, weil mein Tätigkeitsbereich inzwischen einen ganz anderen Fokus hat.
Schon mit 14 Jahren nahmen Sie hinter dem Mikrofon einer eigenen Radiosendung Platz, mit 16 spielten Sie Theater in Salzburg. In den vergangenen Monaten und Jahren hat Ihre Präsenz im Fernsehen massiv zugenommen. Wie haben Sie das geschafft?
Fernsehen war immer mein ultimatives Ziel, weil ich es genieße Menschen zu unterhalten und ich selbst durch Inspiration im TV aufgewachsen bin. Heute hoffentlich eine ganze Generation an Außenseitern so inspirieren zu dürfen, wie ich es mir damals gewünscht hätte, war der ursprüngliche Grund, warum ich überhaupt in die Öffentlichkeit gegangen bin und daraus habe ich nie ein Geheimnis gemacht. Ich glaube fest daran, dass man nur bekommt, was man will, wenn man auch mutig genug ist, es laut auszusprechen und das habe ich getan, um möglichst vielen Leuten zu sagen, was ich vorhabe im Leben und das hat sich glücklicherweise auch ausgezahlt. Ich habe allerdings sehr lange auf die Chancen hingearbeitet, die heute auf einen Über-Nacht-Erfolg vermuten lassen und gerne so erzählt werden.
Von Ihnen stammt das Zitat: ‚Anders sein ist keine Schwäche, sondern macht uns zu etwas Besonderem.‘ Was macht Sie ‚anders‘?
Mich macht anders, dass ich das, was andere Menschen an sich eher verstecken würden, zelebriere und dankbar dafür bin meine Ecken und Kanten zu haben.
Sie beschreiben sich auf Instagram als Entertainer, Aktivist und Autor. In welche Tätigkeit fließen derzeit ihre meisten Energien ein?
Das eine funktioniert nie ohne das andere. Ich bin Aktivist, weil ich über meine Lebens-Realität spreche und ein positives Umdenken in der Gesellschaft mitprägen möchte, das stelle ich nicht ab, wenn ich vor der Kamera stehe. Haltung Haben kann man ja nicht einfach ablegen. Das ist nicht immer einfach, aber ergibt am Ende auch eine sehr spannende Art Dinge mitgestalten zu dürfen. Entertainer bin ich, weil es in meiner Natur liegt gerne Menschen zu unterhalten. Und als Autor habe ich bereits zwei Bestseller veröffentlicht, mein drittes Buch kommt im Oktober heraus. Darauf freue ich mich total.
Wegen Ihres Buchs ‚Raffi und sein pinkes Tutu“, ein Bilderbuch, das Toleranz als universelle Botschaft vermitteln will, zogen Sie den Hass der AfD und anderer homophober Personen auf sich. In einem Instagram-Post traten sie den Hass-Kommentaren bereits entgegen. Ist die Stimmung Ihnen gegenüber noch immer aufgeheizt?
Ich denke, dass man sich heutzutage immer zur Zielscheibe macht, wenn man versucht auf Missstände und Diskriminierung hinzuweisen, weil viele Menschen Angst davor haben in einer offenen Gesellschaft keinen Platz mehr zu haben, dabei ist das völliger Quatsch. Es vergeht keinen Tag ohne solche Kommentare, aber jemand meinte neulich zu mir, dass man erst, wenn die AfD einen öffentlich kritisiert, alles richtig macht. Ich versuche also auch dieser Sache etwas Gutes abzugewinnen. (lacht)
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Wer glaubt, die queere Community hätte in Deutschland alle, gar dieselben, Rechte, der irrt sich.
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Riccardo Simonetti
Am 18. Oktober erscheint ihr jüngstes Buch ‚Mama, ich bin schwul‘. Es ist ein ‚Plädoyer für mehr Toleranz und Offenheit‘, wie Penguin Random House mitteilt. Was prangern Sie an und was können Sie Menschen mit auf dem Weg geben, die sich outen wollen?
Es geht darum, wie es sich anfühlt, in einer Welt aufzuwachsen ohne die Identifikationsfiguren, die die Geschichten erzählen, die man selbst erlebt und wie sich das auf die Beziehungen zu seinen Eltern auswirkt. Auch wenn ich über mein Schwul-Sein schreibe, glaube ich, dass auch viele Menschen sich damit identifizieren können, die einfach das Gefühl haben anders zu sein – ganz egal in welcher Hinsicht. Es ist ein Buch über das Anderssein. Die Geschichte meiner Mutter und mir, die sich aber universell anwenden lässt.
Seit diesem Jahr sind Sie LGBT*-Sonderbotschafter des Europäischen Parlaments. Hat sich im Vorfeld der Bundestagswahl ihr Engagement gesteigert?
Nicht unbedingt gesteigert, aber man hört schon genau hin, was einem da versprochen wird, denn wer glaubt, die queere Community hätte in Deutschland alle, gar dieselben, Rechte, der irrt sich. Alleine das Transsexuellen Gesetz ist hochgradig diskriminierend und ich hoffe sehr, dass PolitikerInnen das endlich erkennen.
Ist ein Outing schon in frühen Jahren immer sinnvoll? Besteht in einer homophoben Familie nicht die Gefahr einer kompletten Ausgrenzung? Gibt es dafür Stellen, an die sich Teenager wenden können?
Ein Outing ist in erster Linie etwas, das man sich selbst eingestehen muss und dafür gibt es kein Rezept. Man ist niemandem ein Coming-out schuldig, auch seiner Familie nicht. Aber man lebt einfach selbstbestimmter, wenn man zumindest sich selbst gegenüber ehrlich ist. Auf der Seite meiner gemeinnützigen Organisation, ‚
Riccardo Simonetti-Initiative‘, unterstützen wir regelmäßig verschiedene andere Organisationen, die sich genau um so etwas kümmern – zum Beispiel die Organisation Anlaufstelle für Islam und Diversity.
Für ProSieben wagten Sie in der Show «Die Job-Touristen» den Blick in Berufe der Feuerwehr, der Hotellerie und bei der Polizei. Wo würden Sie sich am ehesten zurechtfinden?
Ich denke als Feuerwehrmann oder Polizist habe ich am meisten mit meinen moralischen Überzeugungen punkten können. Für mich persönlich auch unerwartet, aber hey – spannend, was man über sich selbst erfährt, wenn man aus seiner persönlichen Komfortzone heraustritt.
Beim Auftakt der neuen «Supertalent»-Staffel sitzen Sie als Gastjuror in der Jury. Haben Sie damit endgültig den Sprung auf die ganz große Fernsehbühne geschafft?
Ich liebe «Das Supertalent» und bin total dankbar, dass man mich gefragt hat dabei zu sein. Ich bin dankbar dafür, dass man mich hat sein lassen, wie ich wirklich bin. Das war eine wundervolle Erfahrung und es war toll zu sehen, wie aufgeregt meine Fans waren, als die News die Runde machte.
Primetime am Samstag, Bestseller-Autor, von ‚Forbes‘ wurden Sie zu den „30under30“ gewählt. Was ist die nächste Station von Riccardo Simonetti?
Ich würde gerne mehr Projekte im Ausland machen, habe aber auch das Gefühl in Deutschland gebraucht zu werden. (lacht) Geplant ist eine Menge und auch wenn ich mit meinem Team schon jetzt in Gedanken viele Dinge für 2022 bespreche, so arbeite ich momentan von Tag zu Tag und habe Spaß an den Projekten, die mich beschäftigen. Und wenn Corona uns eines beigebracht hat, dann ist es nicht zu viel im Voraus zu planen, sondern auch ab und zu mal innezuhalten und den Moment zu genießen!
Herr Simonetti, vielen Dank für das Gespräch!
Riccardo Simonetti ist am Samstag, 2. Oktober, um 20:15 Uhr neben Motsi Mabuse, Michael Michalsky und den Ehrlich Brothers als Gastjuror bei «Das Supertalent» bei RTL zu sehen.
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