Bild-Programmchef Claus Strunz verkündete kürzlich, dass Bild TV kein Nachrichtensender sei. Mit Blick auf das geplante Programm könnte das durchaus zutreffen. Eine Programmanalyse.
Der ehemalige Bundeskanzler Gerhard Schröder sagte einst: „Zum Regieren brauche ich Bild, BamS und Glotze.“
Auf dieses Zitat angesprochen erläuterte Bild-Chefredakteur Julian Reichelt (Bild) vor vier Jahren, im Vorfeld der Bundestagswahl, dass er „Glotze“ durch Social Media ersetzen würde, da dieses Medium zum Verteilen von Nachrichten und Meinungen das interessantere Medium geworden sei. Das war 2017. 2021 startet nun trotzdem ein linearer Fernseh-Sender von. Bild TV geht am 22. August an den Start und Bild Programm-Chef-Claus Strunz versprach kürzlich „eine neue Art von Fernsehen“. Den Verantwortlichen wird trotz der vermeintlichen Überholtheit des Fernsehens nicht entgangen sein, dass sich damit dennoch gut Geld verdienen lässt. Schließlich lassen sich die verbreitendenden Fernsehinhalte wunderbar in der täglichen Boulevard-Zeitung aufgreifen und erneut verkaufen. Dafür muss man dann noch nicht einmal das eigene Haus verlassen. Doch welche Inhalte sind eigentlich bei Bild TV zu sehen? Quotenmeter blickt auf das Fernsehprogramm der ersten Tage.
Strunz kündigte zuletzt in einem Interview mit ‚Meedia‘ an, man wolle kein Nachrichten-Sender sein, was nur auf den ersten Blick verwirrend für einen TV-Sender einer Zeitung anmutet. Man habe keine „Chronistenpflicht“, sondern wolle „die wichtigsten, berührendsten und schönsten Geschichten des Tages“ erzählen. Das heißt im Umkehrschluss: Haltungsjournalismus, wie man es von der ‚Bild‘ gewohnt ist, was Strunz schon Anfang Juli betonte: „24/7 live-haftiges TV, informations- und meinungsstark, mit exklusiven Nachrichten, die live zu Schlagzeilen werden.“ Wichtigstes Element ist dabei werktags das Live-Format
«Bild Live», das von 9:00 Uhr bis 14:00 Uhr über den Äther geschickt wird und in verschiedene Blöcke unterteilt ist. Übrigens: Gesamtverantwortlich für die journalistische Bereitstellung der Inhalte von «Bild Live» ist Julian Reichelt.
Fangen wir aber ganz von vorne an, beim Sendestart am 22. August um 9:00 Uhr. Zum Start des neuen Senders gibt es wie jeden Sonntagmorgen einen Fußball-Talk, in dem Walter M. Straten und Alfred Draxler die
«Lage der Liga» einordnen, so der Titel der einstündigen Sendung. Damit kommt Bild TV der Stammtisch-Konkurrenz von Sport1 zuvor, die den «Doppelpass» bekanntlich ab 11:00 Uhr auf Sendung schickt. Der Sonntag steht bei Bild TV ohnehin ganz im Zeichen des Fußballs, denn nach dem Talk gibt es mit
«Der Bayern-Insider» den nächsten Talk – nur eben eine Stunde lang, ausschließlich über den Münchner Dauermeister. Moderatorin Valentina Maceri und ‚Bild‘-Fußball-Chef Christian Falk sprechen über die alles rund um den FC Bayern München. Um 11:00 Uhr gibt es dann noch das Magazin
«InTORnational», in dem die wichtigsten Szenen aus Italien, Spanien, Frankreich und den Niederlanden präsentiert werden. Im Anschluss richtet sich der Blick in
«Super 2 – Die Kult-Liga» wieder nach Deutschland, Moderator Carli Underberg und Kommentator Conny Küpper geben die aktuellsten und wichtigsten News rund um die 2. Bundesliga.
Danach wird das Vormittagsprogramm bis einschließlich «InTORnational» noch einmal gezeigt. Daran anschließend das das tägliche Brot und Butter des „Nicht-Nachrichtensenders“: Dokumentationen. Am Nachmittag werden diese täglich ab 15 Uhr versendet, samstags gar den ganzen Tag, ohne ein einziges geplantes tagesaktuelles Nachrichten- oder Live-Format. Am Premierensonntag steht zunächst alles im Zeichen des Wetters, denn es wird dreimal die Doku-Serie
«World Wide Wetter» gezeigt, in der verschiedene Amateur-Aufnahmen besonderer Wetterphänomene unter die Lupe genommen werden. So geht es beispielsweise um Feuertornados oder den Horrorurlaub im Paradies. Ab 18:40 Uhr übernehmen dann
«Die Seenotretter», ein weiteres Reportage-Format, in dem die Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS) begleitet wird. Um 19:30 Uhr heißt es dann zweimal
«In Seenot», eine Doku über in Seenot geratene Schiffe, ehe um 21 Uhr ein Doku-Film über
«Das Bermuda-Dreieck» gezeigt wird. Alles Beiträge, die schon bei WELT und N24 Doku laufen. Die Lizenzierungskosten sind daher recht überschaubar.
Das eigentliche Herzstück des neuen Senders wird dann um 21:45 Uhr versendet, denn Bild TV geht mit dem Talk-Format
«Die richtigen Fragen» in Zukunft in direkte Konkurrenz zur ARD, wo bekanntlich «Anne Will» mit ihren Gästen diskutiert. Hier sprechen im Wechsel die Moderatoren Kai Weise, Paul Ronzheimer (Bild) und Claus Strunz mit ihren Gästen aus Politik beziehungsweise Experten über „Deutschlands wichtigste Themen“, wie es in der Programmvorschau heißt. Anders als im Ersten dauert diese Sendung dann sogar zwei Stunden und dürfte Woche für Woche für den größten Diskussionsstoff sorgen. Am ersten Sonntagabend gibt es statt einer regulären «Die riichtigen Fragen»-Sendung gleich eine
«Kanzlernacht», bei der sowohl Armin Laschet als auch Olaf Scholz interviewt werden. Mit einer Countdown-Show geht es bereits ab 19:30 Uhr los, danach folgt das 90-minütige Laschet-Interview, dem Paul Ronzheimer Fragen stellt, ehe Scholz von Kai Wiese interviewt wird. Ab 23:15 Uhr werden die beiden ausführlichen Gespräche dann einer Analyse utnerzogen. In der Nacht sind übrigens ebenfalls Dokus zu sehen, dann aber vermehrt über Sex-Themen, wie beispielsweise
«Let’s talk about Sex». In dem Format schauen sich Eltern und ihre Kinder frühere und aktuelle Aufklärungsvideos aus aller Welt an. Danach wird dann über den Akt gesprochen.
Die neue Woche startet immer um 8:00 Uhr mit dem ehemaligen Fußball-Kommentator Marcel Reif, der sich in seinem Talk-Format
«Reif ist live» zu Wort meldet und das Fußball-Wochenende zusammen mit Bild-Sport-Chef Matthias Brügelmann nochmals einordnet. Gleiches gilt auf für den Freitag, an dem Reif in seiner einstündigen Sendung die wichtigsten Themen der Woche bespricht. Nach der täglichen Dosis «Bild Live» gibt es die übliche Flut an Dokumentationen, wobei zunächst immer um 14 Uhr die Wiederholung von
«Bild Talk» gezeigt wird. Die Diskussionssendung bildet werktäglich eine Stunde lang das Programm zur besten Sendezeit. In der Woche vor der Bundestagswahl wird das Format dann in
«Viertel nach acht» umbenannt und soll „
das Gesprächsforum des Landes zu werden“, wenn es nach Strunz geht, wie er im ‚Meedia‘-Interview ankündigte. In jeder Sendung treffen „fünf Köpfe von Format“ aufeinander besprechen die Themen, „die sie heute am meisten bewegen“, erklärt Strunz das Konzept. Dabei bediene man sich aus einem Pool an Gesprächspartner, zu denen unter anderem Frank Thelen, Béla Anda und Patricia Riekel gehören und wenn es nach Strunz gehe, auch um Georg Kofler, Oliver Pocher und Thomas Gottschalk erweitert werden soll.
Boulevardeske Themen werden bei Bild TV ebenfalls nicht zu kurz kommen und so gibt es regelmäßig das Format
«Streit ums Geld», in dem verschiedene Stars, wie Johnny Depp oder Britney Spears, beleuchtet werden. Am Donnerstag, 26. August, gibt es außerdem die Reportage-Serie
«Joe Exotic: Neue Enthüllungen» über den im vergangenen Jahr zum Kult gewordenen Tiger King. Dienstags läuft unterdessen das Crime-Format
«Achtung Fahndung», bei dem „das Bild-CSI-Team mit Experten auf Verbrecherjagd geht und Deutschland sicherer macht“ – so zumindest der Programmtext.
Fazit: Bild TV wirkt wie ein Nachrichtensender, aber nur auf den ersten Blick, denn das eigentliche Nachrichtenprogramm findet sich erst einmal nur zwischen 9:00 und 14:00 Uhr in «Bild Live» wieder, was aber nur werktags ausgestrahlt wird. Samstags beispielsweise ist bislang keine einzige tagesaktuelle Nachrichtenschiene geplant. Wie das in Zukunft gehandhabt wird, bleibt eine ungeklärte Frage. Spannend dürfte auch sein, wie oft man tatsächlich das Programm unterbricht, um live aus dem Studio zu senden. Genug Möglichkeiten sind, schließlich besteht das Programm überwiegend aus Dokumentationen aus der Dose, die sich jederzeit unterbrechen und wiederholen lassen.
Es gibt 7 Kommentare zum Artikel
23.08.2021 13:47 Uhr 5
Der WDR hatte damals zuggeben, zu spät reagiert zu haben, dafür haben Sie ja die Tage darauf sehr viele Sondersendungen gemacht! Sogar an einem Abend nach dem Special der ARD selbst noch 1,5 Stunden danach eine Sondersendung gemacht!
24.08.2021 06:51 Uhr 6
Eigenen Content kreieren. Darum geht's bei dem Sender. Die Quoten sind egal. Der Testlauf online hat funktioniert. Bild lädt sich die Politiker ein, stellt Fragen, verwurstet es in Schrift online und in der Zeitung. Der perfekte Nachrichtenkreislauf. Habe ich zu wenig Nachrichten, kreiere ich einfach selbst welche.
Funktionierte schon gestern ganz gut. Da werden Analysen gemacht, wer sich wie oft verspricht, äh sagt oder wessen Hemd zu groß ist. Und die Dokus? Die gibt's doch im Paket von WELT und N24 Doku fast geschenkt.
25.08.2021 19:12 Uhr 7
Und das hat aber die Anwohner inweit geholfen?
Gar nicht stattdessen saufte die eigene Bude ab und Reporter sprangen wo es zu spät war dann Tage später wegen Sondersendungen im Weg herrum.
Wobei da auch Dokus von A&E und einem britischen Sender laufen. Aber ja. Hausinterne Dokus hat man genug.