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«Der Nackte Regisseur» – Der Meister der Perversion ist zurück

Als im Jahr 2019 die japanische Originalserie «The Naked Director» über den Pornoregisseur Toru Muranishi bei Netflix auf Sendung ging, avancierte diese auch außerhalb Japans zügig zum Geheimtipp.

Es dauerte daher nur wenige Tage nach Ausstrahlung, bis Netflix die Bestellung einer zweiten Staffel verkündete. Diese zweite Staffel wurde am 24. Juni 2021 fast klammheimlich international zur Verfügung gestellt. Es macht fast den Eindruck, als wäre Netflix im Jahr 2021 nur wenig daran interessiert, einer Serie über die Glorifizierung der japanischen Sexindustrie der 1980er und 1990er Jahre, die Frauen teilweise als Fließbandware deklariert, allzu viel Aufmerksamkeit zu schenken. Als semibiographisches, historisches Werk mit humoristischen Einlagen hat „Der Nackte Regisseur“ allerdings nicht nur für Japanfans einiges zu bieten. Schon in Staffel 1 konnte die Liebe zum Detail, mit der das Japan der 1980er Jahre rekonstruiert wurde, begeistern. Diese Liebe zum Detail spiegelt sich auch in den vielen „Ticks“ und Stereotypen wider, die westlichen Zuschauern insbesondere aus Ausschnitten durchgeknallter japanischer TV-Sendungen, Pornos und Gameshows bekannt sein dürften, getreu nach dem heute unter der jüngeren Generation häufig verwendeten Idiom „Never nuke a country twice“.

Der Aufstieg und Fall des kontroversen japanischen Pornoregisseurs Toru Muranishi, gefangen zwischen kreativem „Genie“ und der Gier nach mehr, wird von Takayuki Yamada (Toru Muranishi) auch in Staffel zwei hervorragend fortgesetzt. Der leichte Humor der ersten Staffel kommt in dieser Fortsetzung allerdings etwas zu kurz, diese wirkt deutlich ernster als der Erstling. Die typisch asiatischen Slapstickeinlagen halten sich aus westlicher Sicht glücklicherweise zudem stark in Grenzen. Während sich Staffel 1 noch dem kometenhaften Aufstieg des „visionären“ Regisseurs widmete, der jeglichen Widrigkeiten trotze, beschäftigt sich diese Fortsetzung mit der Frage, was nach dem Streben nach immer mehr unausweichlich folgen muss und wird zu einer Art «Breaking Bad» Fiebertraum, welcher die Schattenseiten des Regisseurs, der mit Pornographie die Welt verändern wollte, immer deutlicher in den Vordergrund rückt. Die Darstellung des „Emporer of Porn“ zwischen einst visionären Regisseur und kaltem, berechnendem Geschäftsmann ist hervorragend dargestellt. Auch der restliche Cast, der immer tiefer in den Sumpf zwischen moralischer Verwerflichkeit und innerlicher Abstumpfung getrieben wird, rundet das Gesamtbild überzeugend ab.

Letztlich gehen allerdings sowohl der Humor als auch der Schockwert, den Staffel 1 noch innehatte weitestgehend verloren, was Staffel 2 zwar immer noch zu einer gelungenen Fortsetzung macht, die allerdings die einsetzenden Abnutzungserscheinungen nicht verbergen kann. «Der Nackte Regisseur» ist zudem ein Paradebeispiel dafür, wie glücklich sich Deutschland über die im internationalen Vergleich hochwertige Synchronarbeit schätzen kann. Wer auf die englische Tonspur umschaltet, wird merken, wie lieblos der angloamerikanische Markt mit Synchronarbeit verfährt. Hier hat es nicht einmal für Lippensynchronität gereicht, weshalb es nicht verwundert, dass englischsprachige Zuschauer, die nicht willens sind, die Serie im Originalton mit Untertiteln zu schauen, schon der fürchterlichen englischen Synchronisation wegen genervt abschalten dürften.

Für Fans der ersten Staffel «Der Nackte Regisseur», ist auch diese Fortsetzung Pflichtprogramm, für alle anderen, die den äußerst expliziten Darstellungen nicht von vorneherein abgeneigt sind und sich für die Thematik interessieren, ist der Einstieg in Staffel 1 allemal eine Empfehlung wert.
04.07.2021 11:45 Uhr Kurz-URL: qmde.de/127875
Marc Schneider

super
schade


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Breaking Bad Der Nackte Regisseur

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