Die Suche nach einer Katze löst eine regelrechte Lawine tödlicher Ereignisse aus. Ereignisse, die niemand miteinander in Zusammenhang bringt. Außer Polizeioberkommissarin Bessie Eyckhoff, die durch ihre Suche die Ereignisse, irgendwie zumindest, auslöst.
Stab
REGIE: Oliver Haffner
DREHBUCH: Clemens Maria Schönborn
PRODUKTION: Hana Geißendörfer, Malte Can
MUSIK: Arash Safaian
KAMERA: Kaspar Kaven
SCHNITT: Anja Pohl
BESETZUNG: Verena Atenberger, Ilse Neubauer, Lilly Forgách, Ferdinand Dörfler, Stephan Zinner, Camill Jammal, Heinz-Josef Braun, Luna Jordan, Florian Karlheim, Valentino FortuzziUm diesen Text mit einem Spoiler zu beginnen: Am Ende dieser Episode wird die von Verena Altenberger dargestellte Polizeioberkommissarin einem jungen Mann, den sie in dieser Episode kennen- und schätzen lernt, erklären, dass ihre Zeit als Uniformträgerin bald vorbei sein und sie zur Kripo wechseln wird. Ein deutliches Anzeichen dafür, dass das ursprüngliche Konzept, die Hauptfigur als eine Art Springerin zu konzipieren, die in ganz verschiedenen Ermittlungsfeldern zum Einsatz kommt, nicht aufgegangen ist. Im ersten Spielfilm bekam sie erst einmal, wie sich das heute gehört, eine komplizierte Familiengeschichte verpasst (die in dieser Episode nicht einmal mehr in einem Nebensatz Erwähnung findet). Da man sich dafür entschied, einmal eine Hauptfigur zu kreieren, die nicht unter einer zynischen Sozialphobie leidet (wissen wir doch, die deutsche TV-Ermittlerin muss ein Mensch voller Abneigung gegen ihre Umwelt sein, traumatisiert, irgendwie aber auch unleidlich), musste sie zum Ausgleich im zweiten Film wenigstens ein paar emotionale Tiefschläge erleiden. Diese Tiefschläge finden in diesem Film aber irgendwie auch keine Erwähnung mehr. Und wo der zweite Spielfilm, Dominik Grafs «Polizeiruf 110: Die Lüge, die wir Zukunft nennen» eine ganz große Finanzmarktgeschichte über Insiderhandel an der Börse erzählte, darf sich der nunmehr dritte Fall der Polizistin aus München mit schnöder Gier im nachbarschaftlichen Milieu auseinandersetzen. Was nicht zu bemängeln ist. Im Gegenteil. Eigentlich ist schön einmal einen Sonntagskrimi zu sehen, der kein großes, gesellschaftlich relevantes Thema aufgreift, um dieses pädagogisch-wertvoll fürs deutsche Wohnzimmerpublikum aufzubereiten. Nein, dieser «Polizeiruf 110» widmet sich der schnöden Gier aus der Nachbarschaft. Ohne irgend einen Überbau, Unterbau oder Anbau. Und da die Hauptfigur einmal mehr ihren kriminalistischen Spürsinn beweisen darf, macht es Sinn, sie im kommenden, bereits abgedrehten vierten Spielfilm, in ein klar definiertes Umfeld zu versetzen, in dem sie eben diesen Spürsinn ohne Umwege ausleben darf. So zumindest wird es in diesem Film angedeutet.
Einem Film, der, wie eingangs erwähnt, so unspektakulär beginnt, wie ein Kriminalfilm beginnen kann: Nämlich tatsächlich mit der Suche nach einer Katze. Die gehört einer älteren Dame namens Schrödinger. Durch einen Zufall erfährt Bessie Eyckhoff vom Verschwinden des Tieres. Irgendwie tut ihr die alte, offensichtlich leicht demente Frau leid. Also hängt sie – ganz dem Motto „die Polizei, dein Freund und Helfer“ verpflichtet – einige Steckbriefe mit der Bitte auf, man möge sich bei der alten Dame melden, sollte jemand die Katze sehen.
Bessie Eyckhoffs Handeln gefällt Frau Schrödingers Haushaltshilfe, Frau Meyer, überhaupt nicht, denn die wartet seit Jahren darauf, dass Frau Schrödinger endlich den Weg allen Daseins geht. Da sie Frau Schrödingers Haushalt führt, hat sie Einblick in ihre Finanzen. Und die alte Dame mag nicht reich sein. Ganz unvermögend ist sie aber auch nicht. Ihre finanzielle Situation zumindest würde Frau Meyer und ihrem Mann ein hübsches Ruhekissen bereiten. Daher muss Frau Schrödinger weg - und um diesen Abgang zu beschleunigen, verabreicht ihr Frau Meyer seit einiger Zeit bereits nicht mehr ihre Herztabletten, sondern Bonbons. Leider aber wird durch die Katzensuche eine unglückliche Kette von Ereignissen angestoßen. Die Katze wird nämlich tatsächlich von einer jungen Skaterin gefunden – die aber für die Herausgabe des Tieres einen Finderlohn verlangt. Dem Frau Meyer zustimmt, damit die Geschichte mit der Katze vom Tisch kommt und diese Polizistin nicht ständig anklingelt. Leider weiß Herr Meyer nichts von dem Finderlohn (oder er will es nicht wissen), was dazu führt, dass es zwischen Herrn Meyer und der Finderin zu einem Streit kommt, der damit endet, dass die junge Frau auf der Motorhaube seines Autos ihr Leben aushaucht. Am Unfallort fällt Bessy Eyckhoff – sie gehört zu den Beamten, die den Unfallort sichern – ein einsamer Karton ins Auge, der die Kriminaltechniker nicht weiter interessiert, da er zu weit vom Ort des Geschehens entfernt liegt. Dieser Karton riecht nach Katzenurin. Was Bessy Eickhoff sehr irritierend findet.
Natürlich ist die Geschichte konstruiert. Aber da der Film all seine Zufälle immer wieder mit einem Augenzwinkern thematisiert, ist das nicht zu bemängeln. Der Titel «Schrödingers Katze» ist schließlich nicht zufällig gewählt, schließlich bezeichnet dieser Begriff ein
Gedankenexperiment, das ausdrücklich den Zufall als Lösung eines Problems nicht ausschließt. Eines Zufall, den Bessy in Person des Physikers Adam kennenlernt, der mit dem Fall an sich gar nichts zu tun hat, der aber über jenes Fachwissen verfügt, das den Zufall von einer wissenschaftlichen Seite aus zu erklären vermag. Oder auch nicht, denn der Zufall ist nun einmal oftmals eben nur das: Ein Zufall eben.
Das Spiel mit dem Zufall ist entsprechend reizvoll umgesetzt.
Zu den positiven Aspekten dieses Kriminalfilmes gehört darüber hinaus das bereits erwähnte Motiv der Frau Meyer als treibende Kraft. Ein Sonntagskrimi, der eine simple Geschichte der Gier erzählt? Das ist fast schon ein Experiment in diesen unseren Zeiten, das auf viele Fans der Sonntags-Reihen der ARD verstörend wirken mag. Dass die Story denn auch von Anfang an Täter- und Opferseite klar identifiziert, gehört gleichfalls zu den Stärken dieses Kriminalfilmes. Die Frage lautet eben nicht – wer ist der Täter? Die Frage lautet vielmehr: Wie kommt man ihnen wohl auf die Schliche?
Leider aber ist der «Polizeiruf 110» trotz der positiven Aspekte nur bedingt gelungen. Was ihm nämlich wirklich fehlt – das ist echte Spannung. Irgendwann nämlich beginnt sich die Story zu ziehen. Gerade weil von Anfang an bekannt ist, wer böse und wer gut ist, bräuchte es bedeutend mehr Wendungen, um nicht irgendwann das Gefühl aufkommen zu lassen: „Nun ist es aber mal gut, wir, die Zuschauer, wissen doch, wer was warum macht → nun kommt mal zum Ende.“ Leider aber stellt sich irgendwann genau dieses Gefühl ein und gerade zum Ende hin zieht sich die Inszenierung spürbar und hat schlichtweg Mühe, die 90 Minuten mit Handlung zu füllen. Das ist schade, denn die Grundidee dieses Kriminalfilmes ist und bleibt originell.
«Polizeiruf 110: Frau Schrödingers Katze» ist am Sonntag, den 20. Juni 2021, im Ersten zu sehen.
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