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Die Kritiker: «Love, Death & Robots» – Season 2

Die erste Staffel von «Love, Death & Robots» wirkte 2019 wie ein Schlag in die Magengrube. Mit der erzählerischen Wucht, mit der sich diese erste Staffel den Weg auf die Bildschirme erkämpft hat, dürfte kein Genre-Fan gerechnet haben. Gelingt es der zweiten Staffel diese Qualität zu halten?

Stab

IDEE: Tim Miller
EXECUTIVE PRODUCERS: Tim Miller, David Fincher, Jennifer Miller, Joshua Donen
STUDIOS: Atoll Studio, Passion Animated Studios, Blur Studio, Unit Image, Blink Industries, Axis Animation
REGIE: Robert Valley, Jennifer Yuh Nelson, Leon Berelle, Dominique Boidin, Remi Kozyra, Maxime Luere, Simon Otto, Meat Dept (Kevin Dan Ver Meiren, David Nicolas, Laurent Nicolas) ,
Elliot Dear, Alex Beaty, Tim Miller
LITERARISCHE VORLAGEN: Harlan Ellison, John Scalzy, Joe Lansdale, Joachim Heijndermans, J.G. Ballard, Paolo Bacigalupi, Neal Asher, Rich Larson
Die erste Staffel der Anthologie-Serie ließ Klassiker wie «The Twilight Zone» zahm erscheinen, irgendwie niedlich, putzig. Brutal, nachdenklich, komisch, hinterfotzig, krachend, scheppernd, leise kamen die insgesamt 18 von David Fincher und Tim Miller produzierten, animierten Geschichten des Weges. 18 Geschichten von unterschiedlichen Studios umgesetzt, was wiederum eine irrsinnige Bandbreite an visuellen Erlebnissen bot. Vom Games-Look bis hin zu eher cartoonesker Bildgestaltung reichte die Palette der Umsetzungen, inhaltlich bewegten sich die Geschichten irgendwo zwischen Scifi und Horror und erinnerten in ihren besten Momenten an die klassische, französische Comicreihe «Heavy Metal», die 1981 und 2000 selbst zwei filmische Inkarnationen erleben durfte.

Um eines vorweg zu nehmen: Die zweite Staffel erreicht diese Qualität nicht, bietet aber mit der Episode «Jäger und Gejagte» ein echtes Meisterwerk der Düsternis, dessen visuelle Gestaltung staunen lässt – auch, da diese nicht einmal im Ansatz versucht so zu tun, als würde sie etwas wirklich Eigenständiges erschaffen: Die Welt, in der sich die Hauptfigur Detective Briggs bewegt, ist eine fast 1:1-Kopie der Welt des ersten «Blade Runner»-Filmes (mit einem Hauch «Metropolis»), während Briggs selbst ist eine düstere Film Noir-Version von Harrison Fords Rick Deckard darstellt. Die handelnden Charaktere kommen echten Menschen in ihrer grafischen Gestaltung nahe und es lässt sich der Verdacht nicht aus dem Weg räumen, dass die 20 Prozent, die zu einer perfekten Imitation der Realität fehlen, absichtlich nicht umgesetzt worden sind, um eine Distanz zum Geschehen zuzulassen! Da ist etwa die Sängerin Alice, deren Gesicht zu schmal wirkt als dass es real sein könnte, während bei Figuren, die sich im Hintergrund bewegen, eine gewisse Schattenhaftigkeit gewollt ist, um den Comic-Charakter der Inszenierung (Regie: Jennifer Yuh Nelson) nicht in Frage zu stellen. Diese Distanz ist denn auch wichtig, denn die Geschichte entwirft ein an Düsternis kaum zu überbietendes Szenario, das in seiner kompakten Inszenierung mit einem Dampfhammer in die Magengrube des Betrachters fährt. Wie Rick Deckard ist auch Detective Briggs ein Jäger. Seine Beute aber sind keine Replikanten. Briggs wird gerufen, wenn es darum geht, Kinder aus dem Weg zu räumen. Denn Briggs Welt hat die Unsterblichkeit erlangt. Der Tod ist überwunden, die Welt ist ein Ort der unendlichen Möglichkeiten geworden. Ewige Jugend ist Realität, das Leben ist ein Fest – zumindest für die, die es sich leisten können. Wie eben die Sängerin Alice, die eine Affäre mit Briggs hat. Diese Welt hat nur ein Problem: Ihr Platz ist endlich. Es gibt für mehr Menschen als die, die da sind, einfach keinen Platz mehr. Daher ist das Zeugen eines Kindes eine Straftat. Dennoch tun dies manche Menschen und verstecken ihre Kinder vor der Außenwelt. Was selten gut geht und dann Männer wie Briggs auf den Plan ruft.

Nach seinem letzten Einsatz, mit dem die Episode beginnt, kommen in Briggs Zweifel an seinem Tun auf. Irgend etwas in dieser Welt stimmt überhaupt nicht. Aber Briggs lebt schon viel zu lange um zu verstehen, was diese Welt in Wahrheit zu einer Hölle macht.

Tim Miller, der als Regisseur seinen Durchbruch mit «Deadpool» erlebt hat, hat die Story erdacht, sein eigenes Effektstudio Blur hat sie visuell umgesetzt. Eine Story, nach der man erst einmal durchatmen und vielleicht sogar eine Pause einlegen muss, obschon sich die acht Geschichten der zweiten Staffel an einem Abend problemlos durchschauen lassen.

Einen überraschend humoresken Ton bietet die gerade einmal sechs Minuten lange Geschichte «Bescherung», deren Titel bereits erahnen lässt, zu welcher Jahreszeit sie wohl spielen mag und die im Grunde auf einen amüsanten Schlussgag hinausläuft und die Neugierde zweier, kleiner Kinder auf eine ungewöhnliche Art und Weise belohnt. Ebenso amüsant ist der Einstieg in die Serie: «Automatisierter Kundenservice» lautet der Titel der eher pixarmäßig animierten Shortstory über einen Amok laufenden Haushaltsputzroboter. Die Gag-Dichte ist hoch, allerdings fehlt es der auf einer Geschichte von John Scalzi basierenden Episode an echten Überraschungen. Eine überraschende Auflösung bietet die wiederum eher „real“ animierte Geschichte des Einsiedlers Snow, der auf einem Wüstenplaneten lebt und von Kopfgeldjägern gejagt wird. «Snow in der Wüste» beginnt als klassische Scifi-Outlaw-Story, um dann jedoch eine Wendung zu präsentieren, die zu einer Auflösung führt, die man so wahrlich zu Beginn der Episode nicht erwartet.

Tim Millers «Der ertrunkene Riese» ist eine elegische Erzählung über einen, nun ja, ertrunkenen Riesen, die jedoch eher einen in schöne Bilder verpackten Monolog über den Sinn des Lebens bietet als eine Spannungsgeschichte. Ist «Der ertrunkene Riese» eine Geschichte über den Sinn des Lebens für die Generation Fünf-Uhr-Tee, bietet «Eis» eine solche für die Generation Red Bull zum Frühstück: Auf einem fernen Eisplaneten wollen Jugendliche so genannte Eiswale beobachten. Das war die Handlung und ja, es geht um das Hinterfragen der eigenen Identität, das Leben und das ganze Drumherum. Allerdings auf eine sehr, sehr hektische Art und Weise.

Puren Horror im Stile einer Lovecraft-Kurzgeschichte bietet «Im Hohen Gras». Ein auf freier Strecke haltender Zug animiert einen Fahrgast dazu, sein Abteil zu verlassen, um sich draußen eine Zigarette anzustecken. Was immer auch passiert, warnt ihn der Schaffner: Er soll nicht ins hohe Gras gehen... Man ahnt, was geschieht. In einem stilvollen 30er-Jahre-Ambiente angesiedelt, ist «Im Hohen Gras» spannend, aber nicht wirklich überraschend.

Da ist es eher eine echte Überraschung, dass ausgerechnet die Verfilmung einer Harlan Ellison-Kurzgeschichte, «Rettungskapsel», ziemlich langweilig und frei von Wendungen des Weges kommt. Ein Astronaut, den es nach einer nicht näher benannten Schlacht auf einen unbewohnbaren Planeten verschlägt, muss sich in einer Rettungskapsel einer mörderischen KI erwehren. Das hat man 1000 Mal bereits gesehen und in den meisten Fällen auch spannender. Ellison, nicht weniger als ein Wegbereiter der modernen Scifi und in den 90ern Creative Consultant von J. Michael Straczynskis legendärer Scifi-Serie «Babylon 5», hat sicher einen Pool von Geschichten hinterlassen, die mehr Futter für eine Verfilmung hergegeben hätten.

Unterm Strich bietet «Love, Death & Robots» auch mit Staffel 2 unterhaltsames Augenfutter, «Jäger und Gejagte» dürfte gar die beste Episode der gesamten Serie darstellen: allerdings kann sie das durchweg hohe Niveau, das Staffel 1 vorgegeben hat, nicht über ihre gesamte Spielzeit halten beziehungsweise wiederholen. Dennoch darf man sich ohne Wenn und Aber auf die bereits in Produktion befindliche dritte Staffel freuen.



Die Vorbildfunktion des 1981 entstandenen Spielfilmes «Heavy Metal» ist nicht zu übersehen:



«Love, Death & Robots» ist eine Netflix-Produktion und entsprechen im Stream auf Netflix zu sehen.
11.06.2021 12:35 Uhr Kurz-URL: qmde.de/127333
Christian Lukas

super
schade


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The Twilight Zone Heavy Metal Jäger und Gejagte Blade Runner Metropolis Deadpool Bescherung Automatisierter Kundenservice Snow in der Wüste Der ertrunkene Riese Eis Im Hohen Gras Rettungskapsel Babylon 5 Love Death & Robots

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Es gibt 4 Kommentare zum Artikel
Vittel
11.06.2021 14:19 Uhr 2
Die Kritik trifft es auf den Punkt. Staffel 2 ist unterhaltsam und aufgrund der wenigen Folgen noch schneller weggeschaut als die erste Staffel.



Es fehlt ihr aber definitiv an Folgen, die entweder künstlerisch bzw. in der Bildsprache oder inhaltlich herausragen. Aber man sollte da nicht zu hart ins Gericht gehen, nach absoluten Meisterwerken ist die Rückkehr in die gute bis sehr gute Normalität immer schwer.
AlphaOrange
11.06.2021 14:31 Uhr 3
"The Drowned Giant" ist großartig und einzigartig. Ansonsten fehlt es doch oft an Eigenständigkeit.

Ich hätte aber auch Staffel 1 jetzt keine "erzählerischen Wucht" bescheinigt. Das scheint mir bei einer Serie, die viele Vignetten mit Minimalstory, mehrere Humorfolgen und viele offensichtliche Tech-POCs beinhaltet doch einige Nummern zu hoch gegriffen. Ich erinnere mich spontan an keine einzige Folge mehr, die mich erzählerisch umgehauen hätte.
Nr27
11.06.2021 19:47 Uhr 4
Ich habe von vielen gehört, daß sie die zweite Staffel deutlich schwächer finden, aber ehrlich gesagt gefiel sie mir mindestens genauso gut wie die erste. Es stimmt schon, es fehlt ein bißchen ein wirklich herausragendes Highlight, aber dafür gibt es auch keine Rohrkrepierer (und davon hatte Staffel 1 IMHO ein paar zu bieten). Das durchschnittliche Niveau finde ich daher sehr ansprechend und freue mich schon auf die dritte Staffel.
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