Eine kalifornische Familie flieht vor dem Gesetz, weil Kapitalismus, Geheimdienste und Konsumverachtung. Leider wird dieser Mischmasch in der neuen Serie von Apple nie wesentlich konkreter.
Stab
Darsteller: Justin Theroux, Melissa George, Logan Polish, Gabriel Bateman
Basierend auf dem Buch "The Mosquito Coast" von Paul Theroux
Entwickelt als Serie von Neil Cross und Tom Bissell
Regie: Rupert WyattSechs Identitäten in neun Jahren hat die Familie Fox hinter sich. Und jetzt sind sie wieder aufgeflogen. Welche Unachtsamkeit dafür verantwortlich war, weiß man nicht: Vielleicht das Telefonat von Mutter Margot mit ihren Eltern am anderen Ende Amerikas, vielleicht die Tatsache, dass Tochter Dina heimlich ein Klapphandy versteckt hatte und damit regelmäßig mit ihrem Freund Josh telefonierte.
Aber Familienoberhaupt Allie, wegen dessen merkwürdiger Verbindung zu amerikanischen Regierungsbehörden der Clan überhaupt seit Jahren undercover lebt, ist kein Mann der Schuldzuweisungen, sondern ein Mann des Handelns und hat entsprechend vorgesorgt. Wichtige Taschen sind gepackt, die Autos sind betankt und mit so manchen Hindernissen für die herannahenden Polizeifahrzeuge bestückt.
Jetzt will sich die Familie nach Mexiko durchschlagen, zu einem wundersamen Zufluchtsort, das ein alter Weggefährte von Allie irgendwo an der Küste aufgebaut haben soll, wo gesuchte Staatsfeinde und Spinner untergekommen sind. Dass die Grenze zwischen Genie, Wahnsinn und Geldnot nicht immer eindeutig zu ziehen ist, wird an Allie schon in der ersten Folge deutlich: Er ist ein brillanter Erfinder, konnte seine genialen Ideen aber nie zu Geld machen. Seine moralische Kompromisslosigkeit – insbesondere seine Verachtung für die amerikanische Lebensweise des permanenten Konsums und der menschlichen Verwerfungen, die der Kapitalismus mit sich bringt – führt dabei zwangsläufig zu selbstgefälliger Hochmut, die seine Ehefrau Margot nur auf den ersten Blick nicht zu erkennen vermag.
Während zahlreiche Passagen um die waghalsigen Fluchtmanöver durchaus für sich genommen zu gefallen wissen, tut sich die Serie umso schwerer, wenn sie das Weltbild ihrer Hauptfiguren in gehaltvoller Weise verhandeln will. Allies Beef mit der amerikanischen Regierung und Lebensart wird stets im Vagen gelassen und auf die bekannten antikapitalistischen Sprechchöre reduziert – vielleicht, weil man damit umso mehr Interpretationsräume offen lässt. Dass Margot erst spät im Handlungsverlauf Konsequenzen zieht und hinterfragt, ob sie wirklich Wohl und Wehe ihrer Familie an das inhaltsleere Gelaber ihres Mannes knüpfen will, wirkt dann gleichermaßen unglaubwürdig und inhaltlich unpassend.
Mit ähnlichen Problemen kämpfen auch die beiden Teenagerkinder des Aussteigerpaares, die als Kanonenfutter für mexikanische Drogenkartelle oder zwielichtige Kojoten herhalten müssen, wenn sie nicht gerade durch Dummheit oder jugendlichen Sturm und Drang die Fluchtpläne ihrer Eltern durchkreuzen.
Man hat das alles schon gesehen, und vielfach eben besser. Dabei ist an «The Mosquito Coast» schier überraschend, wie dezidiert wenig die Serie aus den spannenden Aspekten ihres Formatskonzepts machen will. Der macgyverige Erfinder kommt nur in der allerersten (toll inszenierten) Szene wirklich zur Geltung, der sozialkritische Ansatz belässt es bei Plattitüden und wird nie mit Leben gefüllt. Und auch der spannende Genrekniff, dass wir hier einmal mit Menschen auf der Flucht vor dem Gesetz sympathisieren sollen und nicht mit den Polizisten, die ihnen nachsetzen, verpufft leider vollends. Ein Tipp für’s Wochenende: Lieber noch mal «Thelma & Louise» gucken – ein Film, bei dem auch die penetrante Heulsuse Allie viel lernen könnte. Von den Eiern von Geena Davis und Susan Sarandon kann der nämlich nur träumen.
Die Serie «The Mosquito Coast» ist bei AppleTV+ zu sehen.
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30.04.2021 23:15 Uhr 1