Was passiert, wenn eine Gruppe jugendlicher Straftäter in den Alpen plötzlich abgeschnitten von der restlichen Gesellschaft nach ihren eigenen Regeln zusammenleben muss?
Mit dieser Frage beschäftigt sich die neue MagentaTV Serie «Wild Republic». «Lost», nur nicht auf einer paradiesisch wirkenden Insel, sondern in den Alpen und statt einer bunt gemischten Schar von Menschen aus verschiedenen Regionen und Kulturen der Welt, treffen wir hier auf eine Ansammlung jugendlicher Straftäter. So oder so ähnlich könnte man die neueste Koproduktion zwischen den öffentlich-rechtlichen Sendern ARTE, WDR, SWR, ONE und dem Streamingservice MagentaTV der deutschen Telekom in einem Satz zusammenfassen.
Der Psychologe Lars Sellien (Franz Hartwig) vertritt in seinem Buch „Strafe? Neue Wege der Erziehung“ die Auffassung, dass die klassische, altbewährte Bestrafung des Gefängnisaufenthalts für junge Straftäter eine überholte Art der Resozialisierung darstellt, die meist nicht funktioniert. Stattdessen möchte er mit sogenannten pädagogischen Erlebnistouren ein Aufbrechen wiederkehrender Denk- und Handlungsmuster erreichen, die zu einer nachhaltigen Resozialisation gerade von noch jungen, straffällig geworden Menschen führen sollen. Noch während Sellien in einer Talkshow diese Thesen erläutert und vertritt, zeigt die Kamera parallel eine Gruppe Jugendlicher, mit einigen wenigen Aufsichtspersonen, am Fuß der Alpen, die seine Thesen offensichtlich auf den Prüfstand stellen sollen. Relativ schnell wird dem Zuschauer allerdings klar, dass das eigentliche Experiment zum Scheitern verdammt ist: Einer der Aufseher wird ermordet, aus Angst vor Repressalien fliehen die Jugendlichen in die Wälder und sind fortan auf sich gestellt, das eigentliche Sozialexperiment beginnt.
Die Idee eine Gruppe von Kriminellen mit nur ein paar wenigen Aufsehern fernab der Zivilisation in den Alpen abzuladen, mag initial irgendwo zwischen konstruiert und schwachsinnig erscheinen. Die Umsetzung der Idee kann aber überraschenderweise an vielen Stellen überzeugen. Zu verdanken ist dies einerseits der Kameraarbeit von Christian Stangassinger («Barbaren»), der die Schönheit der Alpenlandschaft in einer Breite einfängt, wie man es eher aus Naturdokumentationen kennt, gleichzeitig aber auch für beklemmende Charaktermomente zu sorgen weiß. Andererseits ist das Schauspielensemble hervorragend gecastet worden, die perspektivlose Gruppe von Charakteren zwischen Gewaltverbrechern, Drogen und Prostitution, für die man nur allzu selten so etwas wie Sympathie empfinden kann, nimmt man dem Cast voll und ganz ab.
Anhand von Flashbacks wird die Hintergrundgeschichte der Teenager beleuchtet, ein Kniff der Fans von «Lost» ebenfalls bekannt sein dürfte. Rückblenden mögen zwar wichtige Informationen darüber vermitteln, wie es die einzelnen handlungstragenden Personen überhaupt erst in diese prekäre Lage geschafft haben, wirken hier allerdings sehr konstruiert und sorgen aufgrund der Naivität einiger Protagonisten teilweise auch für einiges Stirnrunzeln.
Natürlich ist die Geschichte, die «Wild Republic» erzählt insgesamt nicht sonderlich originell und bietet letztlich eine Art Mischung aus «Lost» und «The 100» abzüglich der Sci-Fi-Elemente. Aufgrund der stets hochgehaltenen Spannungskurve, der überzeugenden Schauspieler und der wertigen Kameraarbeit, animiert die Serie allerdings zum Dranbleiben und versprüht ein internationales Flair, wie es glücklicherweise in den vergangenen Jahren mit Serien wie «Dark» oder «Babylon Berlin» immer mehr deutschen Produktionen gelingt.
Die ersten beiden Folgen von «Wild Republic» sind seit dem 15.04.2021 bei MagentaTV abrufbar.
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