Die Musiker Olli Schulz und Fynn Kliemann haben nach Gunter Gabriels Tod sein altes Hausboot gekauft. Netflix begleitete die Renovierungsarbeiten.
Die meisten Game-Shows funktionieren nach dem Prinzip, dass das Publikum mit den Kandidaten mitfiebert, die am Schluss hoffentlich mit einem Riesenbatzen Geld aus der Sendung gehen. So gesehen, ist die vierteilige Netflix-Doku «Das Hausboot» genau umgekehrt angelegt: Man sieht den Musikern (und eigentlich Gesamtkunstwerken) Olli Schulz und Fynn Kliemann buchstäblich beim Geldversenken zu.
Kurz nach dem Tod des Country-und-Maloche-Musikers Gunter Gabriel haben es sich die zwei durch ein Zusammenwirken verschiedener Zufälle in den Kopf gesetzt, der Erbin für 20.000 Euro sein altes Hausboot abzukaufen. Im Glauben, daraus mit ein paar kosmetischen Renovierungsarbeiten – hier und da eine Wand raus, dort einen neuen Boden verlegen und das Ganze hübsch anstreichen – einen hippen Rückzugsort für schräge Hamburger Künstler zu machen.
Denkste.
Denn statt einer größeren Abrissparty mit bierseligen Freunden und ein paar Malerarbeiten stand die Totalentkernung des kaum noch seetauglichen alten Kahns an, von dem am Schluss – Spoilerwarnung – so gut wie nichts mehr übrig blieb. Das zehrte an Olli Schulz‘ Geldbeutel (der, vielleicht auch nur aus Show, den Wunsch der Arbeiter, pünktlich bezahlt zu werden, nicht immer völlig nachzuvollziehen schien) wie an Fynn Kliemanns‘ Nerven, und war auch für die Zuschauer leider nur mäßig unterhaltsam.
Denn dieses Format hat sein erzählerisches Kernelement – zwei schräge Bohème-Vögel übernehmen sich mit einem Kutter und müssen dann schauen, wie sie damit zurechtkommen – nie völlig ausspielen können. Zum Einen, weil man sich zu sehr auf die bekannte „Coolness“ der zwei „hippen“ Typen verlässt, die sich mit geschliffenen Instagram-Storys profilieren und vor laufender Kamera in bekannter Joko-und-Klaas-Manier keine Gelegenheit auslassen, verbal aufeinander loszugehen, was zumindest nach einiger Weile nur noch mäßig unterhält. Zum anderen, weil im Zweifel immer eine einfache Möglichkeit greifbar ist, mit der sich jedes Problem lösen lässt: Olli Schulz‘ Bankkonto – und wenn selbst das nicht mehr reichen sollte, die tiefen Taschen von Netflix. Da kann Fynn Kiemanns noch so oft einen Nervenzusammenbruch vor den Kalkulationen an seinem Laptop erleiden und Olli Schulz noch so oft auf seine „begrenzten“ Rücklagen verweisen: Für einen Streaming-Giganten, der sich entschied, diese beiden Namen zu verpflichten, sind selbst die exorbitantesten Bootsrestaurierungskosten Peanuts. Kaum vorstellbar, dass der Streamer dieses Projekt hätte baden gehen lassen.
Nicht zuletzt dadurch fehlt es an der notwendigen Fallhöhe, um als Zuschauer mitfiebern zu können, ob das Projekt schließlich zum Abschluss kommt. Denn die Späße und Frotzeleien der beiden Musiker reichen leider nicht, um das Publikum an das Format zu binden. Und so hätte man eigentlich genauso gut Tine Wittler durch den verrosteten Kahn jagen können.
«Das Hausboot» ist bei Netflix zu sehen.
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