Die NDR-Redaktion «STRG_F» deckte nicht authentische Szenen auf, die Situationen zeigen, die nachgestellt und inszeniert sind. Zahlreiche Protagonisten spielen eine Rolle und erzählen nicht ihre persönlichen Erfahrungen.
Der Kino-Dokumentarfilm
«Lovemobil» ist weltweit auf Festivals gelaufen, wurde 2020 mit dem Deutschen Dokumentarfilmpreis ausgezeichnet und ist für den Grimme Preis nominiert. Finanziert wurde der Film von der Nordmedia Filmförderung und die NDR Dokumentarfilmredaktion war als Koproduzent beteiligt. So viel sei vorweg gesagt. Brisant wird das Thema nämlich erst jetzt: Denn der NDR distanziert sich nun in einer Mitteilung von «Lovemobil». Dort heißt es, dass der „Film zwar auf Basis von langjährigen Recherchen der Autorin“ entstanden sei, jedoch „zentrale Protagonist*innen des Films schildern nicht ihre persönlichen Erfahrungen, sondern spielen eine Rolle. Zahlreiche Situationen sind nachgestellt oder inszeniert.“
Der Auslöser für diese Stellungnahme waren Recherchen des NDR-Formats «STRG_F», das Informationen aus dem Umfeld der Produktion bekommen hatte und bei Nachforschungen auf Unstimmigkeiten stieß. Die Autorin der Doku Elke Margarete Lehrenkrauss räumte gegenüber der «STRG_F»-Redaktion in einem Interview ein, dass sie es versäumt habe, den NDR über die Inszenierungen zu informieren. Sie bereue das und behauptet zugleich, der NDR haben nicht nachgefragt. Sie verteidigte ihre Vorgehensweise: „Ich kann mir auf jeden Fall nicht vorwerfen, die Realität verfälscht zu haben, weil diese Realität, die ich in dem Film geschaffen habe, ist eine viel authentischere Realität.“
Der Film schildert das Leben von Prostituierten, die unter entwürdigenden Umständen in Wohnmobilen am Rande von Bundesstraßen in Niedersachsen arbeiten. Elke Margarete Lehrenkrauss räumte unter anderem ein, dass sie unter anderem Bekannte als Darsteller eingesetzt hat. So ist beispielsweise die Prostituierte „Rita“ gar keine Prostituierte. Laut Lehrenkrauss soll „Rita" Geschichten von anderen Prostituierten nachgespielt haben.
In der Mitteilung räumt der NDR nun zwar ein, dass man den Film redaktionell begleitet und abgenommen habe, stellte allerdings auch klar, dass die Redaktion „während der mehrjährigen Produktionszeit zu keinem Zeitpunkt über die Inszenierung informiert worden“ sei. Die NDR Dokumentarfilmredaktion weist den Vorwurf von Elke Margarete Lehrenkrauss zurück, keine Nachfragen zur Authentizität gestellt zu haben. Der NDR steht mit der Aufklärung des Vorfalls noch am Anfang. Frank Beckmann, Programmdirektion Fernsehen, äußert sich über den Vorfall: „Der Film «Lovemobil» entspricht nicht den Standards, die der NDR an dokumentarisches Erzählen anlegt. Er gaukelt dem Publikum eine Authentizität vor, die er nicht hat. Journalist*innen des NDR haben aufgedeckt, dass weite Teile des Films frei inszeniert wurden. Der NDR wird den Sachverhalt in seinen Programmen transparent machen und unabhängig berichten. Wir müssen neben der vollständigen Aufklärung noch bessere Wege finden, wie wir uns vor solchen Irreführungen schützen können.“
Damit möchte der NDR den Ruf des hoch angesehenen Genres Dokumentarfilm schützen, da man selbst jahrelanger Förderer des Segments ist. Zum fördert man sogenannte Dokudramas, eine Verbindung aus dokumentarischen und szenischen Elementen. Entscheidend ist hierbei die saubere Trennung zwischen Fiktion und Wahrheit. Der NDR wird den Fall im eigenen Programm (Hörfunk und Fernsehen) transparent machen und die Berichterstattung auf ndr.de dokumentieren. Im NDR Fernsehen berichtet das Kulturjournal am Montag, 22. März, um 22:45 Uhr. Das investigative Reportageformat «STRG_F» (NDR für funk) wird am Dienstag, 23. März, um 17 Uhr, auf dem Youtube-Kanal von «STRG_F» berichten. Ebenfalls am Dienstag wird das Thema bei «Panorama 3» im NDR Fernsehen um 21:15 Uhr aufgegriffen. Der Film «Lovemobil» wurde vorerst aus der ARD Mediathek genommen und für Wiederholungen gesperrt.
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