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Petra Schmidt-Schaller: ‚Die Grausamkeit entsteht ja erst beim Schnitt‘

Die Schauspielerin Schmidt-Schaller sagte dies über die gedrehte Vergewaltigungsszene bei der ARD-Miniserie «Die Toten von Marnow». Am Set hatte man viel Spaß, obwohl das Thema sehr erdrückend ist.

Im idyllischen Marnow treibt ein Serienmörder sein Unwesen. Kommissarin Lona Mendt (Petra Schmidt-Schaller) und ihr Kollege Frank Elling (Sascha Gersak) stechen mit ihren Ermittlungen in ein Wespennest. Es geht um einen Skandal zu DDR-Zeiten, in dem nicht nur die Stasi und Geheimdienste verwickelt waren, sondern auch die westdeutsche Pharmaindustrie. «Die Toten von Marnow» (ab 13. März um 20.15 Uhr im Ersten) ist ein schauriger Krimi, für den Petra Schmidt-Schaller (40) einiges aushalten musste.

Schon in sechs «Tatort»-Folgen des NDR spielte sie eine Ermittlerin, aber sie meistert auch ganz andere Rollen wie sie in Kinofilmen wie «Reine Formsache» oder «Ein fliehendes Pferd» beweisen konnte. Für «Ich war eine glückliche Frau» und «Kein zweite Chance» wurde die in Magdeburg geborene Schauspielerin mit Wohnsitz in Berlin mit der Goldenen Kamera ausgezeichnet. Sie ist mit dem Schauspieler Thomas Fränzel verheiratet, mit dem sie eine Tochter hat. Wir sprachen mit ihr über Karriere, Krisen und Corona.

Bei einer solchen gruseligen Geschichte wie «Die Toten von Marnow» müssen Sie schon doch während des Drehs ziemliche Alpträume gehabt haben…
Sie werden es nicht glauben, aber ich hatte gar keine Alpträume (lacht). Dadurch, dass ich fasziniert bin von der Arbeit der SFXler, die unter anderem den Dummy für die Leichen gebaut haben, und mir das millimetergenau genau angeschaut habe, konnte ich ganz anders an die Dinge rangehen.

Es hilft also schon, wenn man weiß, wie so etwas beim Film gemacht wird?
Ja, sehr! Es kommt immer auf die Einstellung an, wie an Sachen rangeht. Hätte ich den Dummy nicht zuvor gesehen und Angst davor gehabt, wäre er vielleicht auch in meinen Alpträumen vorgekommen.

Sind Sie generell hart in nehmen und können sich jeder Horrorfilm ansehen?
Überhaupt nicht! Eigentlich müsste ich ja tiefenentspannt davorsitzen und mir sagen, dass alles nur getrickst ist. Aber ich bin jemand, der sich immer wieder emotional mitnehmen lässt und es kaum aushält, wenn jemand einen langen Gang langgeht und dann auch noch spannungsgeladene Musik dazukommt.

Wie ist es mit eigenen Filmen? Würden Sie sich bei «Die Toten von Marnow» ebenfalls gruseln?
Da nicht, weil ich ja weiß, wie alles gelaufen ist (lacht).

Nichtsdestotrotz: Wie schwer ist Ihnen die Vergewaltigungsszene gefallen?
Auch die wurde genau durchexerziert. Jörg Schüttauf hatte große Bedenken vor dieser Szene. Ich sagte dann: ‚Komm‘, wir machen das jetzt.‘ Wir sind dann Stück für Stück durch wie es zuvor abgesprochen war. Die Grausamkeit entsteht ja erst beim Schnitt, wogegen wir beim Drehen sogar viel gelacht hat.

Im Film geht es auch um einen auf Wahrheiten basierenden Skandal zu DDR-Zeiten, in dem nicht nur die Stasi und Geheimdienste verwickelt waren, sondern auch Pharmakonzerne aus dem Westen…
Den Fall, wie im Film geschildert, hat es so nicht gegeben, aber diesen Medikamentenskandal deutsch-deutscher Geschichte hat es leider wirklich so gegeben. Das zog auch internationale Kreise, unter anderem haben auch Frankreich und die USA DDR-Bürger unwissentlich für Medikamenten-Experimente missbraucht.

Macht Sie das wütend?
Es macht mich wütend, aber nicht, weil ich ursprünglich in der DDR geboren bin, sondern weil es einfach eine universelle Ungerechtigkeit berührt. Es macht mich genauso wütend, wenn ich höre, dass irgendein Pharmakonzern heutzutage in einem Entwicklungsland illegal testet. Ich würde mir wünschen, dass Menschen in wichtigen Positionen nochmals nachdenken, bevor sie handeln. Denn jeder Mensch spürt seine Menschenwürde, wenn sie menschenwürdig handeln.

Das führt uns ja direkt zu dem großen Thema Impfung. Können Sie die Bedenken mancher Leute nachempfinden?
Natürlich, das berührt ja eine Urangst in uns. Wenn wir etwas zu uns nehmen, wollen wir doch wissen, ob es gut für uns ist. Sobald der leiseste Zweifel aufkommt, überlegt man meistens nochmal, ob man zugreift. Das kann man auf viele Themen übertragen, eben auch auf die Impfung. Dennoch wir gehen jetzt durch einen Testdurchlauf, weil es auch nicht anders geht. Es herrscht eine Pandemie, auf die wir nicht vorbereitet waren.

Würden Sie sich impfen lassen?
Sagen wir mal so: Mir kommt es ganz gelegen, dass ich altersmäßig noch nicht an der Reihe bin. Bei mir erzeugt es durchaus Unsicherheit und momentan bin ich noch am überlegen.

Wie kommen Sie generell mit der Krise klar?
Bei mir ist es ein bisschen anders, weil ich ein Jahr lang nicht gearbeitet habe. Ich habe erst vor vier Wochen wieder angefangen und merke, wie ich mich freue, dass ich wieder in diesem Beruf arbeiten darf.

Warum haben Sie ein Jahr pausiert?
Das hatte wirklich mit Corona zu tun. Im ersten Lockdown wurde wahnsinnig viel verschoben. Danach hatte sich nichts ergeben, sondern erst jetzt, sodass ich sagen konnte, jetzt starte ich wieder los. Das war aber dennoch spannend, weil sich aus dem Nichts viel Neues ergeben hat.

Inwiefern?
Ich bin nicht auf der Couch vor mich hinvegetiert, sondern es war sehr schön zu merken, was ist, wenn der Beruf, den man so sehr liebt, nicht mehr da ist. Es geht dann trotzdem weiter, und das war für mich eine sehr wichtige Erfahrung. Trotzdem ist es toll jetzt wieder zurück zu sein (lacht freudig).

Hatten Sie in dieser Zeit keine Existenzängste?
Zum Glück hatte ich gut vorgesorgt, weil ich mich immer gefragt habe, was ist, wenn ich mal keine Angebote bekomme. Davor hatte ich immer Angst, weshalb ich mir einen kleinen Puffer angelegt habe, und von dem habe ich dann gelebt.

Sie haben auch eine Tochter. Wie kommt sie mit der Situation zurecht?
Mit neun Jahren ist sie jetzt so groß, dass sie mir auch den Raum gibt, mich neben Home-Schooling auch auf andere Dinge konzentrieren zu können. Natürlich stellt uns das alle vor einer großen Herausforderung. An manchen Tagen denke ich auch: ‚Ich habe so viel zu tun, wie kann ich meiner Tochter da noch gerecht werden?‘ Von der Stimmung her haben wir es aber noch ganz toll. Ich kenne Freunde, die da ganz anders sprechen.

Sie entstammen einer Schauspielfamilie. War es damit vorbestimmt, beruflich in die gleiche Richtung zu gehen?
Bis zu meinem Austauschjahr in den USA wollte ich diesen Beruf ja gar nicht ergreifen. Aber auf dieser Highschool gab es einen ganz tollen Schauspiellehrer. Der hat das so toll gemacht, dass ich mich plötzlich regelrecht in die Schauspielerei verliebt habe. Das ist dann geblieben.

Was wollten Sie ursprünglich werden?
Also davor wollte ich Animationszeichnerin werden. Ich habe meiner Schwiegermutter auch schon mal mit Illustrationen für ein in Erfurt aufgeführtes Kindermusical ausgeholfen. Ich würde aber nicht sagen, dass ich mein Talent weiter gepflegt habe, aber ich male und zeichne immer noch gern.

Warum hatten Sie anfangs eine Abwehr gegen die Schauspielerei?
Ich glaube, weil ich nur die Hülle kennengelernt habe. Ich habe immer meine Eltern zu Hause erlebt, wie sie diskutieren und schimpfen, was alles nicht so gut läuft. Mir war das alles zu laut und zu doof. Ich selbst unterhalte mich zu Hause nicht so aufbrausend über den Beruf, aber da müsste mich jetzt meine Tochter spiegeln.

Zum Schluss müssen Sie uns noch erzählen, wie Sie von Ihrer Geburtsstadt Magdeburg nach Berlin, Prenzlauer Berg gekommen sind…
Wahrscheinlich in einer kleinen Babyschale (lacht). Meine Mutter war in Magdeburg noch am Theater gewesen und hat mich dort dann auch auf die Welt gebracht. Nach einigen Monaten ist sie mit mir dann nach Berlin gezogen. Mit 18 war ich noch einmal in Magdeburg und habe den Dom gesehen, seither aber nicht mehr.

Das heißt, Sie fühlen sich eher als Berlinerin?
Magdeburg ist meine Geburtsstadt, aber meine Heimat ist Berlin. Meine Freunde und meine Familie sind hier, und ich bin ein Mensch, der seine Leute braucht. Früher mochte ich auch das anonyme Großstadtleben. Das brauche ich heute nicht mehr. Inzwischen leben wir am nördlichen Stadtrand, wo es ganz viel Natur gibt. Genau richtig für uns alle.

Vielen Dank für das offene Gespräch!
11.03.2021 10:47 Uhr Kurz-URL: qmde.de/125421
Markus Tschiedert

super
schade

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Tags

Die Toten von Marnow Tatort Reine Formsache Ein fliehendes Pferd Ich war eine glückliche Frau Kein zweite Chance

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Es gibt 1 Kommentar zum Artikel
Sentinel2003
11.03.2021 23:02 Uhr 1
Sehr schönes Interview!!
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