Anmerkungen zum Staffelstart von «Germany's Next Topmodel».
Die Nicht-Alm-Heide ist wieder da! Diesmal im Home-Office, was bedeutet: Corona-bedingt findet die 16. Staffel von
«Germany's Next Topmodel» rein in Berlin statt. Die Fragen aller Fragen: Wer folgt auf 2020-Siegerin Jacqueline „Jacky Wruck? Und: Warum schalten das immer wieder so viele Leute ein?
Frau Klum, frisch aus dem eigenen Jungbrunnen gestiegen, präsentiert zunächst ganz in Rot ein neues Logo und dann so nach und nach die 31 Kandidatinnen, die aus Weltstädten wie Hamburg, Berlin, München oder Wien kommen, aber auch aus Solingen, Oer-Erkenschwick, Rheda-Wiedenbrück oder Bitterfeld-Wolfen. Nach drei Minuten stolpert die erste in einem Trailer von der Treppe, stürzt die zweite auf glattem Eis, zieht die dritte ein Hund von einem roten Teppich und wird die vierte heulend abgeführt. Willkommen im Model-Schlaraffenland!
Die frühe Ankündigung, dass es heuer einen Nacktwalk geben wird, hält die männlichen Zuschauer bei Laune. Warum dann zu Angela Merkel auf RTL umschalten? Nach fünf Minuten aber noch immer ein Einspieler nach dem anderen. Dann geht´s los. Und die Models werden präsentiert. Heuer soll der Cast vielfältiger gewesen sein.
Chanel Silberberg ist die erste, die man mit Namen sieht. Die Dame aus Oer-Erkenschwick, 20 Jahre alt. Die Auszubildende zur Erzieherin sagt über sich selbst: "Ich bin sicher nicht perfekt!" Nein, Mädel, klar nicht. Niemand ist perfekt. Außer Heidi Klum. Soulin Omar, gleichaltrige Schülerin aus Hamburg, ist "hier, weil ich meine Geschichte erzählen und eine neue schreiben will". Und weil sie einen Model-Vertrag möchte.
Jetzt geht´s Schlag auf Schlag und in Sekundenbruchteilen sieht man alle Kandidatinnen. In der Tat sind kleinere dabei, dickere, solche wie Alex Mariah Peter aus Köln, die zeigt, dass es auch geschlechterübergreifend geht. Maria Schimanski aus Flensburg ist taubstumm, aber echt goldig. Sie strahlt. Sara Ullmann aus dem Stuttgarter Raum sieht aus wie die Tochter von Boris Becker. Die Mischung passt also.
Nacht acht Minuten Sendezeit die ersten Corona-Tests, dann geht´s endgültig zur Vorstellung. Nachdem wir im Herbst nach und nach alle Bauern kennen lernen mussten, zuletzt die Bachelor-Bewerberinnen sowie viele Sänger vor Dieter Bohlen und dann auch noch völlig unbekannte Kölner Dschungelbewohner, sind das ganz schön viele neue Gesichter binnen weniger Wochen.
Romy Wolf aus Görlitz, 19, großer Heidi-Fan, ist die erste, die näher beleuchtet wird. Beim Heimatbesuch im östlichsten Sachsen. Die sechs Jahre ältere Mareike aus dem nicht ganz so weit entfernten Halle kreischt laut auf, als sie von der Teilnahme erfährt. Unter Romina Palm, einer Influenzerin, und ihrem Freund kracht vor lauter Jubel fast das Sofa zusammen.
Alexandra aus Köln, 21, ist bereits Model und freut sich neben alle anderen beim Eintreffen wie ein Schnitzel. Endlich mal Heidi Klum live sehen. Und vielleicht auch Bill Kaulitz. Wobei Fans von Tokio Hotel mittlerweile über 30 sein dürften, oder?
Nach 16 Minuten reiner Sendezeit walken einige Mädels über einen weißen Teppich vor einem großen Spiegel. Die ersten Hintern wackeln - und man stellt sich gerade vor dem TV-Gerät vor, wie das bei Angela Merkel aussehen würde. Die Kandidatinnen unterhalten sich beim ersten Treffen, die eine hat die andere vorher schon mal auf Instagram gesehen. Die Welt ist halt klein geworden. Oder einfach einschaubarer.
Maria, die süße Taube, würde ihren Job als Buchbinderin aufgeben, wenn sie es auf den Laufsteg schafft. Einspieler mit der sich umarmenden Familie, mit ihrem Freund neben Schiffen an der See. Vielleicht sollte man einfach 31 nette Geschichten erzählen über hübsche junge Mädchen und Heidi Klum in ihrem Hotel in Tokio einsperren.
Lena Schreiber, 21, kommt aus einem fränkischen Dorf im Main-Spessart, "in dem es mehr Kühe als Einwohner gibt". Ja, sind Kühe denn keine Einwohner? Die Natur liebende Studentin, die gerne auch mal Hühner streichelt, ist also ein echtes Landei, hat aber ein städtisches Gesicht, das man irgendwo schon mal auf der Tube einer Pickel-Creme glaubt gesehen zu haben. Nun geht´s vom Bauernhof nach Berlin. Wäre es für sie nicht beim «Bergdoktor» schöner?
Nach 30 Minuten reiner Sendezeit die erste Modenschau für die überwiegend Frischlinge der Branche. Romy darf beginnen und sich Klamotten aussuchen - "mega" sehe sie aus, sagen die anderen. Da ist es wieder, dieses Unwort. Chanel hat nach einer Krankheit Narben am Arm, aber ein makellos hübsches Gesicht. Die Storys, die hinter den Mädchen stecken, unterhalten. Wer aber mit Mode wenig anfangen kann, ist spätestens dann gelangweilt, wenn sie auserzählt sind.
Nach erst 35 Minuten reiner Sendezeit wird geschminkt. Ab und zu piepst Heidi einen Kommentar dazu. Täuscht es, oder lässt draußen in der weiten Welt nun das Interesse schon so langsam nach? Romina, Typ Laura Müller, erzählt, dass sie sich einst Kurven angefressen hat und die Lippen aufspritzen. Das sind die Geschichten, auf die man eigentlich verzichten kann. Dascha, 20, aus der Essbesteck-Stadt Solingen, ist das Moppelchen der Staffel. Reihum werden sie nun nach und nach vorgestellt. Soulin Omar, 20, aus Syrien stammend, nun in Hamburg wohnend, bedient genauso die Rubrik "außergewöhnlich".
Weniger wäre auch hier aber mal wieder mehr: Zehn Mädels, mehr als nur oberflächlich präsentiert, einstündige und nicht in die Länge gezogene Folgen. Das würde auch bei Nicht-Top-Fans die Aufmerksamkeit hochhalten. Na gut, 90 Minuten sind gestattet. So lang verarztet ja auch der Bergdoktor…
Nach 75 Minuten: Catwalk, Fashionshow, auftretende Boys mit Oberkörper-Muskeln, der erste Kreislauf-Kollaps – ab jetzt wird alles bedient, was mitfiebernde Mädels erwarten. Trotzdem ist nun irgendwie die Luft raus, da rettet auch der französische Designer Manfred Thierry Mugler nichts. Warum redet der eigentlich Englisch? Selbst die Tatsache, dass die ersten sechs Mädels schon nach Folge eins wieder nach Hause müssen, erzeugt keine Spannung. Neben Vanessa, Maria-Sophie, Samantha, Franzi und Alexandra erwischte es auch die Hobby-Bäuerin Lena.
Über 125 Minuten reine Sendezeit zum Start. Die Hölle lang. Mit 2,33 Millionen Zuschauern hatte «GNTM» natürlich keine Chance gegen Donnerstags-Zuschauerkönig «Der Bergdoktor» im ZDF, dessen 6,99 Millionen (Quote: 7,6 zu 20,3 Prozent) sich relativieren mit dem Blick auf die Fernsehfans der Zielgruppe zwischen 14 und 49 Jahren. Da bedeuteten 18,3 Prozent Platz drei hinter der Tagesschau und dem RTL-Spezial zur Corona-Krise mit Angela Merkel. Hier stürzte der Bergdoktor mit nur 9.2 Prozent ab. Der ist am nächsten Donnerstag kein direkter Rivale von Heidi Klum. Im ZDF läuft dann als Konkurrenz zu den Berliner Models "Kölle Alaaf".
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