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Die Kritiker: «Die Toten von Salzburg – Schwanengesang»

Da treibt der Dirigent im Swimmingpool. Auf seiner Stirn prangt eine große Wunde und auf einer losen Fliese fern des Fundortes werden Blutspuren entdeckt. Der Mann ist also nicht unglücklich am Beckenrand ausgerutscht. Nein, irgendjemand hat ihm den Taktstock des Lebens mit Gewalt aus den Händen gerissen.

Stab

DARSTELLER: Florian Teichtmeister (Major Peter Palfinger), Michael Fitz (Kriminalhauptkommissar Hubert Mur), Fanny Krausz (Revierinspektorin Irene Russmeyer), Erwin Steinhauer (Alfons Seywald), Simon Hatzl (Sebastian Palfinger), Natalie O'Hara (Helene Mur), Nikolaus Barton (Simon Wächter), Helmut Bohatsch (Wolfgang), Paula Siebert (Therese Mur), Sebastian Krähenbühl (Jan Stickler)
REGIE: Erhard Riedlsperger
DREHBUCH: Maria Hinterkörner
PRODUKTION: Heinrich Ambrosch
MUSIK: Dominik Giesriegl
KAMERA: Kai Longolius
SCHNITT: Frank Soiron
Schon der Prolog dieses sechsten Spielfilmes aus der Reihe «Die Toten von Salzburg» lässt keinen Zweifel daran aufkommen, dass die Anzahl der Verdächtigen in diesem Fall nicht gerade übersichtlich ausfallen dürfte. Jan Stickler, der Dirigent des Salzburger Altorchesters, ist ein Tyrann. Fehler werden von ihm nicht angemahnt. Er ergötzt sich an seiner eigenen Großartigkeit am Pult und genießt es, Musiker auf Fehler hinweisen zu dürfen. Da ist die bulgarische Flötistin, die in der Probe einen Moment zu spät einsetzt und eine hämische Schimpfkanonade über sich ergehen lassen muss. Da ist der Mann an den Becken, dem er zu verstehen gibt, dass er im Grunde nicht über die Qualifikationen für eine Orchesterkarriere verfügt. Es geht Stickler nicht darum, Fehler zu korrigieren, sie dienen ihm nur als Aufhänger dafür, Menschen erniedrigen zu können. In seiner Position unantastbar, weiß er, dass es für ihn keinen Grund gibt, sich auch nur ansatzweise zurückhalten zu müssen. Wer widerspricht - fliegt.

Ziemliches Klischee
Der geniale Dirigent muss ein Tyrann sein. Und er muss Leichen im Keller liegen haben. Wäre es nicht originell mal einen Typen wie Stickler zu präsentieren, der am Pult möglicherweise ein Unmensch sein mag, jenseits der sinfonisches Konzertgrabens aber ein netter Kerl? Ein Dr. Jeckyl / Mr Hyde? Der schon aufgrund dieses Widerspruchs eine gewisse Komplexität in die Story einbringt, die am Ende möglicherweise einen vielschichtigen Charakter offenbart? Leider fehlt es diesem Kriminalfilm aus Österreich an Mut, mit Klischees zu brechen. Nein, dieser Jan Stickler war vor seinem Dahinscheiden nicht nur am Dirigentenpult ein kleiner Diktator, er war es auch darüber hinaus. Da der aus Deutschland stammende Stickler nicht in Salzburg, sondern in Bayern lebte, ist der ermittelnde Major Peter Palfinger einmal mehr gezwungen, mit seinem aus fünf Vorgängerfilmen gleichfalls bekannten deutschen Kollegen Kriminalhauptkommissar Hubert Mur aus Traunstein zusammenzuarbeiten.

Es dauert nicht lange, bis Erkenntnisse aus der Ermittlungsarbeit auf dem Tisch liegen. Stickler hat seine Ehefrau betrogen, der es für die Tatzeit an einem Alibi fehlt. Da ist ein Musiker, dem Stickler ein Empfehlungsschreiben verweigert hat. Auch die Tochter ist in einem Gespräch mit der Polizei nicht ganz ehrlich. Und dann ist da die Spur zu einer Nachrichtenbloggerin, die einer ganz eigenen Geschichte auf der Spur war und Sticklers Tod doch eher ärgerlich findet, da sie ihre Geschichte nun umschreiben muss. Stickler hat seine Macht nämlich gegenüber weiblichen Orchestermitgliedern – ihren Recherchen nach – nicht nur vom Pult aus ausgenutzt.

«Die Toten von Salzburg – Schwanengesang» hakt brav die zu erwartenden Klischees ab.
• Der Dirigent war ein Tyrann? Check.
• Er hat Frauen bedrängt? Check.
• Es gibt den einen Verdächtigen (den Mann an den Becken), der sich dumm verhält und dadurch ins Visier der Ermittler gerät? Check.
• Der Verwaltungsrat des Orchesters wusste (oder ahnte zumindest), dass ihr Meisterdirigent ein mieser, Frauen erniedrigender Drecksack war, hat ihn aber beschützt, weil er nun einmal musikalisch genial war? Check.

Da stellt sich allerdings eine Frage in den televisionären Raum: Warum sollte es eigentlich irgendjemanden interessieren, wer diesen Tyrannen von der Bildfläche gefegt hat? Niemand weint um Stickler. Nicht einmal seine eigene Familie. Warum also sollte sich das Publikum für diesen Fall interessieren?

Die Inszenierung findet keinen Dreh, auf diese Frage eine Antwort zu bieten. Die Kommissare ermitteln brav vor sich hin und sammeln Spuren. Was Fernsehkommissare (oder hier ein Kommissar und ein Major) eben so tun. Packend ist das nicht. Also bräuchte es auf Seiten der Verdächtigen Charaktere, die mehr darstellen als „die Flötistin“ oder „die Geigerin“. Da nach nicht einmal 20 Minuten Spielzeit klar feststeht, dass Stickler ein verachtenswerter Drecksack war, steht im Grunde fest, dass diese Geschichte nur tragisch enden kann.

Dadurch, dass ein Mensch in seiner Verzweiflung keinen anderen Ausweg mehr als in einem Mord gesehen hat. Also bräuchte es nun Figuren, die es möglich machen, eine emotionale Bindung zu ihnen aufzubauen, so dass die Aufklärung des Falles etwas auslöst: Zum Beispiel Mitleid. Aber nichts dergleichen geschieht, weil es solch eine Figur in diesem Kriminalfilm nicht gibt. So schleppt sich die Story uninspiriert vor sich hin, bis sie irgendwann müde die Ziellinie überquert.

«Die Toten von Salzburg – Schwanengesang» ist am Mittwoch, 27. Januar 2021, 20.15 Uhr im ZDF zu sehen.
26.01.2021 10:38 Uhr Kurz-URL: qmde.de/124363
Christian Lukas

super
schade


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