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«Losing Alice»: Wie AppleTV+ seine Zuschauer verführen will

Heute startet bei AppleTV+ eine neue Thriller-Serie aus israelischer Feder. Bei Quotenmeter.de erfahren Sie, warum sie besonders gelungen ist.

Man soll ja nie seine Helden treffen. Im Fall von «Losing Alice» trifft das aber eher auf die Heldin zu, die getroffen wird, nämlich Alice (Ayelet Zurer), eine (fiktive) bekannte israelische Regisseurin in ihren späten Vierzigern, die abends im Zug von einer freigeistigen Mitzwanzigern namens Sophie (Lihi Kornowski) angequatscht wird. Lili hat alle Filme von Alice gesehen, besonders die seltsamsten und künstlerisch schrägsten, und hat sogar mit all ihren wilden Liebhabern einige besonders prickelnde Szenen nachgestellt. Gerade werkele sie an ihrem ersten Drehbuch herum, textet sie die ermüdete Alice zu, bevor sich das Gefasel der unverhofften Zugbegleitung doch nicht als heiße Luft entpuppt: Denn Alices Ehemann, als Schauspieler selbst gut im Geschäft, möchte in Sophies Erstlingswerk gerne die Hauptrolle spielen. Und niemand wäre Lili als Regisseurin lieber als Alice.

Doch während aus der jungen Sophie bald vielleicht der neue Stern am israelischen Filmhimmel wird, ist in Alices Leben von der einstigen Besessenheit mit künstlerisch anspruchsvollen Projekten nicht mehr viel übrig: Während der Mann beim Dreh ist, muss sie die beiden Kinder hüten, und da passen eben nur ein paar Joghurt-Werbespots und eine Dozentinnentätigkeit an der Filmhochschule in den Terminkalender der Regisseurin.

Doch Sophie hat diese vermeintlich heile Welt von Alice mit ihrem Sado-Maso-Stoff bald aus den Angeln gehoben. Dabei erzählt diese Serie aus der Feder der amerikanisch-israelischen Autorin und Regisseurin Sigal Avin so langsam und vorsichtig, dass sich erst in der zweiten der acht Folgen langsam herauskristallisiert, dass dieses Format eigentlich als Thriller funktionieren soll. Bis dahin hatte nämlich nur eine erzählerische Klammer um die erste Folge auf großes Unheil hinter den seelischen Fassaden der Figuren hingewiesen.

Umso schneller zieht einen «Losing Alice» dann in seinen Bann: Für genug Spannung braucht es in dieser Serie keine brutalen Jumpscare-Momente oder literweise Blut. Folge um Folge wird Alice vom Jungspund Sophie in ein anderes Leben verführt, ein wildes und ungehaltenes, ein Leben der Freiheit von alltäglichen Zwängen. Doch der Preis für den Ausbruch aus dem bestehenden Leben wird auch für Alice hoch sein. Wie sie ihn schließlich bezahlen muss, ist das eigentliche Rätsel, das «Losing Alice» bedacht und konsequent einführt.



Schon vorher beginnt ein tiefsinniges Wechselspiel zwischen Fiktion und Realität, und die Grenzen zwischen Einbildung und Wirklichkeit verschwimmen im Verlauf der acht Folgen zusehends. Der Zuschauer wird immer wieder auf die Probe gestellt, denn die entrückte Sophie zieht nicht nur Alice immer stärker in ihren Bann, sondern wirkt in ihrer Geheimnisfülle auch als Figur zunehmend mysteriös. Dabei verlässt sich diese Serie aber niemals allein auf dieses Rätsel, sondern will vor allem dicht an ihren Figuren erzählt, sie gibt ihnen Raum zur emotionalen Entfaltung, und bald lassen sie auch den skeptischsten Zuseher nicht mehr los. Ab der ersten Minute legt es dieses Format auf die Verführung an, in zweierlei Hinsicht: die Verführung Alices durch das Versprechen erneuter Jugend und Unbedarftheit, und die Verführung des Zuschauers durch die beeindruckenden Bilder, Situationen und Charaktere, die unablässig entworfen werden.

«Losing Alice» ist bei AppleTV+ zu sehen.
22.01.2021 11:00 Uhr Kurz-URL: qmde.de/124267
Oliver Alexander

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Losing Alice

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Es gibt 1 Kommentar zum Artikel
Sentinel2003
22.01.2021 15:15 Uhr 1
Ayelet Zurer hatte mir schon in "Hostages - die Geiseln" sehr gut gefallen! Zudem war Sie auch im 2. oder 3. Teil der Dan Brown Reihe mit Tom Hanks zu sehen.
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