Am Neujahrstag wird im Ersten ein neuer «Tatort» mit Nora Tschirner und Christian Ulmen ausgestrahlt. Danach wird die Weimarer Reihe nie mehr so sein, wie sie bis dahin war.
Stab
Darsteller: Christian Ulmen, Nora Tschirner, Ronald Zehrfeld, Inga Busch, Jördis Trauer, Florian Kroop
Kamera: Moritz Anton
Drehbuch: Murmel Clausen
Regie: Mira ThielDie Thüringer Polizei will (oder eher: muss) dringend fortschrittlicher werden. Dafür benötigt das Landeskriminalamt natürlich eine kompetente Persönlichkeit, die den Digitalisierungsprozess mit Einsatz und Sachverstand vorantreibt. Und wer wäre dafür weniger geeignet als der altgediente Dienststellenleiter Kurt Stich (Thorsten Merten), der seine auf dem iPhone verfasste Abschiedsrede zu Papier bringt, indem er den Smartphone-Bildschirm auf das Photokopiergerät legt, und unter dem Begriff „E-Mail-Ordner“ einen Hefter auf seinem Schreibtisch neben dem Telefon versteht.
Das soll witzig sein, weil es so naheliegend ist. Schließlich funktioniert Digitalisierung in deutschen Behörden in der Realität genau so, und eine Reportage von «Spiegel TV» über den deutschen digitalen Büroalltag hätte kaum absurdere Vorgänge ans Licht gebracht.
Gleichzeitig offenbaren diese Witzeleien aber, was an der Lessing-und-Dorn-Reihe am sonntagabendlichen «Tatort» all die Jahre so schief lief: dieses ständige ironisierende Kokettieren, die zu offensichtlichen Übertreibungen, die billigen Karikaturen, die sich immer gerade so diesseits der Parodie des ARD-Sonntagabendspielfelds bewegt haben.
Im Weimarer «Tatort» sollte alles nach neuer junger Stimme aussehen – war aber im Ergebnis leider fast immer unangenehm dumpf, zu gewollt komisch, und damit allzu anbiedernd an einen bestimmten „jungen“ Geschmack. Die neue Folge „Der feine Geist“ setzt diesen Stil fort. Nach ihr wird – so viel sei verraten – eine inhaltliche Rückkehr zum Status quo nicht mehr möglich sein; doch der Stil war dieser Reihe schon immer wichtiger als der Inhalt.
Während Kurt Stich seine Versetzung als Digitalexperte ins LKA vorbereitet und Lupo (Arndt Schwering-Sohnrey), der mit Abstand unfähigste Mitarbeiter auf dem Weimarer Revier, sich zusammenfantasiert, wie er bald als dessen Nachfolger verkündet wird, stolpern Lessing (Christian Ulmen) und Dorn (Nora Tschirner) zufällig in einen Überfall. Es kommt zum Schusswechsel, und Lessing wird trotz aller scheinbaren Normalität nie wieder derselbe sein. Derweil ermittelt sich seine Privat- und Berufspartnerin Kira Dorn durch das übliche Sammelsurium aus schrägen Vögeln (auch das hat hier mehrere Bedeutungen), die sich wie in den meisten Weimar-Folgen auf ein weitgehend austauschbares Kuriositätenkabinett beschränken.
Erst im letzten Drittel traut sich „Der feine Geist“ etwas, das der Weimarer «Tatort» nur in wenigen Momenten zulässt: Emotionen – und findet auch an dieser Stelle leider nur zu einfallslos-eingängigen Motiven: Zeitlupen, Bildverfremdungen, eine überbetont kühle Kira Dorn und einen heulenden Waschlappen in Gestalt des gutmütigen und einfältigen Pausenclowns Lupo, bevor man es ganz am Schluss doch noch mit echter Warmherzigkeit versucht. Da ist dann aber schon viel zu viel satirisch geblinkt wurden, dass der Film nicht mehr in die richtige Richtung abbiegen kann.
Das Erste zeigt «Tatort – Der feine Geist» am Neujahrstag, den 1. Januar um 20.15 Uhr.
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