Die Geschichte um die Getrude Ma” Rainey wirkt wie ein abgefilmtes Theaterstück, meint unser Autor Markus Tschiedert.
Nach eigenen Angaben wurde Gertrude ‚Ma‘ Rainey 1886 in Georgia geboren. Als sie Ende 1939 starb, war sie eine reiche Frau. Sie nahm um die 100 Songs auf, arbeitete mit Jazz-Größen wie Louis Armstrong (†69) und Coleman Hawkins (†64). Sie selbst aber wurde als Mutter des Blues bezeichnet. 1982 schrieb der Theaterdramaturg August Wilson (†60) das Theaterstück „Ma Rainey‘s Black Button“, das 1984 in New York uraufgeführt wurde und ein Jahr später als bestes US-Theaterstück mit dem New York Drama Critics Award ausgezeichnet wurde.
Nichtsdestotrotz dauerte es 35 Jahre bis zu einer Verfilmung. George C. Wolfe («Das Lächeln der Sterne») selbst ein gefragter US-Dramaturg, nahm sich des Stücks an und besetzte Viola Davies («The Help») für die Rolle der Ma Rainey. Denzel Washington («The Equalizer») agierte als Produzent im Hintergrund, und der im August mit erst 43 Jahren an Krebs verstorbene Chadwick Boseman («The Black Panther») ist in seiner letzten Rolle als aufstrebender Musiker zu sehen. Ein filmisches Denkmal für eine große Sängerin oder geht es um mehr?
Stress im Studio
1927 will die berühmte Jazz-Sängerin Ma Rainey (Viola Davies) ein neues Album in Chicago aufnehmen. Doch wie es sich für eine Diva gehört, verspätet sie sich. Ihre Musiker Toledo (Glynn Turman), Cutler (Colman Domingo), Slow Drag (Michael Potts) und Levee Green (Chadwick Boseman) überbrücken die Wartezeit im Keller des Gebäudes. Sie wollen sich schon mal warm spielen, geraten aber immer wieder ins Plaudern. Immer wieder geht es dabei um die Benachteiligung von Afroamerikanern und wie jeder von ihnen bereits schlechte Erfahrungen mit Rassisten machen musste.
Der Trompeter Levee ist neu in der Band und fühlt sich zu Größeren berufen. Er träumt von einer eigenen Band und hat daher auch keine Lust, Ma Rainey zu hofieren, als sie endlich das Studio betritt und erst mal eine kalte Cola verlangt, die es nicht gibt. Immer wieder verzögert sich dadurch die geplante Aufnahme. Levee überwirft sich mit Ma Rainey, weil er eine andere Version ihres Songs „Black Bottom“ vorbereitet hat, die ihren Gesang jedoch in den Hintergrund drängen auch mit anderen kommt es zu Spannungen, was schließlich in einer Tragödie endet.
Rassismus in den Zwanzigerjahren
August Wilson verfasste einige Theaterstücke, die um Erfahrungen von Afroamerikaner im Jahrhundert kreisen. Darunter auch «Fences», 2016 von Denzel Washington ebenfalls mit Viola Davies in der weiblichen Hauptrolle verfilmt, die dafür den Oscar bekam. Wilson war es wichtig, seine Protagonisten niemals in die Opferposition gezogen werden, sondern trotz aller Schikane durch Weiße immer als selbstbewusste und aufrechte Menschen gezeigt werden. Daraus erklärt sich auch, warum sich Ma Rainey wie eine überkandidelte Diva gibt.
Damit holt sie sich ein bisschen von dem, was ihr sonst versagt bliebe. Solange ihre Songs noch nicht eingespielt sind, gewähren ihr die weißen Platten-Produzenten alle Wünsche. Aber nach getaner Arbeit wird sie wieder wie eine von vielen Schwarzen diskriminiert. «Ma Rainey‘s Black Bottom» setzt den Fokus also auf den Stand der Afroamerikaner im Musikgeschäft vor knapp 100 Jahren. Für viele talentierte Musiker war dies die Chance, zu Ruhm und Ansehen zu kommen, jedoch hieß das niemals ein gesellschaftlicher Aufstieg. Denn Schwarze in jener Zeit wurden wie Menschen zweiter Klasse behandelt, und das in den USA auch noch ganz legal.
Alles wie im Theater
Diese Problematik wird im Film mit feingeschliffenen Dialogen hervorragend transportiert. So bekommt man ein Gefühl davon, wie vorsichtig Schwarze agieren mussten, um sich in einem von Weißen dominierten System zu behaupten. Eine Gratwanderung zwischen Ablehnung, Erniedrigung und eigenem Stolz. Besonders die Monologe vereinzelter Musiker geben einen Eindruck davon, auch wenn der Film dadurch insgesamt recht geschwätzig geworden ist. Daran lässt sich nun mal erkennen, dass «Ma Rainey‘s Black Bottom» auf einem Theaterstück basiert.
Nur wenige Szenen spielen außerhalb des Plattenstudios, aber wenn, wirkt das immer filmisch, weil einem das Setting in die Damalige Zeit zurückversetzt, während im Studio das Flair von Theaterbühne spürbar bleibt. Dieses Hin und Her scheint beabsichtigt sein. Leider werden dadurch die filmischen Stilmittel nicht voll ausgereizt, wodurch die Inszenierung manchmal etwas behäbig wirkt.
Fazit: Oft nicht mehr als abgefilmtes Theater, auch wenn die Thematik brisant bleibt. Starke Dialoge und großartige Darsteller sind hierbei das große Plus dieser Netflix-Produktion.
30.12.2020 14:08 Uhr
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Markus Tschiedert
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