In den letzten Kriegsmonaten setzt sich ein steirisches Dorf gegen die Nazis zur Wehr. Doch so einfach, wie es sich der ZDF- und ORF-Film mit seiner Geschichte macht, war es natürlich nicht.
Stab
Darsteller: Fritz Karl, Brigitte Hobmeier, Harald Windisch, Maresi Riegner, Gerhard Liebmann, Verena Altenberger, Oliver Masucci
Drehbuch: Gabriela Zerhau
Regie: Gabriela Zerhau
Kamera: Carsten Thiele
Produzentinnen: Kirsten Hager und Anja Föringer „Ausgerechnet bei uns“ haben sie sich versteckt, „die braunen Herren, und noch lange vom Endsieg weitergeschrien“, raunt die Stimme von Fritz Karl über Bilder vom eisigen steirischen Winter in den frühen Monaten des Jahres 1945, und die von ihm gespielte Figur eines leisen, unauffälligen, möglichst durchschnittlich gedachten Steirers der Spätkriegszeit namens Sepp Rottenbacher klingt dabei viel nachdrücklicher als er sich im Film selbst geben will.
Im Handlungsgeflecht von «Ein Dorf wehrt sich» fällt er nämlich hauptsächlich durch konsequentes Wegducken und Schulterzucken auf, während SS und Gestapo in den Wirren der alliierten Bombardements lastwagenweise Raubkunst herankarren, die die Dorfbewohner in die Stollen wuchten müssen, und sein Jugendfreund Mitterjäger (sehr zartfühlend gespielt: Harald Windisch) todesmutig die Partisanen im Gebirge mit Nahrungsmitteln versorgt.
Durch diese Akzentsetzung – der Widerstandsunterstützer als Nebenfigur, der alltägliche Mitläufer als Hauptcharakter – wird dieser Film schnell zur Ode an den deutschen Duckmäuser. Doch während der Stoff anhand der immer größer werdenden Zumutungen, die das verschlafene Dorf unter den durchdrehenden Endzeitnazis erdulden muss, seine langsame Haltungsfindung (und damit seinen Gewinn an Rechtschaffenheit als guter unscheinbarer Durchschnittsmann) erzählen will, offenbart sich bei nüchternerer Betrachtung der Geschichte eigentlich der gegenteilige Eindruck.
Man muss nicht gleich auf jenen berühmten Satz – Das Unrecht kann nur triumphieren, wenn rechtschaffene Menschen dabei tatenlos zusehen – zurückgreifen, um diesen Steirer-Sepp für sein Nichtstun und Wegducken zu verurteilen, und damit auch verantwortlich zu machen für die Gesamtheit der nationalsozialistischen Verbrechen, die den Wir-wussten-von-nichts-Durchschnittsmenschen in diesem Film erst jetzt in alliierten Radiosendungen zugetragen werden. Denn «Ein Dorf wehrt sich» offenbart seine krude Haltung schon im Titel. Der suggeriert mit seiner Betonung einer geschlossenen Gemeinschaft („ein Dorf“) und der ihr zugeschriebenen Handlung („wehrt sich“) bereits einen Gedankengang, von dem es zum Herunterspielen nicht mehr weit ist: Als ob es eine homogene deutsche (oder österreichische) Mehrheit gegeben habe, die den Nationalsozialismus immer in stiller Entschiedenheit ablehnte und sich ihm entschlossen in den Weg gestellt hat, wenn das Maß endlich überlief. Die steirischen Berge: einig Widerstandsland.
Bis auf ein paar stramme Faschisten, natürlich, die sich dieser Film nur als prügelnde, obszöne, menschenverachtende Grobiane vorstellen kann. Damit hat er bei einem bestimmten Schlag von Nationalsozialisten sicherlich recht: Doch der Alltags-Nazi, in dem ähnlich still, leise und abgrundtief durchschnittlich der Judenhass glühte, wie im Held dieser Geschichte, dem feigen Steirer-Sepp, der Widerständler, ist für diesen Stoff genauso undenkbar wie eine ernsthafte Begegnung mit der Frage, warum beim Anschluss Österreichs an Nazi-Deutschland eine Million Menschen auf dem Heldenplatz begeistert Ja! geschrien haben.
Ein anderer Ort, ein anderes Milieu, mögen die Macher da entgegnen wollen. Trotzdem bleibt es unangenehm, wenn die Geschichte um ein Dorf von Duckmäusern und bestenfalls inneren Emigranten zur Parabel vom aufrichtigen Widerständler hochgeschrieben werden soll – und zwar erst recht unter den Vorzeichen, die «Ein Dorf wehrt sich» dazu wählt: Denn was den verstockten Sepp schließlich zum Handeln antreibt, ist nicht das Wissen um den allgemeinen nationalsozialistischen Massenmord, nicht die viehische Abschlachtung seines besten Freundes aus Kindertagen durch den SS-Kapo im Ort, nicht die Verlegung eines aufmüpfigen jungen Mannes in den sicheren Tod an die Front, sondern: die Bedrohung für die im Berg eingelagerten Kunstschätze, die der durchgedrehte Gauleiter lieber mit amerikanischen Blindgängern in die Luft sprengen lassen will, als sie den Siegermächten in die Hände fallen zu lassen. „Das kulturelle Erbe“ Europas, um das es den Figuren dieses Films – und damit auch dem Film an sich – geht, sind ein paar Bilder und Skulpturen, und nicht die Werte des Humanismus. Damit fällt er in der Aufarbeitung der NS-Verbrechen um Jahrzehnte zurück.
Das ZDF zeigt «Ein Dorf wehrt sich» am Mittwoch, den 30. Dezember um 20.15 Uhr.
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29.12.2020 18:25 Uhr 1