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Die Kritiker: «Killing Mike»

Ab heute Abend zeigt ZDFneo eine neue achtteilige deutsch-dänische Koproduktion: Die nimmt in ihrer inhaltlichen Radikalität kein Blatt vor den Mund – und verdient ein großes Publikum.

Cast & Crew

Vor der Kamera:
Morten Hee Andersen als Mike
Claus Riis Østergaard als Peter
Anders Juul als Martin
Lene Maria Christensen als Bibi
Marijana Jankoic als Anna
Jesper Riefensthal als Tom
Mads Rømer als John

Hinter der Kamera:
Produktion: DR, Motor, ZDFneo und Dynamic Television & Filmfyn
Drehbuch: Christian Torpe
nach einer Idee von Christian Torpe und Marie Østerbye
Regie: Louise N. D. Friedberg
Produzenten: Jesper Mortehorst und Rikke Lassen
Das Ende der Zivilisation ist normalerweise ein Thema für einen Genrestoff: einen Horror-Film, einen apokalyptischen Slasher oder eine dystopische Endzeitfantasie. Die achtteilige erste Staffel der deutsch-dänischen Koproduktion «Killing Mike» verortet den Zusammenbruch des zivilisierten Zusammenlebens dagegen im Hier und Jetzt – und stößt damit viel eindringlichere, schockierendere und unheimlichere Fragen an als einschlägige Beiträge, die eine in der Gruppe organisierte Selbstjustiz immer nur im Kontext von «Mad-Max»-ähnlichen Zukunftsvisionen erzählen.

Stein des Anstoßes ist der schon im Titel erwähnte Mike (Morten Hee Andersen), der seit Jahren ein Dorf in Dänemark tyrannisiert: Im vorletzten Sommer hat er mit seinem Auto einen Abiturienten totgefahren, der in der Dämmerung auf seinem Fahrrad unterwegs war. Mike beteuert mit aufgesetzter Ernsthaftigkeit, dies sei ein bedauerlicher Unfall gewesen. Doch der Vater des toten Jungen (Claus Riis Østergaard) geht trotz gerichtlicher Freisprüche bis heute von einem heimtückischen Mord aus und mäandriert nun zwischen seiner pflichtschuldigen Tätigkeit als Dorfarzt und dem Ersaufen seiner Sorgen im Alkohol, wenn er nicht gerade delirante Rachepläne schmiedet und mit dem Jagdgewehr unterm Anorak zum Dorffest aufbricht.

Doch das ist nur die Spitze des Eisbergs: Mike erpresst auch einen Kneipenbesitzer und zwingt ihn dazu, sich auf dem ganzen Oberkörper brennende Zigaretten auszudrücken. Derweil verlangt er von dessen Frau sexuelle Handlungen, nur um sie daraufhin durch seine Zurückweisungen in ihrem tiefsten Selbstwert zu erschüttern. Auch Kinder sind vor ihm nicht sicher – auf einen schüchternen Jungen prügelt er so lange ein, bis dieser nicht mehr aufsteht.

Warum die Polizei da nicht längst eingeschritten ist? Die Staatsgewalt wird in dieser Serie verkörpert durch einen eher widerwilligen und ineffektiven Beamten, der mit seinem Zuständigkeitsbereich in Gestalt von einem Dutzend Orten heillos überfordert ist. Zudem hat ihn Mike in der Hand: Der Psychopath weiß nämlich, dass die Tochter des Dorfpolizisten bei ihren diebischen Streifzügen ganze Altersheime leerräumt.

Als die Zumutungen durch Mike einen kritischen Wert überschreiten, sehen sich die Hauptbetroffenen zum Handeln gezwungen: Mike soll ermordet werden. Doch dieser Schluss fällt nicht in einer fünfminütigen Bar-Szene zu später Stunde, in der nach dem Austausch von ein paar oberflächlichen Argumenten einträchtiges Kopfnicken einsetzt. Vielmehr gärt, reift und kulminiert er mehrere Folgen lang, weil verschiedene Figuren verschiedene Haltungen und Einsichten haben, nach einschneidenden Ergebnissen ihre Meinung ändern, sich zur allgemeinen Überraschung doch überzeugen lassen oder sich nach anfänglicher Zustimmung angewidert von den Plänen abwenden.

Mit beeindruckender Beobachtungsgabe und schockierender Realitätsnähe zeigt «Killing Mike» damit, wie leicht eine an sich stabile Gesellschaft in die Barbarei abgleiten kann. Dabei tut die Serie gut daran, ihre Figuren nicht zu Repräsentanten bestimmter Milieus oder sozialer Funktionen verkommen zu lassen, sondern sich ihnen vielmehr auf einer individuellen, psychologischen Ebene zu nähern. Der Vater des überfahrenen Sohnes münzt seine Trauer und Wut in zielgerichtetes Handeln um, dessen Bruder wird nach anfänglicher Skepsis und Distanzierung zunehmend von den erschütternden Erkenntnissen eingenommen, und das erpresste und malträtierte Ehepaar versucht, sich aus seiner Opferrolle zu kämpfen. Wobei die Autoren diese allzu direkte Zuschreibung in positiv und negativ besetzte Figuren klugerweise rasch um zahlreiche Grautöne erweitern. Denn auch der kaltblütigste, berechnendste Psychopath ist nicht mehr sicher, wenn er sich einer zu allem entschlossenen Meute gegenübersieht.

ZDFneo zeigt acht Folgen von «Killing Mike» am Freitag, den 9. Oktober ab 23.30 Uhr und am Samstag, den 10. Oktober ab 23.25 Uhr, jeweils in Vierfachfolgen.
09.10.2020 06:00 Uhr Kurz-URL: qmde.de/121856
Julian Miller

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Tags

Killing Mike Mad-Max

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Es gibt 1 Kommentar zum Artikel
Sentinel2003
09.10.2020 13:19 Uhr 1
Joar, zdf_neo, was ich bei diesem Sender aufnehme, ist echt krass....
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