«Kokon»- und «How to Sell Drugs Online (Fast)»-Mimin Lena Urzendowsky spricht mit Quotenmeter.de über ihren Fernsehfilm «Kranke Geschäfte».
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Alles hat seine Vor- und Nachzüge, aber ich mag es generell sehr, eng mit der Regie zusammen zu arbeiten. Vor allem ist mir Vorbereitung wichtig.
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Lena Urzendowsky
Kathi ist, finde ich, eine sehr faszinierende Figur: Sie denkt sehr westlich, ist aber ein DDR-Kind. Sie will sich von ihren Eltern lösen, wird aber durch ihre Krankheit enger denn je an sie gebunden. Sie will sich nicht von ihrer Krankheit definieren lassen, aber es ist klar: Sie wird Teil ihres Lebens bleiben. Wie geht man als Schauspielerin an so eine Figur heran, die hin- und hergerissen ist? Schließlich droht die Gefahr: Es könnte inkohärent wirken …
Ich freue mich voll, dass die Figur bei Ihnen so vielseitig rüberkam! Ich habe Kathi in der Tat als zerrissen angelegt, aus den Gründen, die Sie bereits genannt haben, aber auch, weil Zerrissenheit einfach zur Pubertät dazu gehört. Darüber habe ich mit Urs [Egger, dem Regisseur, Anm. d. Redaktion] auch vorab intensiv gesprochen: Wir haben überlegt, wie wir in wenigen Szenen die vielen, widersprüchlichen Facetten Kathis ausdrücken können, ohne dass die Figur verloren geht.
Daher würde ich auch sagen: Wenn es also gelungen ist, was mich sehr freuen würde, so habe ich das Urs zu verdanken. Es ist der Verdienst guter Regieführung, wenn jede Szene ihren eigenen Ton hat und das ein stimmiges Gesamtbild ergibt.
Es gibt ja Schauspielerinnen und Schauspieler, die eine lose Regieführung bevorzugen – ich glaube, es klingt gerade raus, als würden Sie eine enge Zusammenarbeit bevorzugen?
Da geht es mir wie mit vielem: Alles hat seine Vor- und Nachzüge, aber ich mag es generell sehr, eng mit der Regie zusammen zu arbeiten. Vor allem ist mir Vorbereitung wichtig. Am Set hat man ja selten viel Zeit, und wenn man mit zu vielen verschiedenen Ideen ankommt, die den Figurenbogen ändern würden, dann kann der Zeitmangel zu Hektik führen und das raubt Energie.
Das will ich vermeiden: Vorher genau absprechen, was man sich vorstellt und wie man es erreichen würde, kostet zwar vor dem Dreh Zeit, aber ist in meinen Augen enorm hilfreich. Bei «Kranke Geschäfte» etwa sind Urs und ich auf meine Bitte hin zusammen zu einem Neurologen gegangen und haben über meine Rolle und ihre Krankheit gesprochen. Urs war sowieso großartig – er war jederzeit erreichbar, wenn ich Fragen hatte.
Sind diese Vorabgespräche und die ganze Recherche dennoch "Hausaufgaben", um die eigentliche Arbeit erledigen zu können?
Nein, das macht mir sogar richtig Spaß! Nachdem ich das Drehbuch eines neuen Projekts gelesen habe, lass ich es erst einmal sacken und überlege: "Was fehlt mir noch, um den Stoff richtig zu greifen?" Das kann Wissen über die Figur sein, die Zeit, in der die Geschichte spielt … Oder halt auch die Krankheit von Kathi, wie in diesem Fall. Und dann versuche ich natürlich, an dieses Wissen zu kommen. Das ist ein Teil an meiner Arbeit, der mir enorm Spaß bereitet – denn das ist der abenteuerliche Part. Und es ist zudem persönlich enorm bereichernd!
Ich muss einfach kurz abschweifen und auf «Kokon» eingehen: War es schwer, mit damals 18 eine 14-Jährige spielen? "Gerade bin ich raus aus dem Teenie-Trubel und nun muss ich wieder zurück?"
Nein, ganz im Gegenteil. Für mich war es schwieriger, nun bei «Kranke Geschäfte» wieder eine Pubertierende zu spielen. Denn «Kokon» habe ich direkt im Anschluss ans Abitur gedreht. Und das ganze Umfeld dieses Films war "pubertärer": Der Schauplatz, der restliche Cast, es gab viele "pubertäre" Szenen. Bei «Kranke Geschäfte» macht es sich nur punktuell bemerkbar, in welchem Alter meine Rolle ist – und daher war es für mich schwerer, da wieder rein zu finden.
© ZDF und Dusan Martincek.
Dr. Sigurd (Corinna Harfouch, l.) zeigt sich in «Kranke Geschäfte» ihrer Patientin Kati Glaser (Lena Urzendowsky, r.) gegenüber einfühlsam, verschweigt ihr hierbei jedoch, dass sie Teil einer moralisch verwerflichen Medikamentenstudie geworden ist.
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Mir ist es sehr wichtig, dass ich eine große Bandbreite an verschiedenen Genres ausprobiere und somit auch ganz anders tickende Charaktere verkörpere. Von völlig introvertiert bis zur totalen Draufgängerin.
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Lena Urzendowsky
Mit «Das weiße Kaninchen», «Dark», «Kokon» oder auch «How to Sell Drugs Online (Fast)» haben Sie ja eine durchaus breite, gemessen am deutschen Film- und Serienalltag ungewöhnliche Liste an Rollen aufzuweisen … Hat sich das ergeben oder steckt da eine Absicht hinter?
Es ist tatsächlich Absicht: Mir ist es sehr wichtig, dass ich eine große Bandbreite an verschiedenen Genres ausprobiere und somit auch ganz anders tickende Charaktere verkörpere. Von völlig introvertiert bis zur totalen Draufgängerin. Ich wünsche mir, dass meine Figuren und die Stoffe um sie herum so vielseitig wie möglich sind. Denn das ist als Schauspielerin richtig herausfordernd – und das liebe ich.
Zum Abschluss noch eine Frage zu «How to Sell Drugs Online (Fast)»: In Staffel eins hatten sie ja einen Mega-Mini-Auftritt – war da schon geplant, dass Sie in Staffel zwei zu einer zentralen Rolle werden? Oder kam der Anruf überraschend?
Es war etwas dazwischen: Wir wussten während der Produktion von Staffel eins, dass die Figur der Kira in Staffel zwei ausgebaut wird, sollte es eine zweite Staffel geben. Als die zweite Staffel dann beschlossen wurde, war ich somit aber nicht automatisch mit an Bord. Weil es einen Regiewechsel gab, wurde ich gebeten, doch nochmal zum Casting zu gehen, um zu schauen, ob das denn auch wirklich passt. Umso glücklicher war ich, als es hieß: "Ja, Lena, du bleibst die Kira!" (strahlt)
Vielen Dank für das Gespräch.
«Kranke Geschäfte» ist am 25. September 2020 ab 20.15 Uhr auf arte zu sehen und am 28. September 2020 ab 20.15 Uhr im ZDF.
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