In der Nacht von Dienstag auf Mittwoch zeigt Das Erste ein wunderschönes Kleinod deutscher Kinokunst mit Pegah Ferydoni und Hadi Khanjanpour in den Hauptrollen.
Cast & Crew
Vor der Katze:
Pegah Ferydoni als Mina
Hadi Khanjanpour als Kian
Henrike von Kuick als Sophie
Constantin von Jascheroff als Lars
Frau Shahidi als Frau Torabian
Mahdokht Ansari als Rawi
Marzie Alivirdi als Frau Faridani
Hinter der Kamera:
Produktion: Glory Film GmbH, arte und Bayerischer Rundfunk
Drehbuch und Regie: Susan Gordanshekan
Kamera: Julian Krubasik
Produzent: Ralf ZimmermannBikulturalität bringt die seltsamsten Vorteile mit sich: Zum Beispiel wenn man als aus dem Iran stammender und in Deutschland lebender Arzt mit Mitte 30 eine fest Partnerin sucht, aber ein
Blind Date frustrierender abläuft als das nächste. Die Bindungsvorbehalte gleichaltriger und ähnlich gebildeter deutscher Großstädterinnen lassen da eine antiquierte (und nicht zum Leben in Europa passende) Option auf einmal verdammt verführerisch erscheinen: Also ruft Kian (Hadi Khanjanpour) eines späten Abends seine Mutter an und bittet sie, doch über Isfahan die traditionelle iranische Methode anzuleiern, um zu einer passenden Partnerin zu kommen: Eine Heiratsvermittlerin soll Gespräche mit interessierten Frauen vor Ort führen und dann eine Ehe arrangieren.
Die Glückliche heißt Mina (Pegah Ferydoni), ist ein paar Jahre jünger als Kian, intelligent und hübsch, hat einen iranischen Bachelor-Abschluss in einem nachgefragten technischen Berufsfeld und damit beste Chancen auf ein schönes Eheleben und eine gelungene Integration in die obere Mittelschicht Deutschlands.
Allein: Die sich anbahnenden Probleme sind trotz dieser optimistischen Beschreibung offensichtlich. Das Paar kennt sich kaum und muss sich erst mühsam und zaghaft aneinander herantasten. Die „traditionelle“ Art des Kennenlernens stößt bei den (weißen) deutschen Freunden von Kian auf hochgezogene Augenbrauen. Ein iranischer Bachelor-Abschluss ist derweil weder auf dem deutschen Arbeitsmarkt noch an den Universitäten sonderlich viel wert, und für ein konsekutives Studium bräuchte Mina fließende Deutschkenntnisse – die ihr fehlen, weil sie vor wenigen Monaten noch nicht im Traum an eine Emigration gedacht hat.
Es ist erstaunlich, mit welcher Bravour Autorin und Regisseurin Susan Gordanshekan nun die Verquickung des Exemplarischen mit dem Besonderen gelingt. Ihr Film ist – trotz der ihm zugrunde liegenden unerhörten Begebenheit zweier progressiver Menschen, die sich „traditionell“-altertümlich miteinander verheiraten – auffallend alltags- und lebensnah. Äußerst bedacht und mit wunderbarem Feingefühl für allzu menschliche Zwischentöne sucht Gordanshekan gerade die leisen, intimen Momente zwischen dem unverhofften Paar und baut dabei ihre Konflikte so allmählich und ungekünstelt auf, dass man als Zuschauer rasch die Ebene des Betrachters verlässt und sich emotional an diese beiden Charaktere bindet, die eigentlich nur alles aneinander falsch machen können.
Das zentrale Symbol für diese Beobachtung ist die titelgebende „defekte Katze“, eine Mieze mit Gendefekt, die Mina eines Tages anschleift, um nicht mehr den ganzen Tag allein sein zu müssen, während ihr Mann in der Klinik den Lebensunterhalt verdient und sie sich mangels sozialer Anlässe und Sprachkenntnisse mit niemandem unterhalten kann. Stück für Stück wird das Tier eine Allegorie auf ihre Beziehung: Kian hält nicht viel von Katzen, toleriert die defekte Mitbewohnerin aber zunächst. Doch je mehr sie miaut und als je weniger stubenrein sie sich entpuppt, desto rabiater werden seine Abwehrmaßnahmen.
Zum Glück verbleibt dieser Film dabei stets auf einer psychologischen Ebene und macht nicht den Fehler, sie einem bräsigen Kommentar zu den Widersinnigkeiten von Integration und Assimilation zu opfern oder durch eine überspitzte Culture-Clash-Dramaturgie zu verwässern. Die streckenweise Armut an äußerer Handlung gibt derweil den beiden vorzüglichen Hauptdarstellern umso größere Gelegenheiten, mit ihrem spielerischen Talent klare Akzente zu setzen: Pegah Ferydoni lässt ihre von der Situation überforderte, aber niemals hilflose Mina keine Sekunde zur
Picture Bride degenerieren, während ihr Gegenpart Kian nicht zuletzt dank Hadi Khanjanpour eine Figur bleibt, die trotz ihrer mitunter negativen Charaktereigenschaften nie die Grenze ins Antipathische überschreitet. So entstand ein wunderbar einfühlsamer und kluger Kommentar über Fremdheit in der eigenen Kultur, die mit der Universalität intimer zwischenmenschlicher Bedürfnisse nicht im Widerspruch steht. «Die defekte Katze» sagt das natürlich viel eleganter und unkomplizierter als dieses Fazit.
Das Erste zeigt «Die defekte Katze» in der Nacht von Dienstag, dem 01. September, auf Mittwoch, den 02. September um 00.35 Uhr.
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