«Kommissarin Lucas» will in ihrer neuen Folge sozialkritisch sein, bringt es aber nur zu pathetischer Empörung. Über Profitgier am Bau, Armierungseisen und den nettesten Vermieter von Regensburg.
Cast & Crew
Vor der Kamera:
Ulrike Kriener als Ellen Lucas
Lasse Myhr als Tom Brauer
Jördis Richter als Judith Marlow
Michael Roll als Boris Noethen
Tilo Prückner als Max Kirchhoff
Caro Scrimali als Bea Walch
Steven Scharf als Stefan Walch
Hinter der Kamera:
Produktion: Olga Film GmbH
Drehbuch: Stefan Dähnert und Markus Ziegler
Regie: Sabine Bernardi
Kamera: Oliver Maximilian Kraus
Produzent: Harald KüglerZiemlich unverblümt will uns die neue Folge von «Kommissarin Lucas» deutlich machen: Schuld an dem Toten sind eigentlich wir. Weil wir auch in Boom-Regionen wie Regensburg bezahlbaren Wohnraum fordern, dabei auf kostspielige Energieschutzvorschriften nicht verzichten wollen und so jedes Bauvorhaben neben den astronomischen Grundstückspreisen noch einmal verteuern, während gleichzeitig allerhand lästige Gesetze wie die EU-Entsenderichtlinie mittlerweile recht effektiv dafür sorgen, dass auch rumänische und bulgarische Hilfskräfte auf deutschen Baustellen fast wie richtige Menschen behandelt werden, Mindestlohn inklusive.
Die Konsequenz aus diesen Rahmenbedingungen ist für den standardmäßigen seelen- wie gewissenlosen Krimi-Baulöwen natürlich eindeutig: Damit die Margen zweistellig bleiben können, müssen eben Nicht-EU-Bürger wie Albaner oder Bosnier in die Bresche springen, um für zwei warme Mahlzeiten am Tag von früh bis spät Zement zu schippen. Und wenn einer von ihnen aufgrund der eher laxen Einhaltung der Sicherheitsvorschriften einmal von einem Armierungseisen aufgespießt wird, hat auch Kommissarin Lucas (Ulrike Kriener) wieder zu tun und darf seine Überreste in einem Waldstück auflesen.
Wie viele Fernsehstoffe, die ihr sozialkritisches Anliegen in einem Krimi-Rahmen verwursten müssen, bleibt auch dieser Film bei der Empörung stecken, die lustvoll auf uns als Gesellschaft (genauer: auf uns als heuchlerische, bildungsbürgerliche Elite, die ZDF-Krimis guckt) umgemünzt wird. Das mag uns zwar den oft bemühten gegenteiligen Ansatz – die ebenfalls zu kurz gedachte radikale Marktkritik – ersparen, doch die viel zu fahrige Zeichnung des Figurenpersonals kommt eben nicht über einen pathetischen Vortrag des bekümmernden Ist-Zustandes hinaus:
Der Bauunternehmer, der mit einem diffusen Netz aus osteuropäischen Subunternehmern jeden Cent aus dem Schweiß der Arbeiter und den gesichtslosen öffentlichen Kassen quetscht, marschiert in Designer-Brille und Künstlerschal über seine Baustellen, während ihm vor Kommissarin Lucas die Überheblichkeit aus jeder graumelierten Haarspitze quillt: Eine aus dem gehobenen Dienst kann mir nichts. Und der neue ambitionierte Staatsanwalt (Steven Scharf) hätte zwar den Drive und das Können, um die EU-Entsenderichtlinie einmal bis ins letzte Komma durchzusetzen. Doch ihn bremsen nicht nur die politische Ebene in Form des Baudezernats aus, sondern auch sein ungeordnetes Privatleben, auf das die beständige Nervosität seiner weggetretenen Ehefrau schon früh überdeutliche Hinweise gibt.
Obwohl am Schluss natürlich die Handschellen klicken, Kommissarin Lucas sich mit ihrem Dienstvorgesetzten wieder gut gestellt hat und sogar die Renovierungsarbeiten ihres Freundes und Vermieters Max (Tilo Prückner) langsam in geordnete Bahnen gebracht werden, bleibt doch wieder einmal die Chinatown-eske Kapitulation vor dem längeren Hebel der Kriminalität: Baubetrug und Ausbeutung gehen immer weiter, der Grund ist die schnöde Profitgier der blassen Unternehmer, und wenn alle Immobilieninvestoren so wären wie der alte Max, der auch noch im Spätherbst des Lebens eigenhändig die knarzigen Bodendielen abschleifen will, wäre die Welt ein besserer Ort.
Das ZDF zeigt «Kommissarin Lucas – Die Unsichtbaren» am Samstag, den 29. August um 20.15 Uhr.
Schreibe den ersten Kommentar zum Artikel