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«Cursed» Staffel 1: Eine Auserwählte, ein Schwert und viele Fragezeichen …

Im vergangenen Winter ist Netflix mit seiner „Original Series“ «The Witcher» endgültig in das Rennen um den nächsten großen Fantasy-Hit eingestiegen – und wurde damit den hohen Erwartungen insgesamt durchaus gerecht. Trifft das auch auf die neueste fantastische Eigenproduktion des Streamingdienstes zu?

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Dies wäre noch zu verschmerzen, wenn ebendiese vor kreativen Einfällen nur so strotzen würde und so auf jeden Fall für jene, die mit besagten Legenden bisher noch nie in Kontakt gekommen sind, ein packendes Seherlebnis bereithalten würde – auf das sich aus diesem Grund auch Kenner einlassen könnten, die dazu in der Lage sind, die sonderbare Art des „Namedroppings“ (temporär) auszublenden. Nur: Es fehlt eben gerade an Tiefe, an Komplexität und an Überraschendem – auch weil in einem Maße erklärt wird, dass man sich immer wieder beim Kopfschütteln ertappt. Nicht umsonst hat nahezu jeder, der sich in irgendeiner Form mit dem Schreiben und Fiktion im Allgemeinen beschäftigt, mit hoher Wahrscheinlichkeit bereits einmal den berühmten Satz „Show – don’t tell!“ gehört oder gelesen.

Zugegeben: Was die Genres Fantasy oder Science-Fiction anbelangt, muss oftmals zwangsläufig eine ausführlichere Erklärung hier und eine kürzere Erläuterung dort eingebaut werden, weil man – gerade bei anspruchsvolleren Stoffen – sonst leicht Gefahr läuft, sein Publikum zu stark zu verwirren oder gar komplett zu verlieren. Der Anspruch der (Drehbuch-)Autoren respektive Regisseure sollte es aber zweifelsohne trotzdem sein, so selten wie möglich auf dieses Mittel zurückzugreifen und stattdessen kluge Dialoge zu ersinnen, aus denen sich Wichtiges ableiten lässt oder Szenarien zu entwerfen, die für sich sprechen. Wenn allerdings Merlin zum x-ten Mal in nahezu jedem der zahlreichen von ihm geführten Gespräche neue, den Streamenden bisher unbekannte Informationen einstreut, die quasi unmittelbar die nächste Szene vorbereiten, dann ist das schlicht zu viel des Guten.

Überhaupt passiert auch einfach viel zu häufig exakt das, was gerade passieren muss, damit es zu keinem erzählerischen Stillstand kommt, ohne dass die Frage nach dem Warum überzeugend beantwortet werden kann: Einmal kann Nimue ihre Kräfte perfekt kontrollieren, dann wieder gar nicht oder nur bedingt. Einmal ist sie verständlicherweise extrem sauer auf Arthur, kurz darauf ist ein ziemlicher Vertrauensbruch kein Thema mehr und die beiden wenig später sogar wieder ein Herz und eine Seele. Dazu passt dann auch, dass die sich zwischen den beiden entwickelnde Romanze ohne echtes Fundament auskommen muss, womit ein weiterer potenzieller Pluspunkt von der Liste gestrichen werden kann. Der aus dem Nichts auftauchende, etwaige „Rivale“, der viel zu spät und unspektakulär eingeführt wird und von jetzt auf gleich offenkundig auch noch als Sympathieträger herhalten soll, mit dem man sofort mitfiebert, ist ein weiteres Beispiel für schwer nachvollziehbare Entscheidungen seitens der inhaltlich Verantwortlichen. Und Nimues „Auserwählten-Status“ nimmt man wohl am besten schlicht zur Kenntnis und hinterfragt dessen Zustandekommen lieber nicht – der Weg von „Sie erhält das Schwert“ zu „Sie ist die Hoffnung aller Fey“ ist jedenfalls (vorsichtig ausgedrückt) extrem kurz.

Dass darüber hinaus die Antagonisten einerseits stark überzeichnet werden und gleichzeitig andererseits ernstzunehmende Akteure im Spiel um die Macht sein sollen (König Uther) oder einfach böse sind, weil „Bösewichte“ eben böse sind (Pater Carden), hat zudem zur Folge, dass man sie nicht als die Bedrohung empfindet, als die man sie eigentlich empfinden müsste. Sie sind nicht das berühmte Salz in der Suppe, sondern einer der Hauptgründe, warum besagte fad bleibt. Selbst im Rollenprofil des in Windeseile etablierten „Racheengels“ sucht man vergebens nach einer glaubhaften Motivation für seine Taten. Der „Weinende Mönch“ ist auf Seiten der „Gegenspieler“ der einzige einigermaßen interessante Akteur – obwohl auch dessen Storyline strenggenommen nicht wirklich innovativ ist.



Trotz all der genannten Punkte soll ein besonders wichtiger nicht einfach übergangen werden: Insbesondere «Tote Mädchen lügen nicht»- und «Knives Out – Mord ist Familiensache»-Star Katherine Langford (Nimue), Lily Newmark (ihre Fey-Freundin Pym), Devon Terrell (Arthur), Shalom Brune-Franklin (Arthurs Schwester Igraine), Daniel Sharman (der „Weinende Mönch“) und «Vikings»-Liebling Gustav Skarsgård (Merlin) ist es zu verdanken, dass die zehn Folgen recht kurzweilig daherkommen. Dies mag nach den bisherigen Ausführungen etwas merkwürdig klingen, aber dem Cast gelingt es, dass man permanent auf eine Art Wendepunkt hofft, ab dem die Darstellerinnen und Darsteller nicht mehr lediglich andeuten, sondern endlich auch zeigen dürfen, was sie zu leisten imstande sind. Außerdem wartet vor allem die letzte Folge mit Momenten auf, die diesen Hauch an Optimismus, den man sich angesichts dieser Fülle an ungenutztem Potenzial schlicht bewahren möchte, rechtfertigen.

Selbst wenn eine zweite Season weitere solcher Momente zu bieten hätte, würde «Cursed – Die Auserwählte» zwar nicht mit den Fantastik-Flaggschiffen der jüngeren Vergangenheit und Gegenwart konkurrieren können – zum Beispiel auch nicht in Bezug auf den Look, der Rückschlüsse auf das im Vergleich sicher deutlich geringere Budget zulässt –, hätte allerdings unter diesen Voraussetzungen zumindest eine realistische Chance, diejenigen, die wohlwollend über die Formatschwächen hinwegsehen können, nicht auch noch zu verlieren.

Die erste Staffel von «Cursed – Die Auserwählte» ist auf Netflix verfügbar.
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30.07.2020 10:00 Uhr Kurz-URL: qmde.de/120214
Florian Kaiser

super
schade


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Tags

Cursed – Die Auserwählte Cursed Tote Mädchen lügen nicht Knives Out – Mord ist Familiensache Vikings

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