Die beeindruckende australische Miniserie, für die unter anderem Cate Blanchett verantwortlich zeichnet, hat es nun auch zu Netflix geschafft. Was sie so herausragend macht...
Cast & Crew
Produktion: Matchbox Pictures und Dirty Films
Schöpfer: Cate Blanchett, Tony Ayres und Elise McCredie
Darsteller: Yvonne Strahovski, Asher Keddie, Fayssal Bazzi, Marta Dusseldorp, Dominic West, Cate Blanchett, Jai Courtney u.v.m.
Executive Producer: Cate Blanchett, Andrew Upton, Tony Ayres, Elise McCredie, Liz Watts, Sally Riley und Andrew GregoryWill man die australische Haltung zum Thema Asylpolitik auf einen Satz reduzieren, lautet der wohl:
You will not make Australia home. Mit diesem Leitmotiv im Zentrum ließen australische Regierungen – ob links oder rechts – Videos produzieren, in denen Männer mit finsterem Blick vor der Kamera stehen, um allen potentiellen Flüchtlingen und Migranten einzutrichtern, ja nicht visumsfrei per Boot auf den Kontinent zu schippern: Australien kennt keine Gnade und wird sie schonungslos internieren. Die Ergebnisse sind seit Jahren bekannt und sorgen in der angelsächsischen Presse fast im Wochentakt für Skandale kaum vorstellbaren Ausmaßes. Kurzum: Das Land verfolgt eine Migrationspolitik, wie sie in Westeuropa so nur von rechtsextremen Parteien gefordert wird.
Eine der abstruseren Blüten, die diese politische Grundtatsache trieb, war der Fall Cornelia Rau: Die deutsche Staatsbürgerin hatte seit frühester Kindheit – stets mit unbeschränkter Aufenthaltsgenehmigung – in Australien gelebt, geriet aber aufgrund ihrer Wahnstörung nach einem Psychiatrieaufenthalt ins Visier der Einwanderungsbehörde, die sie monatelang von einer Nervenklinik in die nächste Haftanstalt und weiter in die nächste geschlossene Abteilung verlegte, bis dem von Inkompetenz und Überforderung durchsetzten Beamtenapparat mehr oder weniger durch Zufall auffiel, dass da eine legale Einwandererin all das mitmachte, was man sonst nur Kurden und Afghanis zumutet, die schon alles verloren haben und Glück hatten, ihren Folterknechten zu entkommen.
Von diesem Kuriosum aus erzählt nun die sechsteilige Miniserie «Stateless» die Geschichte des Flüchtlingssonderwegs Down Under. Nach ihrer Premiere beim australischen ABC (nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen amerikanischen Network) Anfang des Jahres hat sie nun auch ihren Weg ins weltweite Netflix gefunden.
© Netflix
«Stateless» ist eine beeindruckende und zeitlos aktuelle Serie über vier Fremde, die in einem Internierungslager für Einwanderer mitten in der Wüste Australiens aufeinandertreffen: eine Flugbegleiterin auf der Flucht vor einem gefährlichen Kult, ein afghanischer Flüchtling mit seiner Familie auf der Suche nach Asyl, ein junger Vater, der seinem perspektivlosen Job entflieht, und ein Beamter, dem die Zeit davonläuft, um einen landesweiten Skandal einzudämmen.
Der von vielen Medienbeobachtern erhobene Hauptkritikpunkt stößt auch gleich ins Horn des Aufhängers, von dem aus sich die Geschichte entfaltet: Denn Sofie Werner, wie Cornelia Rau in dieser fiktionalisierten Version nun heißt, ist eben alles andere als ein typischer Fall: Sie hält sich eigentlich legal im Land auf und musste nicht irgendwelche menschenverachtenden Schleuser bezahlen, um überhaupt nach Australien zu kommen. In ihrer Vergangenheit lauern nicht die Taliban oder der Islamische Staat, sondern nur eine merkwürdige tanzende Selbstoptimierungssekte. Und in der mehrheitlich weißen australischen Gesellschaft könnte Sofie mit ihrem perfekten Aussie-Englisch wohl mühelos untertauchen, anders als ein ethnischer Pakistani mit paschtunischer Muttersprache.
Glücklicherweise erweitert das Format sein Figurenorchester schnell um weitere Charaktere – auf beiden Seiten des Zauns. Denn die faszinierendste Geschichte, die «Stateless» erzählt, ist wohl die der Regierungsbeamtin Clare (Asher Keddie), die abkommandiert wurde, um Ruhe in das Lager zu bringen: An ihr offenbart sich die ganze kafkaeske Verwaltungsbrutalität, die Flüchtlinge als Vorgänge mit
Case Officers entmenschlicht – eine Situation, die in dieser Erzählung schier zwangsläufig in gewaltsame Übergriffe mündet. Psychologisch reift das nie zur Arendt’schen „Banalität des Bösen“ aus, sondern ereignet sich wegen einer merkwürdigen Verquickung aus Unterwerfung unter Sachzwängen und allgemeiner Alternativlosigkeit. Denn der Rahmen bleibt eisern:
You will not make Australia home
Es gibt 2 Kommentare zum Artikel
17.07.2020 21:47 Uhr 1
18.07.2020 01:10 Uhr 2
Wünschte deren Politiker würden mal zu uns kommen und auch hier ihre Politik umsetzen.
Das es ja bei denen Erfolg hat, sieht man ja....