Teil drei unseres Ausflugs in die große Welt des «Hawaii Five-O»-Universums entführt uns erneut in die 80er Jahre. Mit «MacGyver» schufen Lee David Zlotoff, Henry Winkler und John Rich eine der bis heute spannendsten und innovativsten Actionserien.
Lang ist‘ s her
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Vor ziemlich genau 35 Jahren zog ein Mann mit Vokuhila-Frisur und nur mit einem Schweizer Taschenmesser und einer Umhängetasche bewehrt los, um die Welt zu retten. Angus MacGyver, der laut einer Paramount-Pressemappe ursprünglich eigentlich Stacey mit Vornamen heißen sollte, war eine bis dato noch nie gesehene Art von Held. Er erhielt seine Aufträge nicht etwa direkt von der Regierung der Vereinigten Staaten, sondern von einem unabhängigen Think-Tank namens Phoenix Foundation. Natürlich arbeitete die Foundation oft mit den Polizei- oder Geheimdienstbehörden des Landes zusammen. Viele Missionen MacGyvers waren aber auch humanitärer Natur und zeigten mit ihrem sozialen Engagement ein Amerika der hohen Ideale, wie es immer gerne gewesen wäre, aber leider wohl niemals sein wird. So zog das smarte Multitalent in die Welt hinaus, um gegen fiese Drogenbarone, Sklavenhändler, unterdrückerische Despoten, Rassismus oder Geldwäscher zu kämpfen.
Ein Actionheld der anderen Art
So unglaubwürdig die Lösungsansätze des Alleskönners MacGyver manchmal auch daherkamen, man nahm diesem jungen Schauspieler namens Richard Dean Anderson seine Paraderolle voll ab. Wochenlang hatte man versucht, die Hauptfigur für eine neue, etwas andere Agentenserie zu casten. Doch wer auch immer vorsprach, wütete sich in bester Actionheldmanier durch die Audition. Nachdem Executive Producer Henry Winkler Anderson im Familiendauerbrenner «The Love Boat» gesehen hatte, lud er ihn zum Vorsprechen ein. Winkler zufolge fiel der in Roseville, Minnesota aufgewachsene Schauspieler den Produzenten sofort durch eine kleine, aber vielsagende Geste auf. Im Gegensatz zu seinen Kollegen schämte er sich nämlich nicht, seine Brille aufzusetzen. Außerdem legte Anderson so viel Menschlichkeit und Wärme in seine Darbietung, dass Winklers Partner John Rich sich noch 2006 in seinem Buch „Warum up the Snake“ erinnerte, dass der seinerzeit 34-Jährige für ihn der kommende Star des amerikanischen Fernsehens war. Winkler und Rich sollten recht behalten. Richard Dean Anderson wurde einer der beliebtesten Fernsehhelden der Welt und sollte nach dem Ende von «MacGyver» weitere zehn Jahre als Colonel Jack O’Neill in «Stargate – Kommando SG1» brillieren und Millionen Fans begeistern.
Das Genie kam aus Minnesota
Doch bis dahin sollte Angus MacGyver erst einmal sieben Jahre lang insgesamt 141 spektakuläre Fälle (139 Folgen und zwei TV-Filme) erleben, die das Genie möglichst gewaltfrei und ohne Tote löste. Um das zu erreichen, mussten ihm seine Erfinder fast übermenschlich viele Talente in die Wiege legen. Der aus Mission City, Minnesota stammende Hochbegabte sprach neben Englisch, Russisch, Französisch, Italienisch und Spanisch auch Deutsch und beherrschte natürlich diverse Zeichen- Code- und Flaggensprachen. Seine naturwissenschaftliche Ausbildung umfasste Physik, Chemie und Ingenieurwissenschaften. Außerdem musste sich MacGyver hervorragend in der Wildnis zurechtfinden können. Das bedeutete, dass er über zahlreiche Survival- und Outdoorskills verfügte und selbstverständlich auf Skiern ebenso versiert war, wie am Fallschirm. Was aus heutiger Sicht (und in Anbetracht der bisweilen etwas zu großspurig geratenen Darstellungsweise des Reboot-«MacGyvers» Lucas Till) völlig übertrieben wirken mag, passte zum Stil eines Richard Dean Anderson fantastisch. Andersons MacGyver war klug ohne großmäulig zu sein, mitfühlend, herzlich und insgesamt ein ausgeglichener Kerl. Außerdem war der Mime sportlich genug, dass er lange Zeit die meisten Stunts selbst übernahm, bis ihn eine Rücken- und Fußverletzung schließlich daran hinderte. Kurz und gut. Was der heutigen Serie nicht wirklich gelingen mag, schaffte dieser Mann quasi im Handumdrehen. Mit einem solchen Kumpeltyp konnte man sich identifizieren und folgte ihm mit der Gewissheit in viele Länder dieser Erde, dass er nicht eine unnötige Spur der Verwüstung hinter sich zurücklassen wollte.
MacGyverismen – eine Innovation der 80er Jahre
Wie aber löst ein solcher Mann die unzähligen Probleme, die ihm während seiner Abenteuer über den Weg laufen? Mit Köpfchen natürlich. Statt Gewehre, Granaten und Bomben nutzte Angus lieber Alltagsgegenstände, die er auf dem Boden, in Regalen oder Garagen liegend fand. Ein Satz aus der allerersten Folge namens „Pilot“ („Explosion unter Tage“) bringt MacGyvers Fähigkeiten auf den Punkt. Gemeinsam mit der hübschen Barbara Spencer (gespielt von der viel zu früh verstorbenen Darlanne Fluegel) sitzt er in einem unterirdischen Labor fest, aus dem es sich zu befreien gilt. Als Barbara ungläubig bemerkt: „Jetzt erzählen Sie bloß nicht, dass Sie aus einem Kaugummi eine Bombe bauen können“, fragt MacGyver nur kurz und knapp zurück: „Haben Sie denn eins?“ Einen Allrounder fällt es eben leicht, kreativ zu sein. Neben seinem Taschenmesser und Kaugummis nahm der Agent der Foundation auch immer wieder gerne Klebeband, Seile, Schokolade, Kreide, Kerzenwachs, Magneten aus Funkgeräten, oder in der Natur Schilfgras und Wasser zur Hand. Die Liste ist fast endlos und füllt zahlreiche Websites. Mac Gyvers Talent, aus gewöhnlichen Dingen die außergewöhnlichsten Hilfsmittel zu improvisieren bekam sogar einen eigenen Namen. Die MacGyverismen gingen so sehr in die Popkultur ein, dass es Ihnen noch heute passieren kann, dass Ihnen jemand eine Büroklammer in die Hand drückt und dies mit dem Worten: „Mach es wie MacGyver“ quittiert, wenn Sie beispielsweise im Büro vor einem defekten Drucker stehen. Und der dritte deutsche Astronaut auf der ISS Alexander Gerst erzählte in einem Interview, dass er auf der ISS einen Sicherungsbolzen für ein Experiment „in MacGyver-Manier“ reparieren musste. „To macgyver (im Deutschen „macgyvern“) ist also noch fast dreißig Jahre nach dem Ende der Serie ein geflügeltes Verb, das zumindest im englischen Sprachgebrauch sogar seinen Weg in den Oxford Dictionary fand. Einen so nachhaltigen Einfluss können sich nicht viele Serien auf die Fahne schreiben.
Interessant ist übrigens, dass sich Lee David Zlotoff, der «Mac Gyver», aus mehreren Konzepten von Henry Winkler und John Rich herausextrahiert hatte, die MacGyverismen nicht einfach nur aus den Fingern sog. Vielmehr orientierte sich der Drehbuchautor und Produzent an dem bekannten Gemmologen John Koivula, der seinerzeit am California Institute of Technology beschäftigt war und ebenfalls in Sachen Physik und Chemie einiges zu bieten hatte. Um die vielen Tricks und Kniffe des Serienhelden möglichst realistisch zu gestalten, arbeitete das Drehbuchteam dann auch mit dem Caltech zusammen. Das bedeutete aber nun nicht, dass sich alle Lösungsansätze Mac Gyvers auch wirklich in die Tat umsetzen lassen. Aus dramaturgischen, drehtechnischen oder rein praktischen Erwägungen, nahmen sich die Autoren hin und wieder die künstlerische Freiheit heraus, die naturwissenschaftliche Realität ein wenig zurechtzubiegen. Im Internet und Auf YouTube lassen sich hunderte, meist lustige Belege für fehlgeschlagene Experimente finden. Eine kleine Recherche lohnt also durchaus.
Die Opening Gambits – ein ungewöhnliches Stilmittel
Eine weitere ungewöhnliche Eigenschaft der Serie ist, dass einige Episoden der ersten Staffel mit einer kleinen Vorgeschichte starteten, die mit Mac Gyvers eigentlichem Abenteuer der Woche gar nichts zu tun hatten. Die sogenannten Opening Gambits wurden sogar von anderen Autoren geschrieben und von anderen Regisseuren gedreht. Wie es zu dieser Idee kam, lässt sich heute nicht mehr vollends nachvollziehen. Fest steht, dass die Art, in der diese Eröffnungsszenen gedreht sind, ein wenig überzogen wirken. Das von Terry Nation und Stephen Downing geschriebene Opening Gambit der dritten Folge der ersten Staffel, „Die Diebin von Budapest“ („The Thief of Budapest“), ist geradezu ein Paradebeispiel dafür. Die Folge steigt mit dem Blick auf einen stolzen Wüstenhäuptling im Stil von 40er-Jahre-Abenteuerfilmen ein, der einem ungenannten arabischen König das teuerste Pferd der Welt gestohlen hat. MacGyver stiehlt den Schimmel zurück und entkommt, indem er sich kurzerhand mitsamt Pferd von einem Hubschrauber ausfliegen lässt. Der vornehmlich aus Horrorfilmen bekannte Sid Haig (gest. 2019) war als Khan dazu verdammt, einen riesigen Schnurrbart mitsamt buntem Turban und Krummsäbel zu tragen. Allerdings dachte Haig in seinem Kurzauftritt keinen Moment daran, sich ernst zu nehmen. Sein völlig an den Haaren herbeigezogenes Overacting nötigt vielen Zuschauern auch heute noch ein angenehmes Schmunzeln ab und macht dieses Opening Gambit zum vielleicht erinnerungswürdigsten der Serie. Ab der Mitte der ersten Staffel fiel diese Art der Eröffnung komplett weg, so dass den Autoren rund fünf bis sechs Minuten mehr Zeit blieb, den anstehenden Plot auszuformulieren.
Herz und Humor, statt Überheblichkeit und Geballer
Augenzwinkernder Humor gehörte allerdings von Anfang an zu den Besonderheiten der Show. Mac Gyver kommentierte seine derzeitige Lage vornehmlich in den ersten vier Staffeln oft aus dem Off in der Ich-Perspektive. Dabei sparte er auch nicht mit witzigen Analogien und Metaphern, die oft genug unter Beweis stellten, dass man sich im Writers Room nicht immer allzu ernst nahm. Verfolgungsjagden enthielten häufig Slapstick-Elemente und mehr als einmal verfehlte ein Schlag sein eigentliches Ziel. Eine derartige Kombination aus Action mit Herz, menschlicher Wärme und innovativen Ideen mit einem hohen Wiedererkennungswert ist typisch für die 80er Jahre. Serien auf eine solche Art zu produzieren ist in dieser Form gar nicht mehr möglich. Das Remake von 2016 geht da ganz andere Wege, nicht immer zur Freude der Fans. Aus dem abgeklärten Helden wurde ein, vor allem in den ersten Episoden, fast schon überhebliches Supergenie, das mit dem Original im Grunde nur noch den Namen und die serientypischen Macgyverismen teilt. Mac Gyvers Background als Junge, dessen Mutter früh starb und der vom Vater im Alter von zehn Jahren verlassen wurde, hilft leider auch nicht allzu viel dabei, den Sympathiewert des jungen Überfliegers zu steigern.
Aus der Figur des Jack Dalton, der im Original ab der zweiten Staffel auftauchte und bis zum Ende der Serie mehr oder weniger große Gastauftritte absolvierte, wurde ein, man errät es leicht, ehemaliger Elitesoldat. Egal ob Nahkampf, Scharfschütze, oder welche Kriegstaktiken auch immer gefragt sind. Man darf sicher sein, dass Dalton der Mann für das Grobe ist und dafür sorgt, dass es in jeder Folge reichlich Knalleffekte gibt. Das führt leider auch dazu, dass Mac Gyvers Abneigung gegen Waffen ebenfalls passé ist und das junge Genie viel zu oft wie ein Gunman zur Waffe greift. Das ist schade, denn gerade die Tatsache, dass der ursprüngliche MacGyver darauf bedacht war, möglichst niemanden zu töten, machte die Serie so besonders. Peter M. Lenkov, der auch als Produzent und Autor für «Hawaii Five-0» und «Magnum P.I.» (2018) tätig ist, verfolgt mit seinem Partner Lee David Zltotoff zwar konsequent den derzeitigen Trend US-amerikanischer Actionserien, dabei bleibt aber der Charme des Originals naturgemäß ein wenig auf der Strecke. Die Tatsache, dass George Eads als Dalton zum Ende der zweiten Staffel aussteigt und von Levy Tran als Desiree Nguyen ersetzt wird, mag da ein Schritt in die richtige Richtung sein.
Durchschnitt statt Kult
Der Erfolg der neuen Serie ist ansehnlich, wenn auch nicht übermäßig. Die vierte Staffel erreichte in den USA eine durchschnittliche Zuschauerzahl von 6,08 Millionen bei einem Rating von 0.66 in der relevanten Zielgruppe. Zum Vergleich brachte es die zehnte Season von «Hawaii Five-0» auf 7,2 Millionen Zuschauer, was einem Rating von 0.72 entspricht. Immerhin reichten diese Werte aus, «Mac Gyver» in die vierte Staffel zu schicken, wie CBS erst Anfang Mai 2020 bekannt gab. Wie dem auch sei. An den Erfolg, den Kultfaktor und den nachhaltigen Einfluss auf die Popkultur wird das Remake so oder so mit Sicherheit niemals heranreichen. Das Original ist eben unübertroffen, nicht kopierbar und wird Fans noch im Gedächtnis nachhallen, wenn die 2016er-Version schon lange auf dem Serienfriedhof durchschnittlicher Actionserien gelandet ist.
Wo kann ich es sehen? Nitro wiederholt die Kult-Serie immer am Wochenende vormittags. Die Neuauflage hat Sat.1 im Programm: Frische Folgen ab dem 14. Juli, dienstags um 20.15 Uhr.
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