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«Tote Mädchen lügen nicht» Staffel 4: Manchmal wird es erst schlimmer, bevor es besser wird …

Vor wenigen Wochen veröffentlichte Netflix die letzten Folgen eines seiner größten Hit-Formate, das von Anfang an sehr kontrovers diskutiert worden ist. Der ideale Zeitpunkt also, um ein abschließendes Fazit zu ziehen.

Seite 1 Ein letztes Mal kehren wir also zurück nach Evergreen. Auf den Namen des kleinen Städtchens wurde innerhalb des präsentierten Geschehens nie wirklich eingegangen, und das, obwohl es lohnend gewesen wäre. Immerhin fällt er in Staffel 4 (gefühlt) häufiger als in den vorherigen. Bei einem „Evergreen“ oder „Immergrün“ handelt es sich ursprünglich um eine Pflanze, die vielleicht nicht immer die suggerierte Farbe hat, aber dafür ziemlich robust ist. Und daher kann man hier durchaus auch von einem „telling name“ sprechen, denn wenn die Protagonistinnen und Protagonisten von «13 Reasons Why» (so der Original-Titel des Formats) eines im Laufe der Zeit bewiesen haben, dann, dass sie sich nie unterkriegen lassen. Und wer die Serie kennt, der weiß, dass die üblichen Pubertätsthemen hier nicht oder nur indirekt gemeint sind. Die Heranwachsenden mussten in ihrer High-School-Zeit mehr verkraften als manch andere in ihrem ganzen Leben und dennoch sind sie (tatsächlich und im übertragenen Sinne) immer wieder aufgestanden. Sie haben sich dagegen gewehrt, endgültig in ein Loch zu fallen und nach Wegen gesucht, wie der Alltag für sie wieder leichter, wie er wieder „normaler“ werden kann.

Das Ende der dritten Runde war in jedem Fall von den Machern so konzipiert worden, dass das Anhalten der positiven Entwicklung für all jene absolut denkbar erschien, die ausblenden konnten, dass dies der Dramatik und Spannung, die das Publikum von der Produktion vom ersten Tag an gewohnt war, nicht unbedingt dienlich gewesen wäre. Daraus lässt sich dann auch eine wesentliche Frage ableiten, die es nach der Sichtung aller Episoden zu beantworten gilt: Welche inhaltlichen Erwägungen sprachen für eine vierte Season? De facto wäre es nämlich auch vorstellbar gewesen, nach der dritten (einige kleine Anpassungen inklusive) einen Schlussstrich unter dieses Kapitel zu ziehen.

Der Pilot liefert diesbezüglich bereits interessante Erkenntnisse: In gewisser Weise holt er zum Beispiel die Zuschauerinnen und Zuschauer auf den Boden der Tatsachen zurück. Denn: Ja, es gab zuletzt kleine Hoffnungsschimmer, aber vor allem gibt es (Stand 4.01) noch jede Menge ungelöster Probleme – im Grunde hat jede/jeder aus der Gruppe (weiterhin) ihr/sein Päckchen zu tragen. Dass noch weitere hinzukommen würden, stand spätestens fest, als innerhalb der ersten Minuten eine Beerdigung die Szenerie bestimmte – natürlich, ohne dass den vor den heimischen Bildschirmen Sitzenden verraten worden wäre, wer hier betrauert wird. Obwohl noch mehrfach Auszüge aus Trauerreden zu hören sind, spielt der Großteil des den Streamenden Gezeigten sechs Monate vor diesem traurigen Tag.


Man setzt folglich erneut eher auf die Wie- als auf die reine Was-Spannung; ein Vorgehen, das sich bekanntlich bisher bewährt hat. Dabei konzentriert man sich so sehr wie nie zuvor auf Clay Jensen (Dylan Minnette) und rückt ihn endgültig komplett in den Mittelpunkt der Ereignisse, was Vor- als auch Nachteile mit sich bringt. Einerseits war er immer schon derjenige, der uns Zusehende an die Hand genommen hat, derjenige, durch dessen (nicht vorhandene) Brille wir Situationen erstmals wahrgenommen haben, weshalb dem einen oder anderen nicht vollkommen klar sein dürfte, warum dieser Punkt an dieser Stelle so nachdrücklich hervorgehoben wird. Andererseits war er trotz seiner besonderen Rolle einer unter vielen. Insbesondere in den Staffeln 2 und 3 erhält jedes Mitglied dieser Schicksalsgemeinschaft nicht nur seine (vereinzelten) Momente, sondern vielmehr eine echte Storyline, sodass man von da an «Tote Mädchen lügen nicht» endgültig als Ensemble-Serie bezeichnen konnte. Die durch Hannah Bakers (Katherine Langford) Kassetten Zusammengebrachten waren längst keine Randfiguren mehr und ihre Geschichten boten deshalb mittlerweile ebenfalls eine Menge Identifikations- und Distanzierungspotenzial, sprich: Sie waren von Bedeutung für den Fortgang der Handlung.

Dadurch, dass Clays Erzählstrang nun allerdings im Prinzip von der ersten Sekunde des finalen Durchgangs an überdurchschnittlich viel Raum einnimmt, fühlt es sich zunächst beinahe so an, als bestünde der Rest der Truppe nur noch aus Nebenfiguren. Es dauert seine Zeit, bis allen voran Jessica Davis (Alisha Boe), Alex Standall (Miles Heizer) und schließlich auch Justin Foley (Brandon Flynn) wieder nachhaltig auf sich aufmerksam machen dürfen. Zach Dempsey (Ross Butler), Tony Padilla (Christian Navarro) und Ani Achola (Grace Saif) haben lediglich Phasen, in denen aufblitzt, warum sie einst in der ersten Reihe standen – mit Charlie St. George (Tyler Barnhardt) verhält es sich ähnlich, seine Szenen sind im Vergleich jedoch deutlich relevanter und dürften deswegen auch eher im Gedächtnis verbleiben. Bei Tyler Down (Devin Druid) hingegen fühlt es sich richtig an, dass es etwas ruhiger um ihn wird und er – einigen Missverständnissen zum Trotz – schlussendlich von allen am ehesten den Eindruck vermittelt, bereit für einen echten Neuanfang zu sein.

Erfahren Sie auf der nächsten Seite alles, was diesen Neuanfang im Detail auszeichnet.
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03.07.2020 10:00 Uhr Kurz-URL: qmde.de/119548
Florian Kaiser

super
schade

76 %
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Tote Mädchen lügen nicht 13 Reasons Why CSY: NY

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Es gibt 7 Kommentare zum Artikel
Blue7
04.07.2020 14:51 Uhr 5
Naja mit Tony hat man einen Schwulen gehabt. Voll kommen ok. Auch bis Staffel 3 blieb es dabei. Bei Alex gab es auch anzeichen auf das männliche Geschlecht zu stehen. Aber das wars.

Mit Staffel 4 waren statt 2 Personen gleich 10 Personen dem anderen geschlecht hingezogen. Es ist nunmal immer noch eine Teenieserie und keine Schwulenserie. Der Fokus Homosexualität wurde schlagarrtig zu stark ins Licht gerückt, obwohl es doch eigentlich um ganz andere Themen gehen sollte. Wenn vom Haupt-Cast, aus 2 ganze 5 Personen innerhalb von 8 Folgen werden dann ist das für mich einfach too much. Vorallem wenn es in einer 4. Staffel passiert und in den vorigen Staffeln mit 39 Folgen eigentlich nicht wirklich Thema war.


tommy.sträubchen
09.07.2020 15:09 Uhr 6
Als es klar war, die Serie erhält mehrere Staffeln wurde gesagt" wir wollen eine große Bandbreite ansprechen. Die Themen um die Homosexualität wurden auch nicht ausgewalzt. Bitte nicht falsch verstehen und böse aufnehmen.Wenn davon 2 lesbische Beziehungen gewesen wären,wäre es dann auch so störend gewesen? Wie gesagt ich frag nur.
tommy.sträubchen
09.07.2020 15:20 Uhr 7
Und obwohl es tatsächlich 4/5Homosexuelle in Staffel 4 gab...drehte es sich nur bei einem um sein Coming out und das auch nicht Vordergründig. Es wurde als Nebenstory miterzählt da Winston nunmal den Mord aufklären wollte. Es war ja nicht so als bestand Staffel 4 nur aus Küssenden Männern.Es waren Lückenfüller Storys.
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