«Die schönsten Jahre eines Lebens» - Alte Liebe rostet nicht
Im dritten und nunmehr letzten Teil der «Ein Mann und eine Frau»-Trilogie blickt Regisseur Claude Lelouch noch einmal auf das Leben der unglücklich verliebten Anne und ihrem einstigen LiebhaberJean-Louis.
Vor 53 Jahren revolutionierte der französische Regisseur Claude Lelouch mit seinem zweifach Oscar-gekrönten Liebesdrama «Ein Mann und eine Frau» («Un homme et une femme») das Genre der Kino-Liebesgeschichten. Zwanzig Jahre später, 1986, blickte er in «Un homme et une femme, 20 ans déjà» darauf, was aus seinen beiden unglücklich verliebten Hauptfiguren Anne Gauthier und Jean-Louis Duroc geworden war. Und nun, noch einmal 34 Jahre später, lässt er das einstige Paar zum aller Voraussicht nach letzten Mal aufeinandertreffen und schwelgt dafür noch einmal ganz besonders in Erinnerungen. Eine groß gedachte Idee, die ein wenig an Richard Linklaters «Before»-Trilogie erinnert. Auch hier verfolgt ein Filmemacher über viele Jahre zwei Menschen auf ihrem Lebensweg, die sich in nunmehr drei Filmen mehrmals wieder begegnen. «Before Sunrise» (1995), «Before Sunset» (2004) und «Before Midnight» (2013) waren von Linklater jedoch von Anfang an als filmisches Dreigestirn angelegt.
Die Fortsetzungen zu «Ein Mann und eine Frau» hingegen wirken in Ermangelung eines solchen Masterplans rückwirkend betrachtet wie ein Schnellschuss – und das obwohl die Zeitspanne zwischen den einzelnen Teilen sogar noch größer ist als die zwischen den drei «Before»-Filmen. Der Grund: Auch 53 Jahre später haben Lelouchs Liebesschwüre nichts an ihrer Banalität verloren, wenngleich er inszenatorisch immerhin ambitioniert bleibt – und das mit über 80 Jahren.
Noch ein letztes Wiedersehen
Siege fährt der ehemalige Rennfahrer und Womanizer Jean-Louis (Jean-Louis Trintignant) nur noch in seiner Erinnerung ein. Doch die geht immer mehr verloren, fürchtet sein Sohn Antoine (Antoine Siri), auch wenn es scheint, als würden sich die Gedanken des alten Herrn vor allem um eine bestimmte Frau drehen: Anne (Anouk Aimée), die große Liebe seines Lebens. Um seinem Vater ein Stück Lebensqualität zurückzugeben, macht sich Antoine auf die Suche nach jener geheimnisvollen Schönheit, die Jean-Louis nicht halten konnte, die er aber nie vergessen hat. Und tatsächlich macht er Anne in einem idyllischen Dorf in der Normandie ausfindig, wo die frühere Filmproduzentin – umgeben von ihren erwachsenen Kindern und einer Schar Enkel – einen kleinen Laden und ein sehr erfülltes Leben führt. Sie nimmt die Einladung, Jean-Louis nach so vielen Jahren wiederzusehen, nur zögerlich an. Beim ersten Besuch erkennt er sie zunächst auch nicht wieder. Doch schnell nehmen die beiden die Fäden ihrer gemeinsamen Geschichte da auf, wo sie sie einst hatten fallen lassen…
«Die schönsten Jahre eines Lebens» beginnt mit folgendem Dialog: „Warum sind wir nicht zusammengeblieben?“ „Wahrscheinlich, weil es zu schön war…“ Eine auf dem Papier rührend-dramatische Erkenntnis, die, gelegt in die Münder der beiden Hauptdarsteller Anouk Aimée («Schräger als Fiktion») und Jean-Louis Trintignant («Happy End») jedoch phrasenhaft anmutet. Der Grund: In «Die schönsten Jahre eines Lebens» sind solch vermeintlich tiefgründige Sätze keine vom bisherigen Dialog auf die Spitze getriebenen Highlights, sondern die Regel.
Auf Dauer verwässert das die intensiv gedachten Gespräche zwischen den einst Liebenden; und Sätze wie „Der Tod ist der Schuldschein des Lebens.“ wirken genauso wenig aus dem Leben gegriffen wie die Ausführungen von Jean-Louis‘ Sohn über das Filmgenre der Nouvelle Vague – ein Verweis auf den ersten Film, der diese Stilrichtung des französischen Kinos maßgeblich prägte. Doch so plump derartige Einschübe wirken, immerhin fügen sie sich nahtlos an die Inhalte der bisherigen Filme. Claude Lelouch war in «Ein Mann und eine Frau» sowie dessen Fortsetzung eben schon immer mehr an der Beziehung zwischen den beiden Figuren interessiert als an seinen Groschenroman-Dialogen. Und auf dieser Ebene überzeugt nun auch «Die schönsten Jahre eines Lebens» erneut.
Ein Streifzug durch über ein halbes Jahrhundert Filmgeschichte
Auch nach so vielen Jahren sprühen zwischen Anne und Jean-Louis noch immer merklich die unbeholfenen Funken. Eine im Hinblick auf Jean-Louis‘ Schürzenjägervergangenheit hübsche Beobachtung, dass dieser im Anbetracht seiner einstigen Liebe plötzlich gar nicht mehr so selbstsicher wirkt wie einst – auch wenn dies sicherlich auch darin begründet liegt, dass Jean-Louis Trintignant seine Paraderolle diesmal als zerbrechlichen, an Alzheimer leidenden Greis anlegt, der sein ehemaliges Love Interest auf den ersten Blick gar nicht erkennt. Doch so sehr es die äußeren Umstände auch verlangen: Der körperliche Zustand des bereits in Michael Hanekes «Happy End» in ähnlicher Verfassung auftretenden Trintignant (der Mann wird dieses Jahr immerhin 90 Jahre alt!) wirkt zweifelsohne befremdlich. Erst recht im Vergleich zu den zwischendrin eingestreuten Szenen aus den bisherigen Filmen, die noch einmal unterstreichen, wie viel Zeit zwischen damals und heute vergangen ist.
Jean-Louis (Jean-Louis Trintignant) erinnert sich noch immer an seine einstige Liebe Anne (Anouk Aimée).
Die Flashbacks entlarven «Die schönsten Jahre eines Lebens» auf der einen Seite endgültig aus finale Verbeugung und melancholisches Lebewohl. Auf der anderen erwecken sie aber auch den Eindruck, bloß Füllmaterial zu sein, da Claude Lelouch seinen Film sonst kaum auf Spielfilmlänge hätte strecken können.
Immerhin entsteht durch die Symbiose mehrerer Jahrzehnte Filminszenierung ein hübscher Überblick über die Entwicklung des (französischen) Kinogeschehens. Wie eingangs erwähnt hätte Antoine Sire, dessen Schauspielkarriere sich auf die Verkörperung des Antoine Duroc beschränkt, diesen Umstand nicht auch noch konkret ausformulieren müssen. Doch letztlich darf man ja auch ein wenig stolz sein auf ein derart ausladendes Mammutprojekt; Selbst, wenn es nicht von Anfang an als solches geplant war. Ob es allerdings ein Eingeständnis an die Monotonie des modernen Kinos ist, dass die Szenen, die in «Die schönsten Jahre unseres Lebens» im Hier und Heute spielen, inszenatorisch nun überhaupt keine Besonderheiten mehr bieten, lässt sich nicht mit Gewissheit sagen.
Gleichwohl ist die Kameraarbeit von Robert Alazraki («La Louve»), der bislang nicht an der «Mann und Frau»-Trilogie beteiligt war, derart unspektakulär und die Ansammlung an Franco-Pophits so betont gefällig, dass man den Film auf den ersten Blick im Segment der Dutzenden von französischen Feel-Good-Dramödien verorten würde, aber niemals als Teil einer Filmreihe, deren Auftakt sämtliche großen Filmpreise dieser Welt gewann. Selbst das nach wie vor hochengagierte Spiel der beiden Hauptdarsteller kann den Mangel an Substanz nicht verbergen. Es ist also im Grunde alles wie immer.
Fazit
Nach «Ein Mann und eine Frau» sowie«„Un homme et une femme, 20 ans déjá» folgt mit «Die schönsten Jahre eines Lebens» der dritte Teil einer romantisch-dramatischen Filmreihe, die schon immer eher von der Schauspieldynamik und weniger von erzählerischer Substanz lebte.
«Die schönsten Jahre eines Lebens» ist ab dem 2. Juli in ausgewählten deutschen Kinos zu sehen.
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